Fixe Kernzeiten verlieren in österreichischen Unternehmen an Bedeutung, flexible Angebote wie Home Office werden immer gängiger. Das ergibt eine neue Studie von Deloitte Österreich, Universität Wien und Universität Graz.
Die physische Anwesenheit wird allerdings in den meisten heimischen Unternehmen nach wie vor großgeschrieben. Freiraum und Autonomie durch flexibles Arbeiten gehen auch oft durch hohe Erwartungen an Erreichbarkeit sowie fehlende Grenzen zwischen Beruf und Privatleben verloren. Klare Spielregeln können bei der erfolgreichen Etablierung von flexiblem Arbeiten helfen.
Mit der Flexible Working Studie 2019 erhebt Deloitte Österreich in Zusammenarbeit mit der Universität Wien und der Universität Graz alle zwei Jahre den Status quo flexibler Arbeitsmodelle in heimischen Unternehmen. 214 Führungskräfte und Personalisten nahmen heuer an der österreichweiten Befragung teil. Das Ergebnis: Flexibles Arbeiten ist in Österreich auf dem Vormarsch. Das zeigt sich bei mehreren Faktoren.
Kernarbeitszeit wird unwichtiger
Laut der Studie verlieren Kernarbeitszeiten immer mehr an Bedeutung. Vor zwei Jahren haben noch fast zwei Drittel der Unternehmen auf Gleitzeit mit Kernzeit gesetzt, jetzt tut dies nur mehr die Hälfte. Gleitzeit ohne Kernzeit wird hingegen immer beliebter.
„Bereits bei einem Viertel der Unternehmen arbeitet die Mehrheit der Mitarbeiter ohne Kernzeiten. Dadurch wird die Flexibilität vor allem für Mitarbeiter weiter erhöht“, erklärt Barbara Kellner, Managerin bei Deloitte Österreich.
Die kürzlich geschaffene Möglichkeit des 12-Stunden-Tages in der Gleitzeit nutzen laut Studie bereits 30 % der befragten Unternehmen. Weniger verbreitet ist hingegen das Modell der 30-Stunden-Woche. In Österreich hat das bisher nur knapp 1 % der Unternehmen tatsächlich implementiert.
Home Office ist etabliert
Bei 97 % der befragten Unternehmen haben Mitarbeiter mittlerweile schon die Möglichkeit zur Arbeit von zu Hause aus, wobei bei einem Drittel nur wenigen Einzelpersonen Home Office gewährt wird. Aber die tatsächliche Nutzung von Heimarbeit nimmt stark zu. Sie hat sich in den letzten zwei Jahren mehr als verdoppelt. Laut 86 % der Befragten wird das Angebot von einem beträchtlichen Anteil der Mitarbeiter tatsächlich in Anspruch genommen. 2017 gaben das nur 42 % an.
„Home Office hat sich in Österreich etabliert. Vor allem die jüngeren Generationen erwarten sich diese Möglichkeit vom Arbeitgeber“, bestätigt Barbara Kellner. Die Expertin fügt aber hinzu: „Obwohl die Option häufiger angeboten und in Anspruch genommen wird, hat bei 85 % der Unternehmen die physische Anwesenheit im Büro noch immer einen dominanten Stellenwert. Das wird zum Problem, wenn Anwesenheit mit Leistung gleichgestellt wird. Mitarbeiter trauen sich dann nicht, Home-Office-Angebote wahrzunehmen.“
Führungskräfte sind dauernd auf Abruf
Neben der physischen Anwesenheit spielt auch die ständige Erreichbarkeit für viele Unternehmen nach wie vor eine große Rolle. Gerade von Führungskräften erwarten 65 % der Befragten, dass sie auch in ihrer Freizeit erreichbar sind. Von Mitarbeitern wird das von einem Viertel der Unternehmen eingefordert.
„Flexibles Arbeiten kann mehr Freiheit und Autonomie für die Mitarbeiter bringen. Durch hohe Erwartungen an die Erreichbarkeit gepaart mit fehlenden Grenzen zwischen Job und Privatleben geht diese Freiheit aber oft wieder verloren“, sagt Bettina Kubicek, Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Graz. „Es braucht deshalb klare Spielregeln, damit die Mitarbeiter auch in der Freizeit abschalten können.“
Vertrauen scheint noch nicht gefestigt
Generell senden die befragten Unternehmen in puncto flexibles Arbeiten widersprüchliche Signale. Zum einen geben 75 % an, ihren Mitarbeitern zu vertrauen. Zum anderen setzen 39 % der Unternehmen in diesem Zusammenhang auf zusätzliche Kontrollmechanismen.
„Vertrauen bedeutet, Kontrolle aufzugeben. Im Hinblick auf flexibles Arbeiten versuchen aber manche Unternehmen, durch verschiedenste Maßnahmen wieder mehr Kontrolle zu erlangen“, analysiert Christian Korunka, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Wien. „Die Unternehmen müssen das Loslassen lernen und innerhalb eines klar kommunizierten Regelwerks eine gesunde Vertrauenskultur entwickeln. Nur so können sie als zeitgemäße Arbeitgeber attraktiv bleiben.“