In Österreich kommen noch immer 90% der Pensionszahlungen vom Staat. Betriebliche und private Vorsorgeformen setzten sich bisher nur zögerlich durch. Mit der Schaffung des transparenten Pensionskontos kommt nun erstmals Bewegung in den Markt. Angebote für kleine Einkommen boomen, punkten können aber auch Arbeitgeber mit einer Firmenpension für Mitarbeiter.
Drei Säulen sollen das österreichische Pensionssystem stützen – die staatliche, die betriebliche und die private Vorsorge. Tatsächlich leistet der Staat noch immer 90 % der Pensionszahlungen. Allen Anstrengungen der Versicherungsgesellschaften und Pensionskassen zum Trotz kommen die betriebliche und private Vorsorge nicht so recht in die Gänge. Der Bevölkerung ist es nicht zu verdenken: Seit der Finanzkrise ist das Misstrauen in kapitalgedeckte Modelle groß. Die niedrigen Renditen konnten häufig die Erwartungen nicht erfüllen und zogen teilweise sogar Pensionskürzungen nach sich. Viele Verträge der lange Zeit stark beworbenen, staatlich geförderten Zukunftsvorsorge wurden »ausgestoppt«, die Erträge liegen nach zehn Jahren nur knapp über den eingezahlten Beträgen. Bei Lebensversicherungen liegt die garantierte Verzinsung nur noch bei 1,75 %, nach Abzug von Gebühren und Steuern bleibt oft noch weniger übrig.
Bewusstsein geschärft
Dabei ist das Bewusstsein über die Notwendigkeit finanzieller Vorsorge bei den Österreicherinnen und Österreichern stark ausgeprägt. Sicherheit und Verfügbarkeit stehen dabei vor hohen Zinsen oder Renditen im Vordergrund. Mehr als die Hälfte möchte kein oder nur wenig Risiko eingehen. Seit da und dort die Briefe der Pensionsversicherungsanstalten ins Haus flattern, kommt Bewegung in den dümpelnden Vorsorgemarkt. Der Blick auf die Kontoerstgutschrift verheißt oft nichts Gutes: Erstmals wird die Differenz zwischen dem Aktiveinkommen und der zu erwartenden Pensionszahlung sichtbar. Die meisten Menschen müssen den Gürtel in der Pension voraussichtlich recht eng schnallen. 48 % wollen sich laut einer aktuellen Studie von GfK Austria in Zusammenhang mit dem »Pensionskonto neu« zu ihrer Pensionslücke beraten lassen. Die Möglichkeit, künftig schon recht konkrete Berechnungen bezüglich der Pensionsansprüche einsehen zu können, hat das Wissen geschärft. »Die Österreicher sind heute zum Thema Pensionslücke weitaus besser informiert als noch vor zwei Jahren «, bestätigt Heinz Schuster, Vorstandsvorsitzender der s-Versicherung. Fast jeder Zweite kann den Begriff inzwischen richtig zuordnen. Die eigene Pensionslücke wird auf durchschnittlich 600 Euro – um 50 Euro höher als 2011 – geschätzt. Je höher das Einkommen ist, desto höher fällt auch die Prognose aus. Frauen stufen sie mit 544 Euro deutlich niedriger ein als Männer.
