Als langjähriger Chef der Wien Holding verantwortete er rund 75 Unternehmen der Stadt Wien. Seit dem Vorjahr stellt Finanzstadtrat Peter Hanke die wirtschaftlichen Weichen für die Zukunft der 1,8 Millionen Wienerinnen und Wiener. Im Report(+)PLUS-Interview spricht er über die Digitalisierungsoffensive, was er von einer City-Maut hält und wie Wien vom Brexit profitieren könnte.
(+) plus: Wien wurde im Vorjahr gemeinsam mit Dortmund zur »Digitalsten Stadt« gekürt. Was macht Wien so digital und wo gibt es noch Nachholbedarf?
Peter Hanke: Interessanterweise ist es die DNA unserer Stadt, die uns auch in der Zeit der Digitalisierung an der Weltspitze hält. Unsere Stadt lebt davon, dass wir bei allen Veränderungen und Prozessen stets darauf achten, alle mitzunehmen – unabhängig von ihrer jeweiligen Lebenssituation. Was mir wichtig ist: Die Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern muss in erster Linie dem Menschen dienen. Nur so können wir unsere weltweit anerkannte Lebensqualität weiter ausbauen. Nur so können alle davon profitieren.
(+) plus: Wie viel Einsparungspotenzial bringt die Digitalisierung?
Hanke: Die Digitalisierung ist keine abgeschlossene To-do-Liste, sondern ein fortwährender Prozess mit dem Ziel, die Stadt auf die kommenden Herausforderungen vorzubereiten. Das betrifft mehrere Bereiche: Sei es, für die Stadt ein neues Herz-Kreislaufsystem zu schaffen, indem wir die bereits hervorragende Infrastruktur um digitale Infrastruktur ergänzen. Hier spreche ich in erster Linie von 5G. Man muss aber auch die Wienerinnen und Wienern beim Erwerb digitaler Kompetenzen unterstützen.
Dafür haben wir gemeinsam mit der Arbeiterkammer das größte Unterstützungspaket der letzten Jahrzehnte, den Digitalisierungsfonds, geschnürt. Die dritte Säule steht in der Verwaltung selbst. Hier können wir die neuen Technologien der Digitalisierung nutzen, um Prozesse zu vereinfachen. Das spart den Wienerinnen und Wienern Zeit und bringt neue Effizienzpotenziale in der Verwaltung. Hier sehe ich großes Potenzial.
(+) plus: Bis 2020 soll die Neuverschuldung auf Null gedrückt werden. Ist das realistisch?
Hanke: Ich kann Ihnen das garantieren, weil ich in 16 Jahren an der Spitze der Wien Holding mit 75 Unternehmen jedes Jahr eine Punktlandung erreicht habe. Ich habe in meinem ersten Jahr die Neuverschuldung halbiert. 2020 kommt das Nulldefizit.
(+) plus: Auch die Verwaltungsreform soll wieder in Schwung kommen. Was planen Sie konkret?
Hanke: Hier ist auch die Digitalisierung ganz zentral. Wichtig ist mir: Wir wollen sparen, aber bei uns in der eigenen Struktur und nicht bei den Menschen. Was viele übersehen: Obwohl es immer mehr Wienerinnen und Wiener gibt, bleibbt die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt über denselben Zeitraum stabil. Das war nur möglich, indem man interne Abläufe neu organisiert hat, Abteilungen zusammenlegt und viel Energie in »Mehr und einfacheres Service für die Menschen« investiert hat.
(+) plus: Eine City-Maut könnte zusätzliche Einnahmen bringen. Halten Sie diese Maßnahme für sinnvoll?
Hanke: Die Frage des pendlerbedingten Autoverkehrs ist eine überregionale, die auch überregional gelöst werden muss. Zumindest im Schulterschluss und in Kooperation mit Niederösterreich und dem Burgenland. Wir streben in dieser Sache eine enge Kooperation und Abstimmung in der gesamten Ostregion an.
Es geht hier nicht um Einzelaktivitäten wie eine City-Maut, sondern um eine möglichst nachhaltige Lösung, auch im Rahmen eines aufgabenorientierten Finanzausgleichs. Wenn Wien eine überregionale, starke Rolle als Arbeitsmarkt in der Ostregion hat, dann soll der Stadt der notwendige Aufwand dafür auch über den Finanzausgleich abgegolten werden. Das Geld soll dorthin kommen, wo die Leistung erbracht wird, dann wäre das Thema langfristig erledigt.
