Marken und Patente sind geistiges Kapital, das kaum in Zahlen zu fassen ist – umso schwieriger gestaltet sich die wirtschaftliche Verwertung. »Was man nicht messen kann, kann man nicht managen«, sagt Karl Grün, Leiter des Geschäftsbereichs Development im Austrian Standards Institute, dem früheren Österreichischen Normungsinstitut. Ob neuartiges Produkt oder ein bahnbrechendes technisches Verfahren, Marken und Patente sind mitunter Millionen wert. Diesen Wert messbar und nachvollziehbar festzulegen entpuppte sich bisher bei Unternehmensverkäufen oder Mergers als Problem. Aber auch kleinere Unternehmen sahen sich bisher bei Kreditansuchen damit konfrontiert, dass ihre Innovationen, aber auch Markennamen aus Sicht der Banken kaum Gewicht hatten.
Nach neunjähriger Vorarbeit stehen nun mit den ÖNORMEN A 6800 (Marken) und A 6801 (Patente) zwei Instrumente zur Verfügung, die erstmals die einheitliche Bewertung von Marken und Patenten ermöglichen. »Der Hokuspokus von unterschiedlichen Ansätzen ist jetzt vorbei«, resümiert Gerhard Hrebicek, Vorsitzender des Ausschusses »Marken- und Patentbewertung« bei Austrian Standards und Vorstand des European Brand Institutes.
Hohe Innovationskraft
Neu ist insbesondere der ganzheitliche Ansatz: In die Bewertung fließen rechtliche, finanzielle und marktspezifische Kriterien ein sowie bei Patenten technologische Aspekte und bei Marken verhaltenswissenschaftliche Aspekte. Unter Letzteren sei Marktforschung zu verstehen, so Grün. Allerdings soll eine Marktforschungsstudie nicht zwingend vorzulegen sein, um das Verfahren auch für KMU erschwinglich zu halten. Ein Bewertungsgutachten kostet zwischen 5.000 und 150.000 Euro und wird innerhalb von etwa sechs bis acht Wochen erstellt. Die beiden Normen sind zu jeweils ca. 100 Euro erhältlich.
Es handelt sich laut eigenen Angaben um die weltweit erste Klassifizierung dieser Art, weshalb die Entwickler durchaus Interesse auch jenseits der österreichischen Grenzen erwarten. Bisher war die Einführung einer europäischen Norm gescheitert. Die beiden österreichischen Normen wurden bewusst so formuliert, dass sie international anwendbar sind. »Mit diesen Normen wird ein Beitrag zu mehr Sicherheit für Finanzinstitutionen und sonstige Stakeholder geleistet, denn immaterielle Vermögenswerte sind als Besicherung für Kredite und Ratings besonders wertvoll«, meint Hrebicek.
Entgegen dem europäischen Trend steigt in Österreich die Zahl der Erfindungen stetig. 2009 wurden rund 3.500 Erfindungen (davon 2.500 Patente) und etwa 8.300 Marken bzw. Muster angemeldet. Die aktuellen Zahlen für 2010 werden erst im April veröffentlicht. Friedrich Rödler, Präsident des Österreichischen Patentamtes, ist aber positiv gestimmt: »Es wird nicht schlechter werden.« Obwohl die niedrigen Ausgaben für Forschung und Entwicklung immer wieder bemängelt werden, sei die Innovationskraft der heimischen Wirtschaft durchaus hoch. »Immaterielle Vermögenswerte werden für Unternehmen immer wichtiger. Durch die ÖNORM-Standards können sie professionell und transparent dargestellt werden«, sagt Rödler. Vor allem in Hinblick auf die starke Konkurrenz aus dem asiatischen Raum müsse das europäische System zum Schutz geistigen Eigentums flexibler und kostengünstiger reagieren. »Patente und Marken sind kein Selbstzweck«, so Rödler, »sie müssen auch wirtschaftlich verwertet werden können.« Oder wie es Karl Grün ausdrückt: »Wer die Norm hat, hat den Markt.«