Europaweit wächst die Bereitschaft zur thermischen Sanierung, Österreich hinkt dem 3-Prozent-Ziel aber weiter klar hinterher. Finanzielle Anreizmodelle und die Beseitigung rechtlicher Hürden sollen den Abwärtstrend stoppen.
Die thermisch-energetische Sanierung gewinnt im österreichischen Bauwesen an Bedeutung ,– leider nur in der Theorie. Die Gebäuderenovierungsstrategie Österreichs geht aktuell von einer flächenbezogene Sanierungsrate von jährlich nur etwa einem Prozent des Gebäudealtbestandes aus. Dieser wird ein Einsparungspotenzial von rund 2.185 GWh/Jahr an Endenergie nach dem Jahr 2020 gegenüber 2013 zugerechnet. Soll das Ziel der Umwandlung des Bausektors hin zu einem nachhaltigen Gebäudebestand bis zum Jahr 2050 umgesetzt werden, müssen die Sanierungsraten laut Buildings Performance Institute Europe auf ca. drei Prozent pro Jahr steigen. Europaweit entwickelt sich die thermische Sanierung positiv. In Österreich lag die höchste Sanierungsrate 2010 bei 1,5 Prozent, mit sinkender Tendenz.
Tiefstand
»Wir stellen fest, dass beim Neubau von Gebäuden die Betrachtung der Gesamtlebenskosten oft eine untergeordnete Rolle spielt. Das führt dazu, dass gerade bei der thermischen Qualität Abstriche gemacht werden, obwohl die Mehrkosten bei Errichtung marginal wären und zudem über die Lebenszeit die Gesamtkosten sogar sinken«, betont Jürgen Schneider, Klimaexperte im Umweltbundesamt. »Und wenn im Bestand saniert wird, dann sollte auch die thermische Qualität verbessert werden: Es braucht mehr als eine Pinselstrichsanierung.« Eine umfassende thermische Sanierung beziehe auch das Heizungssystem ein. Die geringe Sanierungsbereitschaft hat laut Georg Bursik, Geschäftsführer von Baumit, ihre Gründe vor allem in fehlenden Investitionsanreizen, dem Beschneiden von Fördermitteln und der Verschärfung von Auflagen. Niedrige Energiepreise und zum Teil milde Winter tragen das ihre dazu bei.
Zur Steigerung der Sanierungsrate fordert die Qualitätsgruppe Wärmedämmsysteme seit Jahren die Fortführung und Aufstockung des Sanierschecks auf die ursprünglichen 100 Mio. Euro. Josef Muchitsch, Vorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz: »Aus dem Regierungsprogramm geht nicht klar hervor, ob es eine Verlängerung geben soll. Fakt ist, die Sanierungsraten sind österreichweit rückläufig, daher brauchen wir vonseiten der Regierung neue Anreize, wie die Aufstockung des Sanierungsschecks. Nur so ist eine Trendwende möglich.«
Derzeit wird thermische Sanierung nur über die Wohnbauförderung der Bundesländer unterstützt. Oberösterreich, Kärnten und Tirol fördern zusätzlich ökologische Dämmstoffe. Finanzielle Anreize als wichtigen Hebel nennt auch Jürgen Schneider, z.B. in Form von Abschreibungsmodellen. »Ausgaben für Wohnraumsanierung müssen stärker steuerlich geltend gemacht werden können, Barrieren im Wohnrecht sind abzubauen.« Derzeit erfordert die Sanierung in einem Mehrparteienobjekt die Zustimmung aller Parteien, was einen großen Hemmschuh darstellt. Die Österreichische Energieagentur nennt rechtliche Maßnahmen wie strenge Bauordnungen, finanzielle Anreize wie Steuerreduktion und Förderungen sowie freiwillige Aktionen wie klimaaktiv und den Klimaschutz-Preis.
