Sonntag, Dezember 22, 2024
Umfrage: HR goes digital
Foto: Thinkstock

Die digitale Transformation erfasst alle Bereiche der Unternehmen – auch das Personalmanagement. Ein Widerspruch? Immerhin geht es hier um Menschen. Dennoch kommen digitale Tools bereits an vielen Berührungspunkten zwischen potenziellen und bestehenden MitarbeiterInnen und dem Unternehmen zum Einsatz und tragen zu einer Professionalisierung des Personalwesens bei. Treffen Algorithmen, unbelastet und ohne persönliche Vorbehalte, womöglich die bessere Wahl? Report(+)PLUS hat bei ExpertInnen nachgefragt, wo die Vor- und Nachteile des digitalen HR-Managements liegen.

1. Welche Vorteile bietet Digitalisierung im Personalbereich?

Manuela Lindlbauer, Gesellschafterin der Lindlpower Personalmanagement GmbH, LP Experts und LPdigital Personalmanagement



Insbesondere im Bereich Recruiting bringt die Digitalisierung eine wesentliche Zeit- und Ressourcenersparnis. Die Daten von Bewerbern können digital abgelegt werden und durch intelligente Suchfunktionen wieder aktiviert und mit den jeweiligen zu besetzenden Positionen gematcht werden. Die Jobplattformen und Bewerbungstools erleichtern auch den Bewerbern, passende Positionen zu finden und sich schnell und unkompliziert zu bewerben. Die Social Media-Plattformen sind wesentliche Quellen für das Finden interessanter BewerberInnen geworden.

Robert Bilek, Personaldirektor Wiener Städtische Versicherung



Digitale Lösungen helfen in vielen Bereichen, Zeit und Ressourcen zu sparen und Prozesse zu vereinfachen. Sie bieten Unterstützung bei unterschiedlichen administrativen Tätigkeiten und bringen große Vorteile, beispielsweise bei der Suche nach Talenten oder im Bereich des Lernens. Da viele Mitarbeiter aktuell im Homeoffice arbeiten, profitieren wir sehr von Online-Trainings und Webinaren, die ausreichend Flexibilität bieten.

Anne Mally, Leiterin HR Services bei Boehringer Ingelheim RCV

Im Augenblick setzen wir Digitalisierung in nahezu allen Unternehmensbereichen ein, um eine Ausbreitung von Covid-19 zu vermeiden – u.a. für den gesamten Bewerbungsprozess, das Onboarding neuer MitarbeiterInnen, für Schulungen und alle Arten von internen Veranstaltungen (z.B. zur Unterstützung unserer MitarbeiterInnen in dieser schwierigen Situation) sowie für den Kontakt mit KollegInnen. Sogar Messen finden online statt. Videotelefonie bietet zudem die Möglichkeit, mit Veranstaltungen auch KollegInnen in unseren Ländern zu erreichen, die sonst keine Chance auf eine Teilnahme hätten.


2. Wo setzen Sie digitale Technologien ein?

Manuela Lindlbauer

Active Sourcing wäre ohne Digitalisierung nicht möglich. Wir können aktiv auf BewerberInnen zugehen, die im Netz ihre Spuren hinterlassen haben oder sich proaktiv auf Plattformen registrieren. Das Employer Branding – sprich: die Attraktivität des Arbeitgebers darzustellen – ist durch die Möglichkeiten im Netz viel einfacher und kostensparender geworden. Auf Facebook, Instagram, Twitter, Xing und Linkedin präsent zu sein und attraktive Storys zu posten, ist für moderne Unternehmen ein Must geworden.

Robert Bilek

Die Wiener Städtische setzt beispielsweise bei der Suche nach Talenten, in der Personalentwicklung, im Recruiting, aber auch im administrativen Bereich auf digitale Lösungen. Im Wettbewerb um die besten Talente spielen vor allem soziale Medien eine wichtige Rolle. Heutzutage reicht es nicht mehr, einen Job nur zu inserieren. Aus diesem Grund haben wir unsere neue Recruiting-Plattform guterjob.at ins Leben gerufen, auf der wir ein authentisches Bild von der Wiener Städtischen vermitteln möchten – mit Porträts von Persönlichkeiten aus unserem Unternehmen, spannenden Hintergrundstorys und Einblicken in unser Arbeitsleben.

Anne Mally

Die Suche nach BewerberInnen und die Zusendung der Bewerbungsunterlagen erfolgen schon seit vielen Jahren vollkommen digital. BewerberInnen können sich im Internet direkt für interessante Positionen bewerben, ihre Unterlagen hochladen und erhalten automatisch eine Verständigung, wenn weitere Positionen in diesem Bereich frei werden.

Aufgrund von Covid-19 führen wir seit dem Frühjahr auch nahezu alle Bewerbungsgespräche digital. Nur für einzelne Funktionen, wie beispielsweise bei Führungspositionen oder speziellen Expertenfunktionen, organisieren wir die finale Gesprächsrunde vor Ort. Haben wir uns für eine/n KandidatenIn entschieden, erfolgt auch das gesamte Vertragsmanagement digital.

Zusätzlich nutzen wir ein digitales Talente-Netzwerk (MyVeeta), um mit BewerberInnen auch nach ihrer Bewerbung in Kontakt zu bleiben. Hier haben BewerberInnen, aber auch BesucherInnen unserer Karriereseite im Internet die Möglichkeit, sich in unserem Netzwerk zu registrieren. Sollten passende Positionen ausgeschrieben werden, treten wir mit den Personen aus unserem Netzwerk direkt in Kontakt. Vor einiger Zeit haben wir auch ein digitales Empfehlungsprogramm (Talentry) eingeführt, das MitarbeiterInnen die Möglichkeit bietet, über eine Smartphone-App ausgeschriebene Stellen in (sozialen) Netzwerken, wie zB. Linked-in, Xing, Facebook, weiterzuempfehlen.


3. In welchen Bereichen des HR-Managements sind Menschen unersetzlich?

Manuela Lindlbauer

Die Digitalisierung erleichtert uns allen das Leben, aber gerade im HR-Bereich ist der Mensch nicht wegzudenken. Am Ende des Prozesses entscheidet immer noch die »zwischenmenschliche Chemie«, oft das »Bauchgefühl« oder einfach die »Sympathie« – und das finde ich auch gut so. Der intelligente Einsatz von KI kombiniert mit Menschlichkeit und Empathie ist sicherlich ein Erfolgsgarant. Denn letztendlich brauchen wir alle soziale reale Kontakte, Menschen, die uns mögen, verstehen und zuhören – und das kann kein Computer ersetzen.

Robert Bilek

Wir profitieren auf unterschiedlichen Ebenen von digitalen Prozessen. Das Bewerbungsgespräch ist und bleibt jedoch ein klassisches Beispiel, das ohne die physische Anwesenheit eines Menschen nicht vorstellbar ist. Genauso brauchen komplexe Arbeitssituationen situative und individuelle Lösungen, die auch in Zukunft von und für Menschen entwickelt werden.

Anne Mally

Die Digitalisierung kann MitarbeiterInnen einzelne Arbeitsschritte abnehmen oder erleichtern. Aber in unserer Branche werden Menschen nicht nur in HR, sondern in allen Bereichen immer unersetzlich sein. In Bereichen, die mit Kreativität, Innovation und gemeinsamer Gestaltung zu tun haben, werden sie sogar noch wichtiger werden. Davon gibt es besonders in HR viele, und es ist wichtig zu überlegen, wie wir die Stärken von Mensch und Maschine gezielt bestmöglich miteinander verbinden, um einen Mehrwert für die ganze Organisation zu schaffen.

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