Mittwoch, Juli 17, 2024
Vom Mitarbeiter zum Chef
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Eine firmeninterne Übergabe an Führungskräfte – etwa wenn es in der Familie keine Nachfolger gibt – ist ein möglicher Weg, das Unternehmen zu übergeben. Für die neuen Eigentümer bedeutet das Management-Buy-out einen Startvorteil in die Selbstständigkeit.

 

Abseits der Signa-Pleite wickelte Investor Hans Peter Haselsteiner Anfang Februar eine medial weit weniger beachtete Transaktion ab: Er übergab im Rahmen eines Management-Buy-outs (MBO) seine 2018 gegründete Landzinshaus GmbH in die Hände von Dominik Paul, Rafael Lughammer, Philip Mader und Alexander Sommer-Fein. Die vier, von Haselsteiner als »Smart Boys« titulierten Führungskräfte halten jeweils 25 Prozent des Unternehmens, das sich bisher im Besitz der Haselsteiner Privatstiftung befand.

Das Unternehmen baute in den vergangenen Jahren ein Immobilienportfolio von mehr als 200 Millionen Euro auf. Elf Wohnbauprojekte sind bereits abgeschlossen, fünf weitere in Bau und zehn in Planung. Leistbares Wohnen will die LZH-Gruppe – der Immobilienkrise zum Trotz – weiterhin Investoren schmackhaft machen, auch wenn sich Haselsteiner als Eigentümer zurückzieht. »Operativ ändert sich nicht allzu viel für uns«, sagt Alexander Sommer-Fein. »HPH bleibt über Projekte mit an Bord, er ist uns auch beim Kauf unserer Anteile entgegengekommen.«

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Bild: Hans Peter Haselsteiner übergab die Führung der Landzinshaus GmbH in die Hände der »Smart Boys«: Dominik Paul, Rafael Lughammer, Philip Mader und Alexander Sommer-Fein. 

Wenn Mitarbeiter*innen die Nachfolge einer Firma antreten, spricht man von einem Management-Buy-Out. In der Regel fehlt es den Angestellten jedoch am nötigen Kapital, um dem bisherigen Eigentümer das Unternehmen abzukaufen – oftmals übernehmen deshalb Investoren, z. B. Private-Equity-Gesellschaften, Anteile. Für kleine und mittelständische Unternehmen, deren Gründer*in oder Inhaber*in keine Nachfolger*innen in der Familie findet, bietet diese Form der Übergabe eine Möglichkeit, das Bestehen des Unternehmens zu gewährleisten. Für die bisherigen Führungskräfte bedeutet die Übernahme einen immensen Startvorteil gegenüber einer Neugründung: Sie kennen den Betrieb und den Markt, können das wirtschaftliche Risiko abschätzen und auf einem soliden Kundenstock aufbauen.

Eingespieltes Team
Die Herba Chemosan Apotheker-AG, führender österreichischer Pharmagroßhändler und Logistikspezialist, schied 2021 ebenfalls im Zuge eines Management-Buy-Outs aus dem US-Konzern McKesson aus. Mit neuer Eigentümerstruktur und strategischer Neuausrichtung will das Unternehmen das IT-Standbein stärker ausbauen, um Digitalisierungspotenziale für Smart Logistics auszuschöpfen. Herba Chemosan betreibt mit sieben Logistikzentren das dichteste heimische Distributionsnetzwerk für Pharmaprodukte und stellt die tägliche Belieferung von 90 Prozent der österreichischen Apotheken sicher. Mit 1,5 Milliarden Euro Jahresumsatz und rund 1.000 Mitarbeiter*innen ist das Unternehmen ein Schwergewicht und zählt zur kritischen Infrastruktur – aber nicht nur aufgrund der Covid-Pandemie waren die letzten Jahren eine besondere Herausforderung.

Bereits 2020 hatten die bisherigen Eigentümer angekündigt, sich vollständig aus Europa zurückzuziehen, um sich künftig auf den US-Markt zu fokussieren. Andreas Windischbauer, seit 1993 bei Herba Chemosan tätig und seit 2002 Vorstandsvorsitzender, erkannte die einmalige Chance. Gemeinsam mit Andreas Janka und Maximilian von Künsberg Sarre leitete er als eingespieltes Team das Unternehmen und hatte mit der Übernahme schon länger kokettiert. Mit der Invest AG, dem Private-Equity-Fonds der Raiffeisenbankengruppe Oberösterreich, fand sich ein Partner, der neben der Finanzierung auch notwendiges Know-how zur Verfügung stellte. Die Möglichkeit einer raschen Transaktion, die keine Probleme mit der Wettbewerbsbehörde verursachen würde, überzeugte schließlich auch die Verantwortlichen bei McKesson – neben einem weiteren starken wie riskanten Argument, von dem Künsberg Sarre berichtete: »Bei den Verhandlungen haben wir festgehalten, dass wir im Fall eines Verkaufs an Dritte als Vorstand nicht zur Verfügung stehen würden. Das war ein starkes Druckmittel, hätte aber natürlich auch nach hinten losgehen können.«

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Bild: Andreas Windischbauer, Andreas Janka und Maximilian von Künsberg Sarre übernahmen 2021 im Zuge eines MBO den Pharmagroßhändler Herba Chemosan.

