Die Digitalisierung federt für viele Menschen die Auswirkungen der Pandemie ab. Andreas Bierwirth ist CEO und Vorsitzender der Geschäftsführung bei Magenta. Er spricht im Report(+)PLUS-Interview über seine Erwartungen für 2021, die Mobilfunkgeneration 5G und die zunehmende Vernetzung aller Dinge.
Report: Welche Erwartungen haben Sie für die österreichische Wirtschaft im neuen Jahr?
Andreas Bierwirth: Die Wirtschaft ist global und überproportional auch in Österreich in Mitleidenschaft gezogen. Die Frage ist nun, in welcher Weise – je nach weiterem Verlauf der Pandemie – eine Erholung ab April oder Mai gelingt. Es hat sich jedenfalls gezeigt, dass es mit Jänner noch nicht vorbei war und der ganze Spuk noch länger dauern wird. Wenn man die Krise mit anderen wie etwa der Finanzkrise vergleicht, so gibt es klare Verlierer: den Tourismus, die Bereiche Mobilität, Kultur und die Gastronomie.
Das Thema Digitalisierung hat nun aber auch einen gewaltigen Schub bekommen. Sie ermöglicht überhaupt, dass die Wirtschaft weiterlaufen kann. Man stelle sich vor, die Coronakrise wäre zehn oder 15 Jahre eher da gewesen und wir hätten noch nicht die Möglichkeiten des Homeoffice gehabt – und hätten noch mit Fax gearbeitet. Die Pandemie ist zu einem Zeitpunkt gekommen, an dem viele Unternehmen digital »ready« waren. Vieles davon wird auch bleiben und insgesamt die Wirtschaft vorantreiben.
Report: Wie ist die Situation bei Magenta im Geschäftskundenbereich?
Bierwirth: Wir sprechen mit unseren Kunden und wenn diese in einer der besonders betroffenen Sparte tätig sind, hat das auch Auswirkungen auf uns. Wenn in Unternehmen Projekte verschoben werden und Kostensenkungsprogramme laufen, werden auch wir nicht wachsen. Magenta hat auch einen Tourismusarm: Roaming. Mit dem Zusammenbruch von Geschäftsreisen und dem Ausbleiben von internationalen Gästen haben wir einen großen Einbruch in diesem Bereich zu verkraften. Andere Trends wie die Zunahme von Homeoffice wiegen das zum Teil wieder auf – unterm Strich wage ich damit einen neutralen bis leicht positiven Ausblick auf die nächsten Monate. Aber Gewinner der Krise sind wir keinesfalls.
Gleichzeitig trifft unsere Industrie diese Krise zum schlechtesten Zeitpunkt. Wir investieren gerade massiv in die 5G-Infrastruktur und müssen eigentlich jeden Euro, den wir verdienen, reinvestieren. Hier etwas unter Plan zu sein, kann bereits Auswirkungen auf Investitionen haben. Also befassen wir uns intensiv damit, die Kostenschnalle eng zu ziehen, um auf der Investitionsseite nicht einsparen zu müssen. Bis jetzt ist uns das gut gelungen, was auch wieder zuletzt gewonnene Preise für Netzqualität zeigen.
Report: Bedeutet die angespannte wirtschaftliche Situation Verzögerungen beim 5G-Ausbau?
Bierwirth: Wir haben die Ausbaupläne, die wir uns gesetzt haben, bis jetzt eingehalten. Dass wir im Vorjahr als einziger der großen Mobilfunkanbieter das Kurzarbeitsmodell wahrgenommen haben, hat uns viel Kraft und Emotionen gekostet. Ich glaube, dass wir heute der einzige Anbieter sind, der in Folge der Pandemie die Investitionen in Österreich nicht reduziert hat. Wir haben an uns selbst gespart, um weiter investieren zu können.
Report: Wie haben Sie den gestiegenen Bandbreitenbedarf in den vergangenen Monaten wirtschaftlich stemmen können? Hat es zuvor bereits genügend Leitungsreserven gegeben, die zugeschaltet worden sind?
Bierwirth: Die Nachfrage nach Daten und Services ist brutal angestiegen, die Netze sind trotzdem nicht zusammengebrochen. So hatten wir im ersten Lockdown auch ein All-time-High bei übertragenen Sprachminuten. Nun kann man nicht über Nacht die Kapazitäten verdoppeln. Wir hatten schon ein paar ergänzende Möglichkeiten, aber wir hatten in Österreich auch Glück. Die Nutzungsspitzen unser LTE-Router waren in der Vergangenheit größtenteils in den Abendstunden, während der Bandbreitenbedarf in der Pandemie eher während des Tages gestiegen ist. Damit haben sich die Spitzen vervielfacht aber auch entsprechend verteilt. Das Bewusstsein, eine kritische Infrastruktur zu betreiben und aufrecht erhalten zu müssen, ist bei vielen unseren Mitarbeitern mit der Pandemie nochmals gestiegen.
