Montag, Dezember 23, 2024

Spanien, Griechenland, Irland, Italien, Zypern – täglich erschüttern neue Hiobsbotschaften die Eurozone. Während Europa in der Rezession verharrt, erweist sich Österreich als Insel der Seligen. Doch wie lange noch? Report(+)PLUS bat die Finanzexperten heimischer Banken um ihre Einschätzung zur Euro-Krise.

 

Österreichs Wirtschaft wächst heuer laut Prognose der EU-Kommission um 0,7 %. Nicht viel, doch Österreich steht damit weit besser da als die Eurozone. Im Durchschnitt wird das Bruttoinlandsprodukt im Euro-Raum um 0,3 % sinken, die Arbeitslosigkeit erreicht voraussichtlich einen neuen Rekordwert von 12,2 %. Verursacher der Rezession sind vor allem die Volkswirtschaften der Euro-Krisenländer – am stärksten wird die Wirtschaftsleistung in Griechenland (- 4,4 %) und Zypern (- 3,5 %) schrumpfen. Erst 2014 soll die Konjunktur wieder anziehen. Trotz der düsteren Prognosen verzeichnet Österreich mit 4,5 % weiterhin die niedrigste Arbeitslosenquote der EU, während sie in Griechenland und Spanien auf 27 % klettert. Die wachsende Arbeitslosigkeit, riesige Schuldenberge und drastische Sparmaßnahmen schüren den Unmut der Bevölkerung in den betroffenen Ländern. Zudem stellen die Rettungsmaßnahmen der Währungsgemeinschaft und die damit verknüpften Auflagen  den Zusammenhalt der EU auf eine harte Probe.

Die Fragen:

1. Ist der Höhepunkt der Euro-Krise bereits überwunden?
2. Halten Sie die Auflagen für die Krisenländer für ausreichend?
3. Wie kann sich Österreich in der schwachen Eurozone behaupten?


>>Stefan Rossmanith, Chefökonom der Bawag P.S.K.:

1.) »Wissen kann das zwar niemand, aber wir sind diesbezüglich sehr optimistisch. Seit die Europäische Zentralbank im Sommer letzten Jahres bekräftigte, den Euro mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu bewahren und ein neues Instrument (»Outright Monetary Transactions«) vorstellte, hat sich die Stimmung an den Finanzmärkten – ein wichtiger Gradmesser der Krise — erheblich gebessert. Infolge des ungünstigen Wahlergebnisses in Italien machte sich zwar wieder vermehrt Unsicherheit breit, aber die Preisausschläge hielten sich bislang in Grenzen. Freilich sind die Reformmüdigkeit der Politik sowie die überall in Europa zu beobachtende politische Lagerbildung zusammen mit der zunehmenden Zahl Protestwähler eine nicht zu unterschätzende Gefahr für den Zusammenhalt der Eurozone und der EU insgesamt.«

2.) »Die Auflagen der EU-Kommission, der EZB und des IMF sind mehr als ausreichend. Darum geht es allerdings nicht. Es geht vielmehr darum, ob diese auch in einem vertretbaren Zeitraum in Reformmaßnahmen umgesetzt werden bzw. wie eine Nicht-Einhaltung sanktioniert werden soll. Damit unmittelbar in Zusammenhang steht die Glaubwürdigkeit der Reformbemühungen in den Krisenländern. Über diese Glaubwürdigkeit entscheiden letztlich die Anleger.«

3.) »Sehr gut, denn Österreich hat eine wettbewerbsfähige Wirtschaft, die niedrigste Arbeitslosigkeit im Euroraum, eine ausgeglichene Leistungsbilanz und kein übermäßiges Defizit- oder Schuldenproblem (allerdings ist die Steuer- und Abgabenquote in Österreich tatsächlich zu hoch). Darüber hinaus profitiert die österreichische Exportwirtschaft von der vergleichsweise robusten Konjunktur des Haupthandelspartners Deutschland und den in den letzten Jahren verzeichneten Marktanteilsgewinnen in Osteuropa und Asien.«


>>Uta Pock, Chefanalystin Österreichische Volksbanken AG:

1.) »Die Talsohle Konjunktur dürfte in der Eurozone noch nicht ganz erreicht sein, während sich in Österreich bereits ein Wendepunkt abzuzeichnen beginnt. Wenn die Konsolidierungspolitik konsequent fortgesetzt wird und es keine externen Schocks gibt, könnte der Höhepunkt der »Eurokrise« jedoch tatsächlich überwunden sein. Die Finanzmärkte haben sich stabilisiert und auch die Krisenländer sind in der Lage, ihre Anleihen am Kapitalmarkt zu platzieren. Die Krise hat eine Reihe institutioneller Fortschritte hervorgebracht, die allerdings nur mittel- bis langfristig wirken. Diese strukturellen Verbesserungen werden noch von den kurzfristigen negativen Effekten der Konsolidierungspolitik auf die Binnennachfrage überwogen.«

