Das EU-Parlament hat mit großer Mehrheit Maßnahmen zur Frauenförderung in Unternehmen beschlossen. Entgegen der ursprünglichen Forderung nach einer 40-prozentigen Frauenquote in Aufsichtsräten setzte sich aber eine deutlich schwächere Formulierung durch: Bis zum Jahr 2020 werden börsennotierte Unternehmen ab 250 MitarbeiterInnen zu transparenten Auswahlverfahren verpflichtet.
Einige EU-Staaten haben unabhängig davon bereits »echte« Frauenquoten beschlossen oder planen, diese einzuführen. Aber wie sinnvoll sind verpflichtende Maßnahmen? Report(+)PLUS hat langjährige AufsichtsrätInnen um ihre Einschätzung gebeten.
1. Frage: Halten Sie einen verpflichtenden Frauenanteil in Aufsichtsräten und Vorständen für sinnvoll?
Regina Prehofer, Vizerektorin der Wirtschaftsuniversität Wien: Ich finde es absolut wichtig und notwendig, dass Frauen stark in Führungspositionen vertreten sind. Bis vor einigen Jahren war ich keine Anhängerin von Quoten. Das hat sich mittlerweile geändert, da ich sehe, dass es sonst viel zu lange dauert, bis Frauen entsprechend repräsentiert sind. In den Führungsgremien der Universitäten, die ja mit Aufsichtsrat und Vorstand vergleichbar sind, gibt es seit Jahren gesetzliche 40 %-Quoten, und das funktioniert gut und unproblematisch. Es ist ein Zeichen gesellschaftlicher Fairness und wirtschaftlicher Vernunft, »die zweiten 50 % der Bevölkerung« gleichberechtigt einzubinden.
Wilhelm Rasinger, Präsident des Interessensverbands für Anleger: Nach wie vor sind Frauen in Aufsichtsrats- und Vorstandsfunktionen die Ausnahme und nicht die Regel, obwohl sich schon viele Unternehmen mit dem Thema beschäftigen. Nach wie vor sind persönliche Beziehungen sehr wichtig, aber Männer kennen zu wenig kompetente Frauen, die für Führungsaufgaben in Frage kommen. Ich persönlich war bislang ein Quotengegner, kann mir aber vorstellen, dass es auch in der Privatwirtschaft – analog zu öffentlichen Unternehmen – künftig einen verpflichtenden Frauenanteil für Aufsichtsräte gibt, wenn es in den nächsten zwei bis drei Jahren nicht zu faktischen Änderungen kommt. Frauen bringen zusätzliches Gedankengut in Unternehmen und haben so oft einen positiven Einfluss auf das Arbeitsklima.
Viktoria Kickinger, Geschäftsführerin der Initiative Aufsichtsräte Austria (INARA): Ich halte ihn als Einzelmaßnahme für sinnlos und aktionistisch. Für die faire und sinnvolle Gleichstellung von Frauen im Berufsleben müssen »bottom up« - Maßnahmen getroffen werden, nicht nur »top down«. Es muss vor allem die gesellschaftspolitische Komponente beeinflusst werden; vereinfacht gesagt: Wir können nicht mehr Großmütter fordern, wenn wir nicht ausreichend Mütter haben!
2. Frage: Die Zahl der Managerinnen ist in Österreich beschämend. Warum haben es Frauen so schwer, in Spitzenpositionen zu kommen?
Regina Prehofer: Das hängt viel mit gesellschaftlicher Tradition und unserem Rollenverständnis zusammen, Familienbetreuung ist immer noch meist Frauensache. Wir hinken bei den Themen Kinderbetreuung, Vereinbarkeit von Karriere und Familie und Einkommensschere nach. Manchmal sind die Frauen selbst auch zu bescheiden. In der Wirtschaftsuniversität haben wir mittlerweile exakt 50 % Absolventinnen. Es gibt auch genug Frauen in der Wirtschaft. Es ist eine wichtige Aufgabe der Unternehmen, Hindernisse zu eliminieren, die im eigenen Unternehmen Frauenkarrieren behindern. Man muss in Führungskräfteprogrammen und auf den Ebenen unterhalb der Geschäftsführung ansetzen. Das geht auch nicht von einem Tag auf den anderen. Quotenziele sind immer ein Mehrjahresprogramm und müssen sich von unten herüber die verschiedenen Führungsebenen durchziehen.