Grund zur Sorge
Gerade Frauen haben aber allen Grund zur Sorge. Weniger als 20 % denken positiv an ihre Pension, wie eine Erhebung unter 1.000 Frauen zwischen 18 und 55 Jahren ergab. Danach gefragt, »wie viel Prozent des derzeitigen Gehalts in der Pension zur Verfügung stehen wird«, gehen die Befragten im Schnitt von weniger als 50 % aus. Nicht einmal jede Vierte glaubt, mit der künftigen Pension ihren Lebensstandard halten zu können. Fast jede Dritte fürchtet, damit nicht einmal die Ausgaben des täglichen Lebenszu decken. »Auch Frauen mit besserem Einkommen und guter Bildung sind vor finanziellen Einbußen in der Pension nicht gefeit«, erklärt Judit Havasi, stellvertretende Generaldirektorin der Wiener Städtischen. 46 % der befragten Österreicherinnen haben dennoch bisher keine Vorsorgemaßnahmen getroffen – die Hälfte davon gibt an, sich derzeit keine Pensionsvorsorge leisten zu können. Österreich ist ein Land der Teilzeitarbeit. Auch die langen Karenzzeiten wirken sich negativ auf die Pensionshöhe aus. Bei einem durchschnittlichen Einkommen von 1.500 Euro netto bleibt Frauen kaum Geld für private Vorsorge übrig. Speziell für Bezieherinnen kleiner Einkommen entwickelte die Wiener Städtische deshalb das Vorsorgeprodukt »Woman Plus«, das auf die speziellen Lebenszyklen von Frauen Rücksicht nimmt. Je nach Variante sieht der Vertrag eine Prämienbefreiung im Fall einer Baby- oder Hospizkarenz bzw. einer Arbeitslosigkeit vor, Krankheitsfälle werden immer abgedeckt. Abschlüsse sind bereits ab einer monatlichen Prämie von 25 Euro möglich – denn ein Drittel der Frauen könnte immerhin bis zu 50 Euro für Vorsorge locker machen, ein weiteres Drittel bis zu 100 Euro.
Bindungsinstrument
Eine mögliche Ergänzung zur staatlichen Pension und/oder privaten Vorsorge ist die betriebliche Vorsorge. Einige Unternehmen haben erkannt, dass dieses Asset im Wettbewerb um die qualifizierte Arbeitskräfte entscheidend sein kann. Mit der Abschaffung des alten Abfertigungsmodells wurden auch langgediente Mitarbeiter zunehmend wechselfreudiger. Das Angebot einer betrieblichen Vorsorgelösung könnte diese Rolle als Bindungsinstrument einnehmen. Derzeit verfügen nur 20 % der Erwerbstätigen über eine betriebliche Altersvorsorge. Im europäischen Schnitt liegt dieser Anteil zwischen 30 und 50 %. Nur rund 700.000 Arbeitnehmer kommen in Österreich in den Genuss einer Firmenpension, damit haben uns auch Länder wie Ungarn und Tschechien längst überholt. Die heimischen Betriebe schöpfen die gesetzlichen Möglichkeiten und die damit verbundenen Steuervorteile bei weitem nicht aus. Neben den Pensionskassen stehen drei Vorsorgevarianten betrieblicher Versicherungslösungen zur Wahl. Der höchste Vermögensanteil entfällt auf die Pensionsrückdeckungsversicherung, auch »direkte Leistungszusage« genannt. Diese Gunst kommt in der Regel Managern und Führungskräften zugute – derzeit rund 31.100 Personen, für die immerhin ein Vermögen von zwei Milliarden Euro angespart wurde. Die verbreitetste Variante der betrieblichen Vorsorge ist die »Zukunftssicherung «. Mehr als 550.000 Begünstigte sind auf diese Art pensionsversichert, die Veranlagungssumme beträgt rund 1,2 Milliarden Euro. Bis zu 300 Euro können Arbeitgeber für ihre Mitarbeiter steuerfrei einzahlen – allerdings wurde diese Grenze seit der Einführung im Jahr 1975 nicht erhöht. »Wertberichtigt wären das heute 926 Euro. Das ist mehr, als ein Mitarbeiter im Schnitt selbst für private Vorsorge aufwendet«, sagt Manfred Rapf, Vorsitzender der Sektion Lebensversicherung im österreichischen Versicherungsverband (VVO). Trotzdem bleibt dem Arbeitnehmer deutlich mehr im Börsel, wenn eine Gehaltserhöhung nicht ausbezahlt wird, sondern in eine Betriebspension fließt. »Vorsorge ist immer günstiger als Cash auf die Hand«, erklärt Rapf. Lohnnebenkosten, Lohnsteuer und Sozialversicherung knabbern am Zugewinn, auch der Aufwand für das Unternehmen sei nicht zu unterschätzen. Eine Gehaltserhöhung von 760 Euro brutto koste dem Arbeitgeber rund 1.000 Euro, dem Dienstnehmer blieben jedoch nur 415 Euro netto.
