Mittwoch, Jänner 22, 2025
»Die Königsdisziplin der Personalarbeit«

Mit der Digitalisierung kommen erhebliche personelle Umstrukturierungen auf die Unternehmen zu, ist Führungskräfte-Coach Harald Schmid überzeugt. Auf Konflikte und Kündigungen sind nur wenige Führungskräfte vorbereitet.

(+) plus: Wird Personalabbau das zentrale Thema der nächs­ten Jahre?

Harald Schmid: Personalisten sind im Moment froh, dass sie nach der Wirtschaftskrise einmal durchatmen können. Aber die Digitalisierung wird mit Sicherheit Auswirkungen auf die Personalstrukturen in den Unternehmen haben. Was ich jetzt schon zunehmend erlebe: Die Umstellungen sind für die Mitarbeiter 50+ eine echte Herausforderung. Ich habe die Befürchtung, dass sich die Unternehmen vermehrt von dieser Gruppe trennen werden.

(+) plus: Damit trifft es besonders loyale Mitarbeiter. Macht das Trennungen umso schwerer?

Schmid: Je näher die Beziehung zum Mitarbeiter ist, desto schwieriger ist die Trennung. Bei langjährigen Mitarbeitern ist das für die Führungskraft sehr belastend. Oftmals gibt es aber schon im Vorfeld Versäumnisse: Probleme werden nie offen angesprochen, es gibt kein konstruktives Feedback. Ich war als Berater schon mit Kündigungen konfrontiert, wo der betreffende Mitarbeiter noch drei Monate zuvor einen Bonus bekommen hat. Da kann etwas nicht stimmen.

(+) plus: Mangelt es an klaren Zielvorgaben?

Schmid: Bei quantifizierbaren Größen, etwa Umsatz oder Stückzahlen, kann man die Leistung leicht messen. Qualitative Kriterien wie Engagement, Innovationsfähigkeit oder Verantwortung obliegen aber unterschiedlichen Wahrnehmungen. Das macht es auch so schwierig. Was häufig passiert: Eine Führungskraft, die jahrelang auf Missstände nicht reagiert hat, verlässt das Unternehmen; die neue Führungskraft erkennt meist sehr schnell, was hier nicht funktioniert. Wechsel im Management sind oft der Anlass für Freisetzungen.

(+) plus: Ist Kündigen Chefsache?

Schmid: Auf jeden Fall. Eine Trennung ist völlig legitim und passiert ja tagtäglich. Es kommt aber darauf an, wie man auseinander geht. Wenn es davor keine offenen Gespräche gab, bleibt nach der Trennung meist ein Scherbenhaufen zurück.

(+) plus: Wie geht man mit Emotionen um – den eigenen und jenen des Mitarbeiters?

Schmid: Im Kündigungsgespräch sollte man die eigenen Emotionen vollkommen im Griff haben. Das wirkt vielleicht auf manche kalt und hartherzig. Aber ein Notfallsanitäter, der zu einem Unfall kommt, muss auch professionell die nötigen Maßnahmen setzen. Die Botschaft muss kurz und klar kommen, es ist entschieden. Manchmal versuchen Mitarbeiter zu verhandeln. Weist die Führungskraft das nicht eindeutig zurück, geht der Mitarbeiter mit einer Resthoffnung hinaus, die es nicht gibt. Auch Tränen muss man aushalten können – in diesem Moment wird kein Trost möglich sein.

(+) plus: Ist Delegieren eine Lösung, wenn man sich der Situation nicht gewachsen fühlt?

Schmid: Kündigungen sind die Königsdisziplin der Personalarbeit. Sie zu delegieren, würde ich nicht empfehlen. In Trennungssituationen geht es um zwei Personengruppen – die Gekündigten und die Mitarbeiter, die im Unternehmen bleiben. Die Verbleibenden schauen sehr genau hin. Wenn die Führungskraft das Gespräch nicht selbst führt, beschädigt sie sich massiv in ihrer Rolle. Sie kann sich Unterstützung holen und das Gespräch zu zweit führen, aber der Mitarbeiter sollte die Botschaft grundsätzlich von seinem Vorgesetzten bekommen. Umgelegt auf eine private Beziehung wäre das so, als würde man das Trennungsgespräch mit dem Partner an den besten Freund delegieren.

(+) plus: Kommt die Trennungskultur in Unternehmen zu kurz?

Schmid: Die Firmen investieren viel Geld ins Recruiting, Marketing und Employer Branding, um ihre Attraktivität zu heben. Dabei übersehen sie, dass ihre Konflikt- und Trennungskultur viel mehr bewirkt, wie das Unternehmen von außen wahrgenommen wird. Früher hat man negative Erlebnisse nur im Freundeskreis erzählt. In Zeiten von Social Media setzt ein Posting gleich eine Welle in Gang.

(+) plus: Wie können die verbleibenden Mitarbeiter gehalten werden?

Schmid: Der Umbruch im Team endet nicht mit der Kündigung. Mit der übrigen Mannschaft geht der Change-Prozess dann erst los. Die Abteilung muss neu strukturiert werden, neue Leute kommen dazu – wenn Führungskräfte in dieser Phase nicht präsent sind und offen kommunizieren, kann es passieren, dass auch andere Mitarbeiter gehen. Wir gehen einer Zeit vieler Umbrüche entgegen, Strukturen und Arbeitsprozesse verändern sich. Das wird zwangsläufig zu Konflikten führen, denen sich Führungskräfte stellen müssen.

Zur Person: Harald Schmid hat langjährige Erfahrung als Personalmanager und bietet Beratung und Begleitung in schwierigen Führungssituationen und im Outplacement.

www.klaglos.at

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