Samstag, Mai 04, 2024
Aufstieg in die Chefetage
Bilder: iStock, T-Systems/F. Jana Madzigon, Erste Group

Mit der Arbeitswelt verändern sich auch die Anforderungen an Führungskräfte. Teamarbeit und Empathie sind gefragt, trotzdem sollten sie eine klare Richtung vorgeben. In einem Aspekt gibt es jedoch wenig Bewegung: Frauen bleiben von Vorstandspositionen noch immer weitgehend ausgeschlossen.

 

Niemand wird als Führungskraft geboren. Der Aufstieg ins Management ist mitunter lang und von vielen Erfahrungen geprägt, die im täglichen Business nützlich sind. Der Mut, Entscheidungen zu treffen, muss einem jedoch in die Wiege gelegt sein. Am Beginn ihrer Karriere wissen das viele der angehenden Führungskräfte nicht – und nicht alle können später damit umgehen. »Die Verantwortung, die man an der Spitze eines Unternehmens innehat, ist enorm, und zwar sowohl juristisch als auch finanziell und persönlich. Nimmt man seine Führungsrolle ernst, kann dies zu einigen schlaflosen Nächten führen«, gibt Peter Lenz, Managing Director T-Systems Austria, offen zu.

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Bild: Peter Lenz, Managing Director von T-Systems Austria: »Insbesondere bei Kündigungen greift man stark in den persönlichen Lebensraum von Mitarbeiter*innen und ihren Familien ein. Zudem erfordert Führung einen gesunden Umgang mit Druck – man kann in herausfordernden Zeiten sehr einsam sein.«

Der einsame Wolf in der Chefetage – dieses Sinnbild vom Manager als Einzelkämpfer hat sich in den letzten Jahren deutlich gewandelt. Führung bedeutet heute Leadership, geht also über bloße Anweisungen und Zielvorgaben hinaus und gibt anderen den nötigen Raum, die eigenen Fähigkeiten entfalten zu können. Das macht Unternehmen flexibler und anpassungsfähiger. Auch Manager*innen benötigen weit mehr als fachliche Expertise, wie die multiplen Krisen deutlicher denn je zeigen: Leadership-Kompetenzen, allen voran Empathie und Resilienz, machen den Unterschied zwischen guten und exzellenten Führungskräften aus.

Diese Führungsansätze sollten regelmäßig an aktuelle Erfordernisse angepasst werden, bestätigt Sabine Bothe, Global Head of People & Culture der Erste Group: »Ja, auch wir haben gerade unsere Führungsprinzipien neu gedacht. In Zeiten komplexer Fragestellungen müssen Führungskräfte selbst wachsen und lernen. Das kann man besser, wenn man sich aus der eigenen Komfortzone rausbewegt.«

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Bild: Sabine Bothe, Global Head of People & Culture der Erste Group. Führungskräfte sollten Vorbilder sein und ein offenes Mindset haben, besonders in unsicheren Zeiten Klarheit geben, aber auch gut zu- bzw. hinhören können. »Ein nicht immer einfacher Spagat«, wie Bothe eingesteht.

Neues Führungsverständnis
Mit der Führungsrolle haben sich auch die Führungskompetenzen geändert. Moderne Unternehmen brauchen Führungskräfte, die die Teams zusammenhalten, sie durch den Wandel führen und gemeinsam die Unternehmensziele weiterentwickeln. Scheitern sie daran, Talente im Betrieb zu halten und ihnen eine Perspektive zu bieten, wird dies zu Recht den Führungskräften angelastet. Schlechte Führung löst nicht nur eine erhöhte Mitarbeiterfluktuation aus, eine geringere Produktivität aufgrund von Unzufriedenheit kann einer McKinsey-Studie zufolge bis zu sieben Prozent des Jahresumsatzes kosten. Bekanntlich verlassen Mitarbeiter*innen ein Unternehmen nicht wegen des Jobs, sondern wegen ihrer Vorgesetzten. »Modernes Leadership wird zunehmend als kollaborativer, teamorientierter Ansatz wahrgenommen. Im Gegensatz zu einem autoritären ›I know it all, I know it better‹ wird Wert auf Zusammenarbeit und Unterstützung gelegt«, sagt T-Systems-Chef Peter Lenz. Als Manager nehme er dabei manchmal fast mehr die Rolle eines Motivators oder Moderators ein. Leadership sei aber auch ein Prozess des »Learning by Doing« und entwickle sich im praktischen Einsatz. »Nicht alle Führungsansätze funktionieren in jeder Phase des Geschäfts gleichermaßen gut«, gibt Lenz zu bedenken. »Insbesondere Krisenzeiten erfordern eine erfahrene Steuerfrau oder einen Steuermann, der oder die eine klare Richtung vorgibt und gegebenenfalls auch unpopuläre Entscheidungen trifft, um das Schiff sicher durch die Unwägbarkeiten zu steuern.«

Um bei diesem Bild zu bleiben: Führungskompetenz zeigt sich darin, dass es gelingt, alle Mitarbeiter*innen für die gemeinsamen Ziele »an Bord« zu holen. Die faktische Entscheidungskraft sollte keinesfalls mit einem autoritären oder autokratischen Führungsstil verwechselt werden: Gerade in einem immer komplexeren Umfeld kann es zu eklatanten Fehleinschätzungen kommen, wenn die Geschäftsleitung nicht über die ausreichende Expertise verfügt, aber begründete Einwände der Mitarbeitenden zurückweist. Unternehmen mit einem kooperativen Führungsstil setzen hingegen bewusst auf Empowerment ihrer Mitarbeiter*innen, die Verantwortung und Entscheidungsbefugnis übernehmen.

