Universitäten sind schon lange nicht mehr der einzige Ort für tertiäre Weiterbildung. Fachhochschulen begleiten ebenso zu Bachelor und Master und präsentieren sich dabei Forschung und Wirtschaft als kompetente Partner.
Universitärer Pfad – Fachhochschulpfad. Klingt ähnlich, ist es aber nicht. Bachelor und Master gibt es zwar in beiden Lehreinrichtungen, der Weg dahin unterscheidet sich jedoch. Viele Uni-Absolventen müssen für ihr Studium an keinem Tag Wien verlassen, Kontakte in die Wirtschaft sind nicht vorgesehen. FH-Absolventen hingegen absolvieren Auslandspraktika, bei denen sie für Unternehmen zum Beispiel Projektpläne erstellen und hilfreiche Kontakte in den für sie interessanten Wirtschaftsbereich knüpfen können. »Fachhochschulen arbeiten anwendungsorientiert und praxisnah«, betont Helmut Holzinger, Präsident der Fachhochschulkonferenz. Die Kooperation mit Unternehmen entsteht u.a. durch Praktikumsplätze, Ausbildungspartnerschaften im Rahmen von Projektarbeiten, Diplom- und Bachelorarbeiten sowie Kooperationsprojekte im Bereich angewandter Forschung und Entwicklung. Als Facharbeiter will Holzinger FH-StudentInnen nicht verstanden wissen. »Die Fachhochschule betreibt Lehre und Forschung auf wissenschaftlicher Grundlage mit anwendungsorientiertem Schwerpunkt. Facharbeiter sind eine andere Berufsgruppe.«
>> Themen des 21. Jahrhunderts <<
Die Bandbreite der Themen ist sehr groß. Chipdesign, E-Commerce, Bioinformatik, Controlling, Green Building, Energietechnik und Umweltanalytik bilden nur einen kleinen Auszug aus dem breiten Angebotsportfolio. An den 21 Fachhochschulen Österreichs laufen 430 Studiengänge, wobei die FH unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Die FH Technikum Wien überzeugt etwa mit den Kerngebieten Embedded Systems, E-Health, Erneuerbare Energie und Tissue Engineering. An der FH Salzburg bilden u.a. Future Energy und Intelligente Ressourcennutzung die Kernkompetenz. Die FH Oberösterreich nennt 15 Forschungsschwerpunkte, darunter Leben im Alter, Bioenergie und Lebensmitteltechnologie sowie Innovations- und Technologiemanagement. Der Schwerpunkt der FH des BFI Wien liegt im Bereich Wirtschaftswissenschaften. »Hier haben wir etliche Projektarbeiten im Rahmen von Solvency II durchgeführt. Im Bereich Projektmanagement arbeiten wir derzeit mit einem IT-Unternehmen zusammen, das in die Türkei expandieren möchte. Seit einigen Jahren haben wir bereits den Schwerpunkt Black Sea Region. Dieses Unternehmen profitiert nun davon, dass wir über Markteintritt, Logistik, rechtliche Herausforderungen, Marktumfeld und Arbeitskräftesituation vor Ort informieren können.«
>> FH-Forschung <<
Projektarbeiten bilden einen Kern der FH. Jährlich werden etwa 1.000 Forschungsprojekte durchgeführt – in Kooperation mit Betrieben, NGOs, Forschungseinrichtungen sowie in- und ausländischen Hochschulen. (Einige der Projekte werden in nebenstehendem Kasten vorgestellt.) An der FH Technikum Wien fanden im Studienjahr 2011/12 60 Forschungsprojekte statt, die FH Wr. Neustadt berichtet von 93. Die FH OÖ verweist auf über 300 laufende F&E-Projekte. Der Unterschied von FH zu Universitäten in der Forschungsarbeit: »Wir betreiben nur experimentelle, anwendungsorientierte Forschung und sprechen damit Klein- und Mittelbetriebe an«, informiert Holzinger. Diesen Weg beschreiten die FH sehr erfolgreich. Eine SORA-Umfrage bestätigt die Bedeutung der FH für Unternehmen. Margareta Seiser, Leiterin Corporate Communications an der FH Wr. Neustadt, sieht ein steigendes Interesse der heimischen Wirtschaft an Kooperationen mit FH. »Derzeit haben wir 160 Partner, Tendenz steigend.« Eine Übersicht über Studienangebote, Kerngebiete und Ansprechpartner der österreichischen Fachhochschulen ist unter www.fachhochschulen.ac.at nachzulesen.
>> Von der Wirtschaft für die Wirtschaft <<
Die Kooperationen zwischen FH und Unternehmen resultieren in den meisten Fällen aus der Anerkennung der forschungsbezogenen und fachlichen Kompetenzen der FH durch die Wirtschaft. Als entscheidend hierfür wird die Einbindung der Unternehmen in die praxisorientierte Ausbildung über das externe Lehrpersonal gesehen. Die Fachhochschulkonferenz kann von Kooperationen u.a. mit ACstyria Autocluster, Andritz, Asfinag, Austrian Airlines, Lenzing, der BMW Group, Böhler Edelstahl, Semperit und Volkswagen berichten.