2.) »Die Auflagen an sich sind ausreichend, das Risiko liegt weniger in deren Formulierung als bei der Umsetzung, deren gesellschaftlicher Akzeptanz und der Sanktionierung einer fehlenden Umsetzung. Für den längerfristigen Erfolg sind vor allem jene Maßnahmen zentral, die die Wettbewerbsfähigkeit und damit das Wirtschaftswachstum und mit diesem schließlich auch das Steueraufkommen fördern. Insofern kommt in den Auflagen den Strukturreformen eine besonders große Bedeutung zu.«»Die Auflagen an sich sind ausreichend, das Risiko liegt weniger in deren Formulierung als bei der Umsetzung, deren gesellschaftlicher Akzeptanz und der Sanktionierung einer fehlenden Umsetzung. Für den längerfristigen Erfolg sind vor allem jene Maßnahmen zentral, die die Wettbewerbsfähigkeit und damit das Wirtschaftswachstum und mit diesem schließlich auch das Steueraufkommen fördern. Insofern kommt in den Auflagen den Strukturreformen eine besonders große Bedeutung zu.«

3.) »Die Tatsache, dass das österreichische Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr trotz europäischer Rezession real um 0,8 % gewachsen ist, war ausschließlich dem Export zu verdanken. Dieser Wachstumsmotor lebt von der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, deren Erhaltung und Stärkung damit für die kommenden Jahre zentral bleibt. Die Exporte ziehen zunächst die Investitionen und dann, via verbesserter Arbeitsmarktsituation, auch den privaten Konsum nach oben, sodass auch ohne Erhöhung des staatlichen Konsums ein solider Wachstumspfad erreichbar ist. Das internationale Umfeld außerhalb der Eurozone hat sich dafür zuletzt wieder aufgehellt.«


>>Stefan Bruckbauer, Chefökonom Bank Austria-UniCreditGroup:

1.) »Ja, der Höhepunkt der Euro-Krise ist überwunden. Zum einen, weil viele Länder einige Maßnahmen gesetzt haben, zum anderen, weil die Politik wichtige Entscheidungen getroffen hat (ESM, Bankenunion), vor allem aber auch dank der EZB.«

2.) »Die Auflage zur Haushaltssanierung in den Krisenländern hat bereits Früchte getragen, die meisten sind auf gutem Weg, kleinere Anpassungen kann es jedoch noch geben.«

3.) »Die Eurozone ist grundsätzlich nicht schwach, sie steht teilweise sogar deutlich besser als die USA oder Japan da. Wirtschaftlich hat Österreich seine Stärken ausgespielt und vermehrt nach Asien oder in die USA exportiert. Allerdings braucht Österreich als kleines Land vor allem Reformen auf europäischer Ebene.«


>>Mildred Hager, Senior Makro Analystin der Erste Group:

1.) »Wir erwarten 2013 nach wie vor keine Lösung der Schuldenkrise, da die notwendigen Bereinigungen und Reformen von Natur aus längere Zeit in Anspruch nehmen. Mit der Ankündigung des EZB-Ankaufprogramms (OMT) kann das Risiko zu hoher Finanzierungskosten für die Peripherieländer abgewehrt werden – solange die Schuldenlast tragbar bleibt. Dies ist weiterhin eine langfristige Herausforderung, speziell im Hinblick auf Wachstum. «

2.) »Strukturreformen an den Arbeits- und Produktmärkten sind unbedingt notwendig, Sparmaßnahmen sollten sich auf die Reduktion des strukturellen Defizits konzentrieren. Die Wettbewerbsfähigkeit muss im Hinblick auf die Außennachfrage verbessert werden, ohne die Innennachfrage (Konsum, Investitionen) zu sehr durch zusätzliche Steuern und hohe Finanzierungs-
kosten zu belasten — es sollten eher Staatsausgaben gezielt reduziert werden. Dieser Prozess wurde etwa in Italien bereits begonnen. Es werden nicht zusätzliche Auflagen gebraucht, sondern die Umsetzung der bereits vorhandenen.«

3.) »Die österreichische Wirtschaft entwickelte sich weiterhin besser als die der Eurozone insgesamt, vor allem durch den robusten privaten Konsum und den zunehmenden Fokus der Exporte auf Wachstumsmärkte. So verlor die EU 2012 als Absatzmarkt leicht an Bedeutung, was durch ein deutliches Exportwachstum in Länder außerhalb der EU kompensiert wurde. Wir gehen davon aus, dass die österreichische Wirtschaftsentwicklung gegen Jahresende 2012 einen Tiefpunkt erreicht hat und die österreichische Wirtschaft 2013 zum zwölften Mal in Folge stärker wachsen wird als die der Eurozone.«

 

 

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