Nur 24 Frauen
Frauen haben es trotzdem in vielen Unternehmen schwer, in Toppositionen aufzusteigen. Der Frauenanteil in den Vorständen der im Wiener Börse Index (WBI) gelisteten Unternehmen erreichte heuer mit zwölf Prozent – also auf sehr niedrigem Niveau – einen neuen Höchststand. Von 202 Vorstandsmitgliedern sind aktuell 24 weiblich, nur zwei davon sind CEOs. Fast zwei Drittel der Unternehmen haben weiterhin keine einzige Frau im Vorstand.

Dass es an qualifizierten Managerinnen grundsätzlich nicht mangelt, zeigt der Frauenanteil in Aufsichtsräten, der mit 31 Prozent deutlich höher liegt und die vorgeschriebene Quote von 30 Prozent im Gremium knapp erreichte. Zu Jahresbeginn 2024 zog mit Claudia Trampitsch als CFO erstmals eine Frau in den Vorstand der AMAG Austria Metall ein. Auch Maria Koller als Personalvorständin der Palfinger AG und Susanna Zapreva-Hennerbichler als Vorstandsmitglied der Verbund AG traten heuer in eine Managementposition ein. Alle drei Frauen verfügen über langjährige Expertise in ihren Fachbereichen und sind als exzellente Managerinnen bekannt. »In Österreichs Topunternehmen zeichnet sich eine steigende Diversifikation der Rollen ab, die Frauen in Vorständen einnehmen«, sagt Linda Pewal, Senior Project Managerin der Managementberatung Horváth. Die meisten Frauen sind als Chief Financial Officer (CFO) oder als Chief Operating Officer (COO) tätig. Nach Branchen führt die Immobilienbranche mit einem Frauenanteil von 21 Prozent; in den Unternehmen der Branchen Automobil, Telekommunikation sowie Transport und Logistik gibt es hingegen keine einzige Vorständin.

Alle Expert*innen sind sich einig, dass die Entwicklung – vollmundigen Bekenntnissen zur Diversität zum Trotz – viel zu langsam geht. Die Digitalisierung könnte die Benachteiligung von Frauen zusätzlich verstärken. Der Anteil von Routinetätigkeiten, die etwa durch künstliche Intelligenz ersetzt werden können, ist in frauenstarken Bereichen, z. B. Buchhaltung, Einkauf oder Steuerberatung, besonders hoch. Zudem sind Frauen generell in technischen Berufen drastisch unterrepräsentiert.

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Grafik: Die Immobilienbranche geht mit gutem Beispiel voran, andere glauben nach wie vor, auf Frauen im Vorstand verzichten zu können.

Daran haben auch Maßnahmen, die Frauen in MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) fördern sollen, wenig geändert, wie eine Analyse des Instituts für Höhere Studien (IHS) ergab. Noch immer wählen Mädchen deutlich seltener als Buben diese Bildungspfade. Von den wenigen Absolventinnen entscheiden sich viele beim Übergang ins Erwerbsleben für andere Richtungen: Während 57 Prozent der Männer mit MINT-Ausbildung danach in diesen Bereichen arbeiten, tun dies nur 28 Prozent der Frauen.

IHS-Expertin Andrea Leitner spricht in diesem Zusammenhang von einem »Drehtüreffekt«: Mädchen und Frauen müssten sich im männlich dominierten Arbeitsklima immer wieder gegen Abwertungen und Stereotype durchsetzen, bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zeigen sich gerade diese Branchen als wenig entgegenkommend. Auch die »gläserne Decke« erweist sich dort als besonders dick. Elisa Aichinger, Partnerin bei Deloitte Österreich, vermisst verbesserte Rahmenbedingungen und nimmt die Unternehmen in die Pflicht: »Es reicht nicht, Frauen in technische Berufe zu bringen, wenn sie dann dort keine Karriere machen können.«

Erste-Personalchefin Sabine Bothe hat diesbezüglich für Frauen einen besonderen Karrieretipp auf Lager: »Den richtigen Arbeitgeber und das richtige Umfeld aussuchen. Die besten weiblichen Talente werden nur jene Arbeitgeber gewinnen und halten können, die Diversity jenseits von bunten Bildern ernst nehmen, die Gender Pay Gaps analysieren und schließen und die bei der Nachfolgeplanung weibliche Talente fördern.«


So steigen Sie auf 

Laut »Frauen.Management.Report« der AK liegt Österreich beim Frauenanteil in den Geschäftsführungen deutlich unter dem EU-Schnitt. In den 200 umsatzstärksten Unternehmen sind 89,5 % der Leitungspositionen männlich besetzt. Folgende Maßnahmen könnten das ändern:

1. Mentoring

Frauen verfügen meist nicht über Seilschaften oder Netzwerke, umso wichtiger sind entsprechende Programme. Einer Studie von Gartner Research zufolge werden Personen in einer Mentoring-Rolle sechsmal häufiger befördert und ihre Mentees fünfmal häufiger als andere Mitarbeitende.

2. Coaching

Wer aufsteigen will oder den Karrieresprung gerade geschafft hat, benötigt oftmals Unterstützung. Das ist kein Zeichen von Schwäche, im Gegenteil: Mehr als 30 Prozent der Führungskräfte holen sich vorübergehend oder regelmäßig ein Update bei qualifizierten Coaches.

3. Qualifizierung

Neue Technologien erfordern neue Kompetenzen. Nach Prognosen des World Economic Forum wird KI jeden zweiten Job verändern. Auch Führungskräfte sind gefordert, ihre digitalen Skills auszubauen – für Frauen könnten diese ein wichtiges zusätzliches Asset sein, um nicht übergangen zu werden.

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