Vor ein paar Jahren ist Magenta – damals T-Mobile – mit dem Kauf der UPC eine teure Wette eingegangen: Wir sind enthusiastisch bei 5G, glauben aber, dass Mobilfunk im Firmenbereich, bei Wohnblöcken und Mehrfamilienhäusern an seine Grenzen stößt. Deshalb bauen wir das österreichweite Glasfaserkabelnetz, das wir mit der UPC gekauft haben, weiter aus und bieten mit Festnetzanbindungen und Glasfaser weitere Kapazitäten, die gerade jetzt dringend benötigt werden. Die Pandemie hat hier für Wind in den Segeln dieser strategischen Wette gesorgt.Mittlerweile haben wir knapp über 32 % der Haushalte in Österreich mit 1 Gbit Download versorgt und das ist noch nicht das Ende. So wie bei 5G stehen auch im Kabelnetzbereich weitere Softwareupgrades des Standards DOCSIS bevor, sodass wir in den nächsten Jahren innerhalb des UPC-Netzes bis zu 10 Gbit Download, 1 Gbit Upload erreichen werden. Man sieht, dass die Kabeltechnologie glasfasergleich geworden ist – sie muss nur mit entsprechenden Investitionen insbesondere in Software aufgerüstet werden.
Telekomministerin Elisabeth Köstinger hat Österreich sehr gelobt, dass bereits 38 % der Haushalte gigabitfähige-Anschlüsse haben. Das zeigt auch unsere Rolle und Verantwortung bei der Digitalisierung des Landes.
Report: Was ist der aktuelle Stand des Ausbaus und wie geht dieser in Österreich bei Magenta weiter?
Bierwirth: Ende 2020 hatten wir 1.200 5G-fähige Standorte und erreichen damit 40 % der Haushalte und Betriebe Österreichs. Bis Ende 2023 werden wir auf eine Abdeckung von mehr als 60 % in Österreich kommen – Ende dieses Jahres werden es bis zu 50 %
sein. Letztes Jahr war 5G noch eher eine Nische, aber jetzt kommt es in der Mitte der Gesellschaft an. Das iPhone und andere Geräte wie etwa von Samsung im mittleren Preisbereich sind 5G-ready.
Report: Welchen Nutzen werden wir aus 5G ziehen können?
Bierwirth: 5G muss man differenziert in drei Bereichen betrachten. Im Smartphone-Bereich wird mit 5G das Datenzählen aufhören, die Tarife sind weitgehend unlimitiert. Man wird damit surfen können, wie man will, und auch Videokonferenzen werden uneingeschränkt möglich sein. Ich glaube, dass das Bewegtbild am Smartphone – eine datenintensive Anwendung – deutlich zunehmen wird. Das betrifft Videotelefonie, die nun seit der Pandemie so richtig in der Gesellschaft angekommen ist, ebenso wie das Streaming.
Beim zweiten Bereich, als WLAN-Ersatz, nutzen wir großteils ein Frequenzspektrum, das wir 3.x-Spektrum nennen. Es ermöglicht Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 1 Gbit im Haushaltsbereich – abhängig von der Antennen-Auslastung. 100 bis 200 Mbit am 5G-Router werden in ländlichen Bereichen – auch am dünn besiedelten Stadtrand – wahrscheinlich gut machbar sein.
Drittens werden 5G-Services für die Wirtschaft, darunter Campus-Netze für größere Unternehmen oder etwa Universitäten, etwas zeitverzögert kommen. In diesem Jahr werden noch Tests und Pilotprojekte dazu vorherrschen. Mit dem eigenen privaten Mobilfunknetz für Firmen werden Kapazitäten reserviert und gleichzeitig bestimmte Sicherheitsfeatures möglich. Maschinen und Anlagen können so drahtlos und über Mobilfunktechnologie angebunden werden – beispielsweise automatisch gesteuerte Fahrzeuge in einem Steinbruch. Allen Einsatzbereichen liegen sehr kurze Latenzzeiten zugrunde, die Steuerungen in Echtzeit ermöglichen. Ein Chirurg wird über eine Fernleitung das Skalpell auf die Millisekunde genau führen können. Und auch das bei Virtual-Reality-Anwendungen von vielen als unangenehm erlebte Gefühl des Schwindels wird mit den geringen Latenzen weg sein.
Report: Welche Rolle wird 5G generell auf der Straße spielen?
Bierwirth: Unsere Industrie hat lange betont, das autonome Fahren über 5G ermöglichen zu können. Ich glaube, das wird nicht die Aufgabe sein. Die Fahrzeuge müssen auch ohne Mobilfunknetz zuverlässig fahren können. 5G wird trotzdem genutzt werden, denn wenn jemand autonom fährt, hat er ja perspektivisch nichts mehr zu tun. Die Menschen werden während der Fahrt fernsehen, E-Mails erledigen, an Videokonferenzen teilnehmen und telefonieren. Am Anfang wird noch das Smartphone ausreichen, aber mit Verbreiterung der Autonomität wird man auch das 3.x-Spektrum nutzen müssen, um der Nachfrage nach Kapazitäten gerecht zu werden. Wir sprechen hier von einem Zeitraum von fünf bis zehn Jahren, in dem auch die Datenautobahnen auf den Straßen massiv ausgebaut werden müssen.
Report: Die Vernetzung von Sensoren Maschinen und generell Infrastruktur gilt als Grundlage für neue Geschäftsmodelle. Agiert hier 5G als Geburtshelfer?
Bierwirth: Ja und nein. 5G hat einen Nachteil: Es ist relativ energieintensiv. Nun möchte ich bei einem Sensor, der beispielsweise anzeigt, ob ein Parkplatz besetzt ist, nicht alle paar Monate die Batterie wechseln. Für Anwendungen, bei denen Latenz kein Thema ist, bietet Narrowband-IoT eine energieeffiziente Lösung. Diese Technologie bieten wir seit Jahren an. Langfristig werden wir viele unterschiedliche Netztechnologien haben, die für IoT genutzt werden – ganz je nach Bedarf und Anwendungsfall.