Wilhelm Rasinger: Aus meiner Sicht verfügen Frauen über gleiche Befähigungen wie Männer und sind daher für Spitzenpositionen grundsätzlich genauso geeignet. Männer verstehen es jedoch besser, ihre beruflichen und privaten Netzwerke zu ihrem Vorteil zu nutzen. Auch artikulieren Männer möglicherweise ihre Anliegen und Interessen mit mehr Nachdruck. Viele Männer meiner Generation tun sich mit Männern beruflich leichter als mit Frauen. Männer verfügen zudem eher über Mentoren und Förderer. Für viele Frauen stehen die berufliche Karriere und das Erreichen von Spitzenpositionen nicht so im Vordergrund, weil ihnen auch andere Lebensbereiche wie Gesundheit, Familie, Kunst und Kultur, aber auch die Umwelt wichtig sind.
Viktoria Kickinger: Weil Österreich von Männernetzwerken mit Geschichte (und Zukunft) beherrscht wird. Weil die Gesellschaft Frauen, die »weiterkommen« wollen, immer noch unreflektiert mit Klischees versieht. Weil es – zwar immer weniger, aber noch genug – Männer gibt, die sich durch eine erfolgreiche Frau in ihrer Männlichkeit bedroht sehen.
3. Frage: Wo gibt es hinsichtlich der Rahmenbedingungen für berufstätige Frauen noch Verbesserungspotenzial?
Regina Prehofer: Das ist bestens bekannt: Familie und Beruf sind angesichts fehlender guter Kinderbetreuungsmöglichkeiten nicht einfach zu vereinbaren – Karriere und Familie sind noch schwieriger. Unsere Gesellschaftsstrukturen sind patriarchalisch, gleiche Arbeit und Leistung wird nicht gleich bezahlt. Andere Länder sind da schon weiter. Gesetzliche Vorgaben helfen.
Wilhelm Rasinger: Ich möchte hier nicht auf die Rahmenbedingungen im engeren Sinn eingehen, die schon viel besser geworden sind. Für Frauen wäre bzw. ist es wichtig, auf breiter Ebene von Männern für Spitzenpositionen vorgeschlagen zu werden. Jeder Entscheidungsträger müsste auf seiner Karrierelis te auch Frauen haben, die für Organfunktionen in Frage kommen. Und es sollte selbstverständlich sein, dass bei jeder Neubesetzung diskutiert wird, ob es Frauen gibt, die für diese Position geeignet sind. Niemand wird als Vorstand oder Aufsichtsrat geboren. Daher sollten Frauen mehr Chancen zur Bewährung bekommen.
Viktoria Kickinger: Zum Beispiel bei der Kinderbetreuung: Diese sollte sich an den Bedürfnissen der Eltern orientieren (und etwa im Bedarfsfall auch die Möglichkeit zur Übernachtung vorsehen). Außerdem müsste das System der Tagesmütter professionalisiert werden. Kreative Selbstorganisationsmodelle sollen gefördert und unterstützt werden. Vor allem muss sich aber das Rollenverständnis in Österreich ändern. Soziale Netzwerke wie etwa die Kirchen sollten in den Umdenkprozess des Rollenbildes eingebunden werden. Wichtig wäre auch, die Arbeitszeitkultur in Unternehmen zu ändern: Man muss nicht zwangsläufig Abende und Nächte im Büro verbringen, wenn man eine Führungsposition innehat – man sollte im Gegenteil vorleben, dass man seine Arbeit in und nicht nach der Dienstzeit erledigen muss. Statt Kindergeld um einen Euro zu erhöhen, kann angedacht werden, dies einmal gänzlich ausfallen zu lassen, um eine österreichweite PR-Kampagne zur Modernisierung der gesellschaftspolitischen Meinungsbildung durchzuführen.