Bei KMU kaum bekannt
Die dritte Vorsorgevariante, die »Betriebliche Kollektivversicherung«, weist mit rund 16.000 begünstigten Arbeitnehmern und einem verwalteten Vermögen von 643 Millionen Euro noch den geringsten Anteil am betrieblichen Vorsorgeportfolio auf.» In dieser Vorsorgeform steckt aber das größte Potenzial«, meint Versicherungsvorstand Rapf, zumal sie den Faktoren Garantie und Sicherheit in höchstem Maß entspricht. 2005 als Konkurrenzprodukt zu den Pensionskassen geschaffen, sind die Einzahlungen ebenfalls steuer- und abgabenfrei. Im Unterschied zu diesem Modell wird jedoch bereits bei Vertragsabschluss die Pensionshöhe garantiert, in der Ansparphase zugeteilte Gewinne können nicht mehr verloren gehen. Schwankungen auf den Kapitalmärkten führen zu keiner Neuberechnung. Für den Arbeitgeber sind die Prämienzahlungen nicht nur von Sozialabgaben und Lohnnebenkosten befreit, sondern auch als Betriebsausgabe absetzbar. Diese Vorteile dürften freilich vor allem bei Klein- und Mittelbetrieben noch kaum bekannt sein. Laut Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) bieten lediglich 11 % der Kleinstunternehmen (ein bis neun Beschäftigte) eine betriebliche Vorsorgelösung an, bei Betrieben mit zehn bis 19 Mitarbeitern sind es 15 %. Bei Unternehmen ab 300 Mitarbeitern verfügen dagegen 44 % über ein entsprechendes Veranlagungsmodell. Mit dem Wissen um die persönliche Pensionslücke könnte jedoch bald ein Umdenken einsetzen: wenn die junge Generation, die mit finanziellen Einbußen in der Pension fix rechnen muss, nämlich die gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen aktiv einfordert.
FACTS
Land der Pensionisten
Sozialminister Rudolf Hundstorfer spricht optimistisch von einer »Trendumkehr«: Das Pensionsantrittsalter ist im vergangenen Jahr um 8,5 Monate gestiegen. In den fünf Jahren zuvor war lediglich eine Anhebung um insgesamt fünf Monate gelungen. Diese Verbesserung geht jedoch ausschließlich auf die Abschaffung der Invaliditätspension für unter 50-Jährige zurück. Bei reinen Alterspensionen blieb das Antrittsalter nahezu gleich. Das gesetzliche Pensionsantrittsalter liegt bei 60 Jahren für Frauen und bei 65 Jahren für Männer. Tatsächlich beenden Österreicher im Schnitt aber bereits mit 58 Jahren ihre Erwerbstätigkeit. Im EU-Vergleich sind nur die Slowenen und Luxemburger noch früher dran. Bis 2018 will die Regierung den faktischen Pensionsantritt auf 60,1 Jahre steigern. Die Hacklerregelung, die eine abschlagsfreie Frühpension nach 45 Beitragsjahren ermöglichte, wurde stark eingegrenzt. Von einer radikalen Reform ließ die Koalition jedoch die Finger. Aus gutem Grund: In einer Online-Umfrage des Instituts Marketagent. com gab die Hälfte der knapp 2.000 Teilnehmer an, der Pensionierung mit großer Freude entgegenzusehen. Bei den über 50-Jährigen waren es 73 %. »Der Wunsch, so früh wie möglich in Pension zu gehen, ist tief in der österreichischen Seele verwurzelt«, zieht Leopold Stieger eine ernüchternde Bilanz. Mit seiner Plattform »seniors4success« tritt er für eine längere berufliche Tätigkeit ein. Pensionisten, die den Ruhestand wörtlich nehmen, bauen geistig und körperlich rasch ab. Die Lebenserwartung sinke jährlich um zwei Monate, so Stieger. In Österreich will sich dennoch nur ein Drittel aktiv betätigen, egal ob bezahlt oder ehrenamtlich. Denn darin sind sich fast alle einig: Das ideale Ruhestandsalter ist 60 Jahre und kein Jahr länger.