Seit elf Jahren analysiert die Unternehmensberatung Kearney die Performance europäischer Filialbanken und deckt mögliche Stärken und Schwächen der Bankenszene auf. Für das aktuelle „Retail Banking Radar 2020“ wurden die Daten von 92 Banken in 22 europäischen Ländern untersucht. Den Schwerpunkt legten die Analysten diesmal auf die Auswirkungen von COVID-19 auf die Gewinne der Geldinstitute.
Fazit: Die Pandemie drückt jede achte Bank in die Verlustzone. Die Einnahmen könnten um 20 % sinken, der Ertrag pro Kunde um 60 % abstürzen. Auch österreichische Banken bleiben nicht verschont.
Daniela Chikova, Partnerin Financial Services bei A.T. Kearney Österreich, sieht die Geldinstitute durch Stundungen und zinslose Überziehungskredite vor „bis dato beispiellosen Herausforderungen“: „Da aber die Einnahmen der Banken bei gleichbleibenden Betriebskosten sinken, wird die ganze Branche durch diese Entwicklung geschwächt.“
Gleichzeitig fahren die Konsumentinnen und Konsumenten auf Sparflamme. Obwohl manche Sektoren, wie z.B. der Lebensmittelhandel, Streaming-Dienste oder der Online-Einzelhandel florieren,werden die Ausgaben in anderen Bereichen drastisch zurückgeschraubt. Chikova sieht diese Zurückhaltung auch in der Kreditnachfrage: „Die Zahl der Anträge auf neue Kredite oder Hypotheken bewegt sich auf einem niedrigen Niveau.“ Sollte es gegen Jahresende nicht zu einer Eindämmung des Virus kommen, könnten die Erlöse nach Einschätzung der Kearney-Expertin sogar um 35 bis 40 % sinken. In Österreich könnte sich der Gewinn pro Kunde von durchschnittlich etwas mehr als 200 Euro auf unter 100 Euro halbieren.
Um diesen Abwärtstrend zu stoppen, bauen einige Institute ihre digitalen Dienstleistungen zur Unterstützung der Kunden weiter aus. So stellt beispielsweise die Lloyds Bank ihren älteren Kundinnen und Kunden Tablets zur Verfügung – mit langfristig positiven Effekten: Durch solche zusätzlichen Ausgaben könnte die durchschnittliche Kosten-Ertrags-Relation um 80 % steigen. „Wenn man in die Zukunft blickt, werden diejenigen überleben, die sich mit ihren digitalen Dienstleistungen diversifiziert haben. Das Kundenvertrauen ist die eigentliche Bewährungsprobe“, meint Chikova. „Banken, die ihre Kunden aktiv bei der Bekämpfung der Krise unterstützen, werden mit erhöhter Loyalität belohnt, während diejenigen, die dies nicht tun, unweigerlich am meisten leiden werden.“