Mittwoch, Februar 05, 2025

Gute Führungskräfte sind aufrichtig und authentisch, aber keineswegs immer lieb, sagen die Organisationsberater Gabriele und Toni Kofler.

(+) Plus: Es heißt, emotionale Intelligenz werde stark durch Erfahrungen in der Kindheit geprägt. Kann man den EQ trotzdem später noch verbessern?

Gabriele Kofler: Zunächst muss ich ein Bewusstsein dafür entwickeln, wie mich andere sehen oder erleben, damit ich mein Selbstbild verändern kann. Und ich brauche neue Erfahrungen. Deshalb ist unser Programm »Essenz der Führung« sehr erfahrungsorientiert, mit Übungen, die primär auf der körperlichen und sozialen Wahrnehmungsebene ansetzen.

Toni Kofler: Die neuere Hirnforschung sagt, du kannst sehr wohl noch mit 55 einen mächtigen Schub machen. In unserem Programm haben wir permanente Grenzüberschreitungen eingebaut. Das ist die wichtigste Nahrung, wenn man als Führungskraft an sich arbeitet.

(+) Plus: Sehen Sie gerade bei Führungskräften emotionale Defizite?

G. Kofler: Führungskräfte sind auf ihre Performance und ihre Ergebnisse fixiert und stehen sehr unter Druck. Sie sind aber wenig geschult, ihr Tun auf der interaktiven Ebene zu reflektieren. Der Begriff »Selbstreflexion« ist ja allgegenwärtig – aber wie macht man das? Wirksam ist Verhalten, z.B. wertschätzend sprechen, ja nur, wenn es von der inneren Haltung genährt wird. Führungskräfte von der äußeren Performance zur tieferen, feineren Wahrnehmung der inneren Haltung zu bringen, ist deshalb das Wichtigste.

T. Kofler: Führungskräften haftet ja ein gewisser Heldenmythos an, sie sind erfolgreich, haben Charisma. Dieses Bild ist über Jahrzehnte gewachsen. Durch die Wirtschaftskrise hat sich aber viel verändert, das Heldentum hat kaum noch Bedeutung. Das neue Führungsmodell kann nur ein unterstützendes Modell sein, das auf Gemeinschaftsleistung abzielt. Wenn Führungskräfte keine soziale und emotionale Intelligenz haben, malen sie ein paar Folien und erklären den Mitarbeitern ihr Konzept. Das bringt gar nichts. Sie müssen sich selbst verwundbar zeigen und diese schwierige Situation als gemeinsamen Prozess inszenieren.

(+) Plus: Wie entsteht eine emotional intelligente Unternehmenskultur?

T. Kofler: Meine These lautet: Fünf Prozent reichen. Ich muss nicht alle in einer Kultur drehen. Wenn nur fünf von 100 mit Energie und Strahlkraft beginnen, folgen die anderen 95. Ich kenne große Organisationen mit einer sehr problematischen, intrigenhaften Kultur. Aber es gibt dort kleine Inseln, in denen reflexive und inspirierte Führungskräfte etwas bewegen. Das wird sehr genau registriert, wie diese Leute mit den Kollegen und Mitarbeitern umgehen und sie stärken. Das ist ja die eigentliche Führungsaufgabe: die Mitarbeiter zu stärken. Insofern haben Führungskräfte den stärksten Hebel für Kultur. Da findet ein Wandel durch gelebte neue Wirklichkeit statt.

(+) Plus: Gefühle werden gerne Frauen zugeschrieben. Fällt es Männern besonders schwer, damit umzugehen und sich zu artikulieren?

G. Kofler: Gerade bei Frauen in Führungspositionen sehe ich wenig Unterschiede. Die Rolle ist da viel prägender als das Geschlecht. Im Coaching erlebe ich aber schon, dass Frauen viel schneller mit Empfindungen in Verbindung treten können. Sie sind von klein auf geschult in der Selbstwahrnehmung. Männer überlegen gleich, was zu tun ist. Aber wenn sie zuerst einmal ihr eigenes Wahrnehmungsfeld öffnen sollen, brauchen sie schon viel Bespiegelung.

T. Kofler: Die Führungsrolle verführt dazu, alle schwachen Aspekte zu eliminieren. Gefühle gelten ja oft als Zeichen von Schwäche. Ich erlebe Frauen in dieser erfolgsorientierten, männlich dominierten Kultur als sehr taff, die gehen fast männlich mit ihren Emotionen um und teilen wirklich heftig aus. Im Aufnehmen von Anregungen reagieren Frauen aber teilweise sensibler. Da habe ich manchmal den Eindruck, Männer haben eine höhere Hürde im Nehmen.

(+) Plus: Bedeutet emotionale Intelligenz, immer freundlich und lieb zu sein?

G. Kofler: Nein, gute Führungskräfte sind aufrichtig und authentisch, deshalb kommt von ihren Mitarbeitern auch viel zurück. Gesehen werden, verstanden werden, ein wertschätzender Umgang sind absolut notwendig – dann kann man auch  kritisches Feedback gut annehmen. Bindung ist eine der höchs­ten Inspirationsebenen und die entsteht nur, wenn ich mich als Führungskraft auch verletzlich und transparent zeige.

(+) Plus: Was bedeutet das in Krisenzeiten?

T. Kofler: Solange alle Zeichen für Wachstum, Erfolg und Gewinn nach oben gehen, ist es einfach, der Held zu sein. Das kann jeder. Aber in der Krise zeigt sich die Qualität von Bindung und tragfähigen Beziehungen am deutlichsten. Insofern ist jede Krise ein guter Prüfstein. 

www.essenzderfuehrung.at

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