„Wir müssen aufhören, der Politik die Schuld für schlechte Digitalisierung zuzuschieben.“ Das sagt Timotheos Höttges, CEO Telekom Deutschland, auf der diesjährigen Digital X in Köln. Es sei an der Zeit, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Ein aktueller Einblick in die Top-Themen und Herausforderungen – und warum sich Digitalisierung auch für KMU lohnen kann.
Angesichts der großen Krisen – Pandemie, Krieg und Energieknappheit – verschwindet das große Infrastruktur-Thema Digitalisierung zunehmend im Hintergrund. Das ist fatal, meint Deutschlands Telekom-Chef Timotheos Höttges. In den letzten Jahren sei in Deutschland zu wenig in Innovation investiert worden – um hier wieder aufzuholen, dürfen wir uns nicht „auf unserem Wohlstand ausruhen“, meint er.
Die Zahlen geben ihm Recht: Beim europäischen Digitalisierungsindex landete Deutschland auf einem müden Platz 13. Österreich bleibt zuletzt stabil auf Platz 10. Zwar wird mittlerweile massiv in den Netzausbau investiert, blinde Flecken im Breitband sollen durch 5G abgedeckt werden. Aber besonders im Bereich Hochtechnologie bleibt der DACH-Raum weit hinter den großen Digitalisierern aus den USA, Asien und mittlerweile auch Europa zurück. Man müsse überlegen, was man verliert, wenn man den Fortschritt weiter aufschiebt, so Höttges.
Freude am Digitalen?
Bei den über 70.000 Besucher*innen der Digital X, die mittlerweile größte B2B-Digital-Messe Deutschlands, ist von Technologiemüdigkeit hingegen nichts zu spüren. Ganz Köln verwandelte sich im September zwei Tage lang in einen High-tech-Campus: An einzelnen Stationen verteilt in der Innenstadt konnte man die neuesten Innovationen bestaunen und teilweise gar live testen. Bekannte internationale Redner*innen wie Apple-Mitgründer Steve Wozniak, Frank Thelen oder auch Jessica Alba inspirierten auf verschiedenen Bühnen zu breit gefächerten Themen wie Green Tech, digitalen Arbeitsmodellen, Mobilität, Urbanisierung und digitaler Gesellschaft. Vielleicht ist es an der Zeit, sich von diesem „Zukunftsoptimismus“, wie Höttges es nennt, anstecken zu lassen?
Die Plätze vor der „Inspiration-Stage“ waren heiß begehrt. Ein Zeichen dafür, dass die Digitalisierung nun doch wieder Fahrt aufnimmt? Auf der Bühne: Timotheos Höttges, CEO Telekom Deutschland, bei seiner Eröffnungsrede. (Bild: T-Systems)
Zunächst eine kleine Korrektur: Das Narrativ, Österreich und Deutschland hingen bei der Digitalisierung weit hinterher, stimmt so nicht ganz. „Die Zahlen sagen etwas anderes“, erklärt Frank Strecker, Senior Vice President Global Cloud Computing, Big Data und Edge bei T-Systems. Neue Technologien, die aus den Silicon Valleys nach Europa herüber’schwappen‘, übernehmen wir zwar langsamer – aber mittlerweile passen sich auch DACH-Unternehmen dem digitalen Wandel an. „Wir haben hier ein breites Spektrum: Da sind zum einen die Unicorns aus Berlin, die sofort mit der Cloud skalieren. Zum anderen haben wir aber auch die alteingessenen Unternehmen, denen das total fremd ist“, so Strecker. Gründe für die Zurückhaltung der KMU seien mangelndes Selbstvertrauen, die Angst vor Risiko und Veränderung – aber vor allem fehlendes Know-how: Insbesondere in der Führungsetage fehle es bisweilen noch an technischem Wissen und Interesse. Das sei in anderen Ländern wie beispielweise den USA wesentlich anders.
Ein weiteres Problem ist, das Wirtschaftsförderprogramme, die auf Hilfe bei der Digitalisierung abzielen, in Deutschland oft nicht abgerufen werden. Entsprechende Förderprogramme gibt es auch in Österreich – hier bietet beispielsweise die WKÖ Analyse, Beratungs- und Umsetzungspakete für KMU an. Mehr Informationen dazu: www.kmudigital.at
Peeks und Perks
Dabei sichert die Digitalisierung die Zukunft eines Unternehmens. Das beginnt bereits banal: Die Kundschaft selbst wird immer digitaler – von der neuen Generation der „Digital Natives“ ganz zu schweigen. Kund*innen orientieren sich mit ihren Bedürfnissen zunehmend an Global Playern wie Amazon, und gewöhnen sich an deren digitale Kommunikationsstandards. Neben alte Geschäftsmodelle müssen also neue treten – ein gutes Beispiel dafür bietet das Start-up ByondXR, das auch auf der Digital X vertreten war.
Aufgesprungen auf den Megatrend des Metaverse will das junge Unternehmen Online-Shopping nicht nur im klassischen Modus auf der Webseite, sondern durch digital betretbare Shops virtuell erlebbar machen. Mit seinem eigenen Avatar kann man 3D-modellierte Online-Shops erkunden, Kaufobjekte in die digitale Hand nehmen und von allen Seiten betrachten, sich mit Minispielen unterhalten lassen und so sogar Rabatte einsammeln. Die Strategie des Unternehmens: alle mitnehmen – das Konzept wurde fürs Mobiltelefon entwickelt, eine eigene 3D-Brille braucht es nicht.