Das bewährte Vorstandstrio übernahm 51 Prozent der Unternehmensanteile, die Invest AG die übrigen 49 Prozent. Während sich in Großbritannien oder Deutschland große Joint-Ventures die europäischen Teile des McKesson-Imperiums schnappten, blieb die österreichische Unternehmensgruppe durch das MBO in rot-weiß-roter Hand. »Wir freuen uns, gemeinsam mit der Invest AG durch die Rückholung kritischer Infrastruktur im Bereich der Medikamentenversorgung Geschichte zu schreiben«, kommentierte Windischbauer den Überraschungscoup. Über den Kaufpreis wurde – wie meist in diesen Fällen – Stillschweigen vereinbart.

Gelebte Vertrauenskultur
Schon etwas länger liegt das MBO des Wiener IT-Dienstleisters ACP zurück. Streng genommen handelte es sich um ein »Employee-Buy-Out«, denn Vorstand und Belegschaft kratzten 2013 gemeinsam das nötige Geld zusammen, um nach sieben Jahren unter der Führung eines ausländischen Finanzinvestors das Unternehmen zu kaufen. »Der Mitarbeiter-Buy-Out war die beste Lösung für ACP«, zeigt sich Vorstandschef Rainer Kalkbrener nach wie vor überzeugt. Andere Optionen wie einen strategischen Investor oder einen Börsengang verwarf man: »Für einen Börsengang sind wir nicht groß genug, bei einer Fusion muss die Firmenkultur zusammenpassen.« Das 1993 als kleines Start-up gegründete Unternehmen besteht heute aus 35 operativen Gesellschaften mit mehr als 2.200 Beschäftigten in der DACH-Region. Im Geschäftsjahr 2022/23, pünktlich zum 30-jährigen Bestehen, knackte die ACP Gruppe die Marke von 900 Millionen Euro Umsatz. Spätestens 2025 will das IT-Systemhaus die Milliarden-Grenze erreichen. Von den rund 130 Eigentümer*innen sind ca. 100 aktiv im Unternehmen tätig. Größter Einzelaktionär ist Gründer und Aufsichtsratsvorsitzender Stefan Csizy, der elf Prozent der Anteile hält. Diese außergewöhnliche Organisationsstruktur stützt sich auf gelebte Vertrauenskultur und »ein partizipatives und hochmodernes Unternehmenskonzept, das die Menschen in den Vordergrund stellt«, wie Kalkbrener betont. »Menschlichkeit und Wirtschaftlichkeit gehen bei uns Hand in Hand.«

Lösung mit Charme
Firmenmakler Herbert Artacker, Geschäftsführer der Czako Partner GmbH, sieht eine MBO-Lösung trotz der genannten Vorteile eher kritisch. Obwohl er selbst das Unternehmen seinerzeit vom Gründer, Robert Czako, auf diese Weise übernommen hatte, würde er es nicht unbedingt empfehlen: »Ein Management-Buy-Out hat Charme, birgt aber einige Schwierigkeiten. Diese Lösung braucht klare Machtverhältnisse. Ab sofort kämpft die Führungskraft um ihr eigenes Geld. Sie muss selbst Entscheidungen treffen und die wirtschaftlichen Konsequenzen tragen.« Er rät dazu, mögliche Szenarien – z. B. das Ausscheiden eines Miteigentümers oder Uneinigkeit im Managementteam – in einem Gesellschaftervertrag festzuhalten, um eine Pattsituation zu vermeiden.

Zu der neuen Verantwortung kommen persönliche Faktoren durch den Wechsel von der Mitarbeiter- in die Führungsperspektive. Das Team gut zu kennen, erleichtert vieles; Produkte, Abläufe und Umfeld sind vertraut. Die neue Rollenverteilung kann aber hinderlich sein, wenn eine neue Richtung eingeschlagen oder Innovationsprozesse angestoßen werden sollen. Führungskompetenz zeige sich, wie der Schweizer Kommunikationsexperte Stefan Häseli postuliert, jedoch darin, dass auch unangenehme Entscheidungen frühzeitig und klar kommuniziert werden. Das gute, manchmal freundschaftliche Verhältnis sollte unbedingt genutzt werden: Gerade wegen des guten Drahts zu den Kolleg*innen können diese in Entwicklungsprozesse eingebunden werden, ohne die Führungsrolle aufzuweichen.

