Nachhaltiges Bauen ist in aller Munde – der Einsatz von Recyclingprodukten hält sich aber noch in Grenzen. Im Interview mit Report (+) PLUS spricht Johannes Zöchling, Geschäftsführer der Hans Zöchling GmbH, über die Herausforderungen bei der Wiederverwertung mineralischer Rohstoffe.
(+) plus: Baustoffe, die beim Rückbau, Umbau oder der Sanierung von Bauwerken zum Beispiel als Bauschutt, als Straßenaufbruch oder Bodenaushub anfallen, sind zu wertvoll für die Entsorgung auf einer Deponie. Wie sieht die Kreislaufwirtschaft für mineralische Rohstoffe aus?
Johannes Zöchling: In Österreich werden rund 100 Millionen Tonnen mineralischer Rohstoffe jährlich gewonnen und verbaut, darunter fallen zum Beispiel Sand, Kies, Kalk, Lehm, Ton, Mergel und Gips. 80 Prozent davon benötigt die Bauwirtschaft für den Hoch-, Tief- und Wohnungsbau. Mineralische Rohstoffe können wiederverwertet werden, allerdings ist die Menge der Recyclingmaterialien gegenüber den Primärrohstoffen mit nur 6,5 Millionen Tonnen recht gering.
(+) plus: Woran liegt das?
Zöchling: Mineralische Abfälle sinnvoll zu verwerten, ist eines der Ziele vieler Unternehmen, die im Bereich von Recycling-Baustoffen tätig sind. In Relation zum Preis von Naturmaterialien sind aber Recyclingbaustoffe aufgrund der hohen Behandlungskosten derzeit nur geringfügig günstiger. Daher wird dem Naturprodukt gerne der Vorzug gegeben. Der Fokus unserer Branche liegt deshalb darin, Behandlungs- und Transportkosten zu minimieren und der Ressourcenverschwendung durch gezielte Vermarktung entgegenzuwirken.
(+) plus: Ressourcenknappheit ist ein Standardargument für nachhaltiges Bauen. Aber ist es tatsächlich berechtigt?
Zöchling: Das Argument Ressourcenknappheit stimmt in Österreich nur bedingt, da bei Festgestein und Kies grundsätzlich keine Knappheit herrscht. Da sich viele Lagerstätten in Privatbesitz befinden, sind eine Erschließung und die erforderliche Abbaugenehmigung schwierig zu erwirken. Hier könnte man von einer »Genehmigungsknappheit« sprechen.
(+) plus: Sehen Sie noch weitere Gründe für die geringe Recyclingquote?
Zöchling: Hier muss man auf den Gesetzgeber verweisen. Durch gezielte Verwendungspflichten von Recyclingprodukten bei Neubauten würde sich die Quote automatisch erhöhen. Auf Baustellen fallen immer wieder große Mengen an kiesigen Aushüben an. Diese könnte man – vorausgesetzt sie entsprechen den chemischen und technischen Rahmenbedingungen – wieder zu Betonzuschlägen aufbereiten. Leider ist dies in genehmigten Kieswaschanlagen immer noch nicht möglich. Somit werden wertvolle Sekundärrohstoffe nicht sinnvoll wiederverwertet.
(+) plus: Sind Reyclingprodukte von geringerer Qualität?
Zöchling: Nein, derzeit entsprechen die Qualitäten der Recyclingprodukte in bautechnischer und chemischer Hinsicht jener von Naturmaterialien.
(+) plus: Worauf ist beim Abbruch von Bauwerken zu achten, um mineralische Rohstoffe bestmöglich für die Wiederverwertung vorzubereiten?
Zöchling: Durch das Ziel, ein hochwertiges Recyclingprodukt herzustellen, haben sich vor allem die Vorleistungen im Abbruchbereich und die Qualitätssicherung im Herstellungsbereich geändert.
Beim verwertungsorientierten Rückbau wird – wie der Name schon sagt –, im Gegensatz zur Vergangenheit, viel mehr Wert darauf gelegt, saubere, sprich: schad- und störstofffreie Ausgangsmaterialien zu gewinnen. Deshalb sind die lohnaufwendigen Leistungen beim Entfrachten, vor der Freigabe zum maschinellen Abbruch, extrem gestiegen. Das wirkt sich in der Folge natürlich auch auf die höhere Qualität des Recyclingproduktes aus.
(+) plus: Wie sieht die anschließende optimale Aufbereitung aus?
Zöchling: In stationären und mobilen Aufbereitungsanlagen wird das Abbruchmaterial durch Brechen zerkleinert, sortiert und durch Sieben nach Korngrößen klassiert. Moderne Aufbereitungsverfahren wie Windsichtung, Wäsche, Magnetscheider, Dichtetrennung und Sortierbänder sorgen für eine gezielte Abtrennung unerwünschter Störstoffe wie etwa Holz, Kunststoff, Metallen und Papier. Damit steigt die Qualität für die vorgesehene Wiederverwendung deutlich. Die so hergestellten rezyklierten Gesteinskörnungen können wieder als hochwertige Baustoffe eingesetzt werden.
(+) plus: Was zählt zu den Schad- und Störstoffen?
Zöchling: Als Schadstoffe gelten unter anderem Asbest, künstliche Mineralfasern, FCKW-haltige Dämmstoffe, Teerasphalt, Isolierungen, Dichtungsmassen und Parkettbodenversiegelungen sowie mineralölverunreinigte Materialien wie Böden oder Tankeinrichtungen. Unter Störstoffe fallen Fußbodenaufbauten, nichtmineralische Boden- oder Wandbeläge, Überputzinstallationen aus Kunststoff und z.B. Glasbausteine. Welche Grenzewerte jeweils zulässig sind, ist der Baustoffrecycling-Verordnung zu entnehmen.
(+) plus: Stichwort Baustoffrecycling-Verordnung – welche Vorteile sehen Sie in dieser gesetzlichen Maßnahme, die am
1. Jänner 2016 in ihren wesentlichen Teilen in Kraft getreten ist?
Zöchling: Es ist meiner Meinung nach einfacher geworden, den Produktstatus mit einer gewissen Qualitätsklasse zu erreichen. Dadurch ist es einfacher zu vermarkten.
(+) plus: Bei einer Umfrage von IFES haben neun von zehn Befragten angegeben, dass es ihnen »sehr wichtig« oder »eher wichtig« ist, dass Rohstoffe wie Sand, Kies und Schotter keine langen Transportstrecken haben. Worauf muss ein privater Bauherr achten, wenn er bei einem Abbruch an die Weiterverwendung seiner mineralischen Rohstoffe denkt?
Zöchling: Wir empfehlen, die Unterstützung einer Fachfirma einzuholen. Erstgespräche sind kostenlos und man erfährt als Laie, worauf man achten muss. Bei Rauminhalten über 3.500 m³ und bei anfallenden Abfällen von mehr als 750 Tonnen ist eine Schad- und Störstofferkundung noch vor Abbruchbeginn durchzuführen. Einfamilienhäuser fallen aber in der Regel nicht
darunter.
(+) plus: Was ist beim Einsatz von Recyclingmaterial zu berücksichtigen?
Zöchling: Je höher die Qualitätsklasse, desto weniger ist das Produkt in der Anwendung beschränkt. Der Einsatz eines qualitätsgesicherten Recycling-Baustoffes mit der Qualitätsklasse U-A ist unter Einhaltung aller relevanten Rechtsgrundlagen ohne Verwendungsverbote möglich.