Sieht so das Schaufensterbummeln der Zukunft aus? Aufnahme im Byond-XR Pop-up-Store in Köln.
Für Unternehmen interessant: Der digitale Zwilling des eigenen Geschäfts kann nach Belieben umgestaltet, Werbebotschaften auf verschiedene Länder und Kulturkreise abgestimmt werden – sogar auf Fantasiewelten aus Videospielen. Ziel ist es, die verschiedenen ‚Metaversen‘, die sich mittlerweile inselartig ausbilden, möglichst übergangslos zu verbinden und so das Kauferlebnis noch immersiver zu gestalten. Nach einer digitalen Session mit den Arbeitskolleg*innen spaziert man mit dem Avatar einfach ins nächste Online-Geschäft – so zumindest die Theorie. Dafür braucht es im Gegensatz zu vielen Online-Spielen auch keinen Währungswechsel, bezahlt wird nicht mit E-Coins, sondern mit Euro. Mehr zu Byond-XR: Virtual Stores - ByondXR Immersive Commerce
Welche dieser neuen Technologien tatsächlich zukunftsträchtig sind, wird sich noch herausstellen – die digitale Welt ist bekanntlich genauso schnelllebig, wie sie innovativ ist.
Digitalisierung im eigenen Unternehmen
Für Unternehmen lohnt es sich deshalb, nicht nur oberflächlich breit gefächert zu investieren, sondern sich genau zu überlegen, wo sich das Interesse lohnt. Das bedeutet: Sich auf ein Feld zu konzentrieren, und dieses zu perfektionieren. Wer bereits ein gutes Produkt hat, tut gut daran, sich zu überlegen, welche (digitalen) Services er um das Produkt herum anbieten kann, beispielsweise einen Kundenservice. Wichtig ist: es muss funktionieren, sonst verliert der Kunde das Vertrauen.
Auch generell zahlt sich Digitalisierung aus: durch weniger Papierkram, bessere Kommunikation innerhalb der Teams, schnellere Prozesse und effizienteres Arbeiten. Außerdem: Die Vernetzung von Abteilungen, die kluge Nutzung von Daten und das Management von Speicherplatz, mit beispielsweise preislich optimierten Speicherungen für bestimmte Nutzungsarten.
Tim Höttges, wie der deutsche Telekom-Chef sich leger nennen lässt, machte mit dem Zitat „Made in Germany bröckelt“ zuletzt Schlagzeilen in den deutschen Medien. In einem Interview kritisierte er dabei die Rückstände in der Digitalisierung. (Bild: T-Systems)
Unternehmen, die agiler arbeiten, können auch schneller auf Disruptionen und Veränderungen des Marktes reagieren. Trendwort: Resilienz. Und, auch das war eine der Lehren der Pandemie: Die Länder in Europa, die bereits stark digitalisiert sind - wie beispielsweise Dänemark - haben Corona besser überstanden: Zwar verzeichneten auch sie einen Wirtschaftseinbruch, dieser fiel aber geringer aus und war auch schneller wieder überwunden. Der Hebel der Digitalisierung wirkt.
Die Digital X by T-Systems
2017 ins Leben gerufen, zählt die Digital X heute zu einer der größten Digitalisierungs-Initiativen Europas. Mehr als 200 nationale und internationale Partner aus Politik, Wirtschaft und Verbänden engagieren sich heute bei dem branchenübergreifenden Event. T-Systems selbst war neben seiner Rolle als Organisator auch eigenem Brandhouse vertreten. Schlüsseltechnologie bei T-Systems sind souveräne, offene Datenökosysteme, die uns vernetzen und unsichtbar begleiten: ob beim autonomen Fahren, digitalen Identitäten oder beispielsweise im Alltag: wenn wir durch einen Scan des Produkts automatisch zusätzliche Informationen erhalten und so neue Kaufanreize entstehen. T-Systems verfolgt dabei einen ganzheitlichen Ansatz: Beratung und Lösungen aus den Bereichen Digital, Security sowie Cloud Services werden in Zusammenspiel gesehen und gedacht.
Frisch von der Messe
Die Digital X ist eine wahre Goldgrube für faszinierende und praktische Innovationen. Ausgestellt wurden beispielsweise Lösungen wie:
„Nuron“ von Werkzeughersteller und -vermieter Hilti: Es überwacht Akkustand und Abnutzung aller Geräte und spielt die Echtzeitdaten auf einem Dashboard ein. Das macht das Betriebsmittelmanagement um Längen einfacher – und: Es kann auch nichts verloren gehen. Mehr unter: www.hilti.at
„mira“ ist der nächste Schritt zum autonomen Fahren: Bei der Messe-Premiere wurde ein Auto live durch Köln (fern-)gesteuert – aus einem Cockpit in der Ausstellung. Mehr unter: www.mira-mobility.com
Videocalls waren gestern: mit „Webex Hologram“ werden Meetings vollends in die virtuelle Realtität verlagert. Dort spricht man mit Hologrammen. Mehr unter: projectworkplace.cisco.com
Rettet die Bienen: Der „Digitale Bienenstock“ zählt seine Bewohnerinnen, zeichnet deren Flugrouten auf und misst Schadstoffwerte in der Luft. Die Daten werden lokal & anonym ausgewertet – auch Bienen wollen Datenschutz. Die KI, mit der das System lernt, lässt sich auch in anderen Use-Cases einsetzen, zum Beispiel für die Industrie. Mehr unter:
www.t-systems.com
(Bilder: T-Systems, Sarah Bloos)