(+) plus: Wien nähert sich der Zwei-Millionen-Marke. Welche Investitionen sind erforderlich, um die damit verbundenen Herausforderungen zu bewältigen?
Hanke: Die Ausgaben-Schwerpunkte der Stadt sind im Voranschlag 2019 gut abzulesen. Die Ausgaben konzentrieren sich vor allem auf Zukunftsthemen, die gerade für eine wachsende Metropole zentral sind: Bildung, Kinderbetreuung, Soziales und Inves-titionen in Wirtschaft und Infrastruktur. Eines ist dabei entscheidend: Wir leben in der lebenswertesten Stadt der Welt. Wir müssen darauf achten, dass das für die Jungen genauso bleibt. Und dass jene Menschen, die ihr ganzes Leben fleißig gearbeitet haben, nicht durch Leistungskürzungen bestraft werden. Wir sind verpflichtet, bei unserem Kurs generationsübergreifend zu denken und zu handeln.
(+) plus: Der U2/U5-Bau verzögert sich um rund ein Jahr. Ist auch mit höheren Kosten zu rechnen?
Hanke: Durch die Hochkonjunktur in der Baubranche haben Auftraggeberinnen und Auftraggeber von Bauprojekten derzeit österreichweit mit hohen Preisen zu kämpfen. Es ist nicht zielführend, nur um den Terminplan stur einzuhalten, jedes Angebot zu akzeptieren. Ziel dieser Entscheidung ist eben, die Kosten nicht in die Höhe schießen zu lassen.
(+) plus: Im Vorjahr verzeichnete Wien eine Rekordbeschäftigung. Wie kann der Konjunkturabschwung abgefedert werden?
Hanke: Wien bereitet sich bereits auf die abflauende Konjunktur vor. Unter anderem durch Investitionen in die digitale Infrastruktur, Qualifikation der Wienerinnen und Wiener im Bereich digitaler Kompetenzen und verstärkte internationale Aktivitäten. Der Appell, sich bereits rechtzeitig auf diese Konjunkturentwicklung vorzubereiten, ist auch bereits durch die OECD erfolgt. Das Wirtschaftswachstum in Südosteuropa zieht stärker an als im Westen.
Darüber hinaus verlagert sich die Konjunktur von der Sachgüterproduktion hin zu wissensintensiven Dienstleistungen. Davon profitiert insbesondere Wien mehrfach. Hier werden wir weitere Akzente setzen, um das Wirtschaftswachstum weiter zu stützen.
(+) plus: Puncto Lebensqualität schneidet Wien in internationalen Rankings seit Jahren hervorragend ab. Wie kann sich Wien als Wirtschaftsstandort stärker profilieren?
Hanke: Wien punktet in erster Linie mit seiner weltweit anerkannten Lebensqualität. Wir sind auch mit rund 200.000 Studierenden die größte deutschsprachige Universitätsstadt der Welt. Den Unternehmen bieten wir mit einer ausgezeichneten Infrastruktur, sich sicher in die Zukunft zu entwickeln. Das sind unsere zentralen Assets. Dass diese funktionieren, beweist auch der achte Rekord in Folge bei internationalen Ansiedlungen. Wien vereint mehr Betriebsansiedlungen als alle anderen Bundesländer zusammen. Das kommt nicht von irgendwo. Das ist Ergebnis unserer harten Arbeit.
(+) plus: Sie waren erst kürzlich mit einer Delegation in London. Könnte Wien vom Brexit profitieren?
Hanke: Großbritannien ist ein wichtiger wirtschaftlicher Partner für Wien. Fast 70 % aller britischen Investitionen in Österreich finden in Wien statt. Die Britinnen und Briten sind in den Stärkefeldern unserer Stadt besonders tätig: Bildung, Information und Kommunikation sowie in Technik und Wissenschaft. Persönlich halte ich den Brexit für einen Fehler. Auch für uns als Wirtschaftsstandort wird es Veränderungen dadurch geben. Wir sind nach London gereist, um dort ansässigen Unternehmen die Hand auszustrecken und das Angebot zu machen, nach Wien zu kommen.
Das stärkt die Internationalität und Schlagkraft der Wiener Wirtschaft, ermöglicht britischen Unternehmen aber auch, von Wien aus weiterhin in der EU Geschäfte machen zu können. Wien ist international mittlerweile eine Marke für Stabilität und Handschlagqualität. Dafür werben wir. Dafür stehen wir.