»Der Kontakt zur Wirtschaft wird in den Fachhochschulen mehrdimensional gelebt«, betont Holzinger. Schon bei der Entwicklung eines Fachschulstudienganges gibt es durch die Einbeziehung der Unternehmen in das Entwicklungsteam eine Verlinkung mit der Wirtschaft. Führungskräfte aus der Praxis, GastdozentInnen aus aller Welt und anerkannte Experten aus Wissenschaft, Consulting und freien Berufen sorgen neben Hochschulpersonal für einen ausgewogenen Mix im Lehrkörper, der Theorie und Praxis synergetisch verbindet.
FH-AbsolventInnen sind demnach keine eggheads, also fachfremde Spezialisten, die nur Theorie gepaukt haben und sich in theoretischen Überlegung erschöpfen. Das Wesen der FH ist das Arbeiten in Labors. Gerade im technischen Bereich bilden die Abschlussarbeiten oft Praxisbeispiele für die Entwicklung und Verbesserung eines Produkts.
>> Die FH-Plus <<
Den entscheidenden Nutzen zieht die Wirtschaft aus der relevanzorientierten Forschung der Fachhochschulen, die die aktuellsten und wichtigsten Themenbereiche des 21. Jahrhunderts behandelt. »Wir liefern innovative Lösungen, die exakt auf die Bedürfnisse von Wirtschaft und Gesellschaft abgestimmt sind und die rasche Umsetzbarkeit in marktfähige Produkte und Prozesse ermöglichen«, betont Sabine Arnoldner von der FH Oberösterreich. Unternehmen profitieren laut Holzinger weiters dadurch, dass FH im gegensatz zu Universitäten, die manchmal stark untergliedert sind, überschaubare Einheiten bilden. »Wir kommen schnell zu Entscheidungen, Ansprechpartner in einer FH werden rasch gefunden.« Hinzu kommt der regionale Bezug. »Auch wenn es noch so viel digitale Kommunikation gibt: Face-to-face kann und darf bei Forschungsprojekten nicht vernachlässigt werden. Es braucht persönliche Begegnungen und es benötigt direkte und rasche Rückkopplung.«
>> Nachschub ist gewährleistet <<
Die Gefahr des »Austrocknens« besteht bei FH nicht. »Das Interesse der angehenden StudentInnen ist sehr hoch und im Steigen«, berichtet Holzinger. »Pro freiem Studienplatz verzeichnen wir derzeit durchschnittlich drei BewerberInnen. In den Wirtschaftswissenschaften kommen acht BewerberInnen auf einen Platz, im Bereich Technik gestaltet sich die Situation für Studierende besser.« Und Fachhochschulen bleiben am Puls der Zeit. Sehr viele Fachhochschulen führen laufend Rückkoppelungsschleifen durch und beleuchten das eigene Angebot in periodischen Abständen kritisch. Oft führen abgehende StudentInnen diese Analysen durch. Auch die Schwerpunktsetzungen werden ständig in Kooperation mit der lokalen Wirtschaft hinterfragt.
> Projekte:
Die FH-Forschungsprojekte entsprechen dem breit gestreuten Lehrgangsportfolio. Das FH Technikum Wien hat u.a. einen Prototypen für ein HF-Satellitenmodem und ein Gateway für ein Verkehrsleitsystem entwickelt. Die FH Joanneum berichtet von einem Biotop-Projekt und einem modularen Zugkonzept. Szenarien regionalwirtschaftlicher Entwicklung werden derzeit an der FH Salzburg erarbeitet. Die FH St. Pölten forscht u.a. am Projekt der Evaluierung nachhaltiger Unternehmensführung. Die FH Oberösterreich beschäftigt sich mit der optimierten Planung und Steuerung der Bahntransporte im multimodalen Knoten Linz. An der Entwicklung zerstörungsfreier Prüfmethoden für Materialien kooperiert sie in einem Konsortium von vier wissenschaftlichen und 15 Firmenpartnern.
> Fachhochschulen:
Fachhochschulen in Österreich Studiengänge
CAMPUS 02 Fachhochschule der Wirtschaft 12
Fachhochschule Kärnten 37
Fachhochschule Salzburg GmbH 24
Fachhochschule Vorarlberg GmbH 15
Ferdinand Porsche FernFH-Studiengänge 4
FH Campus Wien 47
FH des bfi Wien 13
Zentrum für Gesundheitsberufe Tirol GmbH 14
FH Gesundheitsberufe OÖ 9
FH Joanneum 46
FH KufsteinTirol 19
FH Oberösterreich – Campus Linz 6
FH St. Pölten 27
FH Burgenland 16
FH Technikum Wien 33
FH Wien-Studiengänge der WKW 18
FH Wr. Neustadt 40
IMC Fachhochschule Krems 21
Lauder Business School 2
MCI Management Center Innsbruck 26
Theresianische Militärakademie 1
Die Umstellung auf das Bachelor- und Mastersystem bindet das österreichische Hochschulsystem in das europäische ein. 99 Prozent aller Studiengänge entsprechen laut Fachhochschulkonferenz bereits dieser Struktur.
> Finanzierung:
Die Durchführung von F&E-Projekten ist laut FH Wiener Neustadt mangels Basisfinanzierung stark an die Einwerbung von Drittmitteln gebunden. Diese erfolgt einerseits über die Teilnahme an Ausschreibungen und Förderprogrammen der EU, der FFG und anderer Fördergeber der öffentlichen Hand auf Landes- und Bundesebene. Andererseits werden Projekte direkt durch die Wirtschaft finanziert.