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Grafik: Mit der Übernahme wechselt der bzw. die Mitarbeiter*in die Führungsrolle. Er oder sie muss ab sofort Entscheidungen treffen und deren Konsequenzen tragen.

 


Die Nachfolgelösung im Überblick

Das Management-Buy-Out (MBO) ist eine unternehmensinterne Nachfolgeregelung. Geht die Inhaberin oder der Inhaber eines Betriebs in den Ruhestand, übernimmt das bisherige Management die Führungsverantwortung. Die Anteile der bisherigen Eigentümerin oder des bisherigen Eigentümers werden hierfür teilweise oder zur Gänze an die bestehende Geschäftsführung oder führende Mitarbeitende verkauft. Das Employee-Buy-Out (EBO) ist eng damit verwandt. Auch hier übergibt die Alteigentümerin oder der Alteigentümer den Betrieb an die eigenen Mitarbeitenden. Neben dem Management ist in diesem Fall auch die Belegschaft Anteilseignerin.

Die Vorteile

- Die Nachfolger*innen kommen aus dem eigenen Unternehmen und sind daher bereits mit den geschäftsinternen Prozessen, der Firmenkultur und der Beziehung zu Partner*innen, Lieferant*innen und Kund*innen vertraut. Das ebnet den Weg für einen reibungslosen Übergang und reduziert die Verunsicherung, die ein Wechsel in der Geschäftsleitung auslösen kann.

- Vielen Unternehmer*innen fällt es leichter, ihr Lebenswerk an langjährige Mitarbeiter*innen weiterzugeben. Sie können darauf vertrauen, dass die Firma in ihrem Sinn weitergeführt wird, da Strategie und Zukunftsvision oft gemeinsam entwickelt wurden. Fehlende Qualifikationen können bis zur Übergabe gezielt aufgebaut werden.

- Die Aussicht auf ein Management-Buy-Out kann die Motivation der leitenden Angestellten sowie der gesamten Belegschaft fördern. Die scheidenden Eigentümer*innen signalisieren ihr Vertrauen und stärken das Wir-Gefühl im Betrieb. Eine geschätzte Kollegin bzw. ein Kollege wird zudem von den Mitarbeiter*innen meist besser akzeptiert als eine Person von außen.

- Führungskräfte haben umfassende Kenntnisse über geschäftsinterne Abläufe, weshalb die Einarbeitungszeit bei einem MBO kürzer ist als bei anderen Nachfolgelösungen. Auch die Weitergabe von Know-how ist leicht möglich, ohne dass durch den Verkauf sensible Informationen über die Firma nach außen gelangen. Das Risiko der Offenlegung von Interna an Dritte ist somit geringer.

Die Nachteile

- In der Regel verfügen Mitarbeitende nicht über ausreichend Eigenkapital und müssen auf eine Bankfinanzierung zurückgreifen. Die Verkäufer*innen kommen beim Kaufpreis oder bei den Zahlungskonditionen oftmals entgegen und verzichten damit auf einen höheren Verkaufserlös. Dennoch sind meist noch jahrelang Tilgungszahlungen fällig – Geld, das für notwendige Investitionen fehlt.

- Ein Führungswechsel ist ein guter Zeitpunkt, um neue Impulse zu setzen und Geschäftsabläufe zu hinterfragen bzw. zu optimieren. Ist die neue Führung bereits mehrere Jahre im Unternehmen tätig, besteht die Gefahr, dass Entwicklungspotenziale nicht erkannt werden. Strategische Analysetools können Abhilfe schaffen und den Blick für relevante Faktoren schärfen.

- Damit die Nachfolgeregelung beide Seiten zufriedenstellt, sollten die Verhandlungen auf Augenhöhe und mit dem nötigen Pragmatismus erfolgen: Statt Vorgesetzten und Mitarbeiter*innen sitzen sich potenzielle Geschäftspartner*innen gegenüber. Hier ist es hilfreich, unabhängige Dritte, z.  B. eine Unternehmensberatung, zu Rate zu ziehen, die als Mediatorin fungiert.

- Neben dem operativen Tagesgeschäft kommen auf die neue Firmenleitung auch visionäre und strategische Aufgaben zu. Sie trägt außer dem wirtschaftlichen Risiko künftig auch die Verantwortung für die Belegschaft. Nicht jede Führungskraft verfügt über den notwendigen Unternehmergeist, um einen Betrieb erfolgreich durch schwierige Zeiten zu führen.

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