Für Wolfgang Folie, Marktmanager WDVS bei Capatect, muss man sich auch von dem Gedanken der schnellen Rentabilität verabschieden. »Gebäude sind für mehrere Generationen zu planen und daher sind eventuelle teurere oder innovativere Komponenten, egal in welchem Bauteil oder Bauabschnitt diese zum Einsatz kommen, als Investition in die Zukunft zu betrachten«, so Folie. »Aus diesem Grund hat sich das WDVS, man könnte auch Wertvolles-Dämm-Verbund-System sagen, langfristig als beliebtestes und sicherlich auch effizientestes System etabliert.«
Gebäude-Senioren
Über 50 Prozent des aktuellen Bestandes an Wohngebäuden wurde vor 1970 errichtet, bei Bürogebäuden sind es rund 45 Prozent. Hier ist das Gesamtpotenzial, TGH-Emissionen durch thermisch-energetische Sanierung einzusparen, am höchsten. »In den 70er- und 80er-Jahren war der Ölpreis gering, damals wurde schlecht gedämmt«, erinnert Gerhard Dell, Energiebeauftragter des Landes Oberösterreich und Geschäftsführer des Oberösterreichischen Energiesparverbandes.
Durch eine wärmetechnische Gebäudesanierung kann der Heizenergieverbrauch bis zu 90 Prozent reduziert werden. »Es ist zwar für die Gebäudenutzer nicht angenehm, wenn bereits in der Früh Arbeiter am Gerüst vorbeilaufen. Aber das Ergebnis zählt. Abstrahlende kalte Wände sind Geschichte, die Fenster dicht und die Heizkostenersparnis deutlich«, so Hannes Nutz, Leiter der Abteilung Facility Management beim Wohnbauunternehmen Sozialbau.
Neue Norm:
Seit September 2017 gilt die neue WDVS Norm B 6400, die viele lange geforderte Änderungen enthält. Die wichtigsten: Zusammenlegung und Aktualisierung der bisherigen Normen B 6400 und B 6410, Berücksichtigung der Anwendungsfälle Neubau und Bestand, neue Definition der Mindeststärke des bewehrten Unterputzes (keine Nennstärke mehr), Aktualisierung der Untergründe, Integration neuer Dämmstoffe, Präzisierung der Fenster- und Türanschlüsse.
Verschiedene Dämmstoffe
WDVS gibt es seit 60 Jahren am Markt, mit einer beachtlichen Qualitätsentwicklung. Von den Dämmstoffen her liegt nach wie vor das klassische Polystyrol im Preis-Leistungs-Verhältnis ganz vorne, gefolgt von Steinwolle. Erfreulicherweise geht der Trend laut Wolfgang Folie, Capatect, immer öfter zu nachhaltigen Dämmstoffen wie Holzweichfaser oder Hanf. Foamglas bietet ein WDVS-System auf Basis von Schaumglas, Röfix arbeitet bei Corktherm mit Kork, bei StoneEtics mit Naturstein, Keramik- und Mosaik-Belägen. Sto hat mit StoSystain ein Dämmsystem auf Basis einer Recycling-Putzträgerplatte entwickelt, die im Klettverfahren am Untergrund befestigt wird. Baumit open reflectair baut auf einer Luftdämmplatte aus Polystyrol-Partikelschaumstoff auf, eignet sich besonders für Sanierungen, ebenso wie das diffusionsoffene WDVS Mineral. WDVS XS022, eine Phenolharz-Hartschaumplatte, ist eine gemeinsame Entwicklung mit Austrotherm. Neu bei Austrotherm ist auch Resolution, eine Wärmedämmung mit einem Lambdawert von 0,022 sehr schlanker Konstruktion. Gerald Prinzhorn: »Wir versuchen, soviel Luft als möglich zu integrieren. Bei EPS sind es bereits 98 Prozent.« Neues gibt es auch bei der WDVS-Montage. Als Pendant zum herkömmlichen Dübeln hat Baumit z.B. den im Mauerwerk verankerten KlebeAnker entwickelt.