Samstag, Juli 20, 2024

Führungsqualität ist das Schlüsselthema der Zukunft, meint Unternehmensberaterin Gundi Wentner, Partnerin bei Deloitte Österreich.

(+) Plus: Sind die Unternehmen auf den Umbruch in der Arbeitswelt vorbereitet?

Gundi Wentner: Es gibt Unternehmen und Branchen, die besser vorbereitet sind, weil Veränderungen dort rascher ankommen. Ein Thema, das für alle Relevanz hat, ist Leadership. In zweifacher Sicht: Nur gute Führung kann letztlich die Anstöße geben, damit Veränderungen im Unternehmen tatsächlich stattfinden; und weil wir sehen, dass nachfolgende Mitarbeitergenerationen andere Erwartungen an Führung haben. Einer der häufigsten Gründe, warum Menschen Unternehmen verlassen, ist ihre Unzufriedenheit mit der Führung.

(+) Plus: Warum muss man heute anders führen?

Wentner: Bis zum Jahr 2000 ging es ja in der Wirtschaft kontinuierlich bergauf. Ich vertrete die These, es war insbesondere in den Wachstumsbranchen – Telekommunikation, Finanzdienstleister, IT – relativ leicht zu führen. Spätestens seit der Finanzkrise sind wir immer wieder mit Einbrüchen konfrontiert. Die Märkte sind global und volatiler, zugleich schreitet die technologische Entwicklung voran. Damit wurde das ganze Wirtschaftsleben komplexer, auch was die Anforderungen an Führungskräfte betrifft.

(+) Plus: Spielt auch der Generationenwechsel eine Rolle? Der Generation Y wird ja nachgesagt, besonders anspruchsvoll zu sein.

Wentner: Hier kommt eine neue Generation in den Arbeitsmarkt, die anspruchsvoller ist, was das Arbeitsumfeld und ihre persönliche Entwicklungsmöglichkeiten betrifft. Was Unternehmen häufig nicht sehen: Es ist eine Generation, die mit Vernetzung, Handys und Tablets aufgewachsen ist. Durch diese technologischen Entwicklungen haben sich die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben völlig verschoben. Das ist schwierig für Führungskräfte, die ein sehr traditionelles Verständnis von Führung haben. Da hört man manchmal: Die jungen Leute sind ja nicht mehr so einsatzbereit wie früher. Das ist völliger Schwachsinn. Die Realitäten klaffen bereits in der Schule völlig auseinander: Die Kinder sind mit Frontalunterricht an der Tafel konfrontiert, alle haben aber zu Hause einen Computer und ein Smartphone. Man hat das Gefühl, in einem Paralleluniversum zu leben. Auch in Unternehmen gibt es diese Parallelwelten zwischen Arbeitsweisen, Arbeitsplätzen, Erwartungen der Führungskräfte und der Art und Weise, wie sich Mitarbeiter normalerweise vernetzen, kommunizieren und mit Technologie umgehen.

(+) Plus: Umworben werden vorwiegend junge, mobile, gebildete Menschen. Ältere Arbeitnehmer, Zuwanderer und auch Frauen bleiben auf der Strecke. Schmerzt der demografische Wandel noch zu wenig?

Wentner: Das muss man sehr differenziert sehen. Bei den älteren Arbeitskräften macht uns das Senioritätsprinzip zu schaffen. Ältere Arbeitnehmer sind teurer, deshalb gibt es in Österreich die Tendenz zu jüngeren, billigeren Mitarbeitern. Außerdem veraltet Wissen rasch. Menschen qualifiziert zu halten, ist eine Frage der Eigeninitiative, aber auch Aufgabe der Unternehmen.

(+) Plus: Warum trägt die Förderung von Frauen kaum Früchte?

Wentner: Ich habe dazu eine sehr radikale Meinung. Die Frauenerwerbstätigkeit in Österreich ist im EU-Schnitt recht hoch. Gleichzeitig haben wir aber eine hohe Teilzeitquote und viele selbstständige Einzelunternehmerinnen. Beides ist in Hinblick auf Karrieremöglichkeiten die totale Sackgasse. Das liegt aber an den Rahmenbedingungen: Wir haben ein Schulsystem, das davon ausgeht, dass ein Elternteil am Nachmittag verfügbar ist. Das ist halt meistens die Mutter.

(+) Plus:Was können die Unternehmen beitragen?

Wentner: Die Wirtschaft müsste wesentlich massiver von der Politik einfordern, dass sich hier endlich etwas ändert. Flexible Arbeitszeitmodelle sind im Grunde eine Illusion. Nicht immer im Büro sein, das ist schön und gut, aber die Arbeit muss ja gemacht werden. Wenn ich 38,5 Stunden arbeite, ist Flexibilität fein, nur kann ich trotz dem nicht mit meinem Kind die Hausübung machen. Ich halte deshalb auch Home Office für keine Lösung. Sich auf die Bedürfnisse von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Kindern einzustellen und beispielsweise interne Meetings nicht zwischen 18 und 21 Uhr anzusetzen, ist ein Beitrag, den die Unternehmen leisten können. Ich glaube nur, beim Thema Frauenberufstätigkeit sind wir ziemlich am Limit. In Wirklichkeit haben die Unternehmen ja einen ganz guten Deal mit Teilzeit-Frauen, weil diese bekanntlich sehr strukturiert und effizient arbeiten. Aber sie kommen nie in verantwortungsvolle Positionen.

(+) Plus: Wer wird im »War of Talents« die Nase vorne haben?

Wentner: An Führung zu arbeiten, ist ein Schlüsselthema. Gut hinzuhören, welche Erwartungen Mitarbeiter haben, was ihre Entwicklung und Karriere betrifft – und entsprechende Angebote zu machen. Die Herausforderung der Zukunft lautet: Werden wir genügend gut ausgebildete Leute haben? Und sind wir offen genug, diese Leute auch aus anderen Ländern zu uns zu holen? Wenn ich die Ausländerfeindlichkeit hier sehe, habe ich meine Zweifel. Schaffen wir es nicht, diese Menschen zu integrieren und ihnen Chancen zu geben, werden wir in ein paar Jahren ziemlich schlecht dastehen.

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