Montag, Dezember 23, 2024
Was Straßen kosten
Foto: Thinkstock

Die Betrachtung der Gesamtkosten über den Lebenszyklus eines Bauwerks gewinnt auch im Straßenbau an Bedeutung. Ein Bauherr wie die Asfinag verfügt schon heute über zahlreiche Tools, um die Lebenszkluskosten ihrer Straßen zu senken. Da dürfen die reinen Errichtungskosten dann auch etwas höher sein. Eine wichtige Rolle dabei könnte in Zukunft das Building Information Modeling in Form eines »digitalen Zwillings« spielen.

20:80 zählt im Hochbau zu den bekanntesten Formeln und sorgt bei Laien regelmäßig für ungläubiges Staunen. Denn betrachtet man die Gesamtkosten eines Gebäudes, entfallen nur rund 20 Prozent auf die Errichtung, 80 Prozent hingegen auf den laufenden Betrieb. Das hat dazu geführt, dass die Lebenszykluskos­ten gegenüber den reinen Bau- und Errichtungskosten in den letzten Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen haben. Eine ähnlich eingängige und plakative Darstellung gibt es für Straßenbauprojekte zwar nicht, die Betrachtung der Lebenszykluskosten steht aber auch hier bei vielen Bauherren an erster Stelle und ist »quasi genetisch verankert«, wie Erich Thewanger, Vorstand der IG Lebenszyklus Bau, im Rahmen des Forums Infrastruktur feststellte. »Ein lebenszyklischer Zugang ist im Tiefbau wesentlich natürlicher als im Hochbau. Die Frage, wie man eine unter Verkehr stehende Strecke irgendwann einmal sanieren will, stellt man sich ja am bes­ten immer ganz am Anfang.«

Eine verlässliche Verhältnisdarstellung zwischen Errichtungs- und Betriebskosten bei Verkehrsinfrastrukturprojekten fehlt nicht zuletzt deshalb, weil es erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Bauwerken gibt. »Für die Bauwerke an einer freien Strecke wie Fahrbahnen, Brücken oder Lärmschutzwände spielen Betriebskos­ten, die bauwerksspezifisch entstehen, eine untergeordnete Rolle. Bei Tunnelanlagen sieht die Sache jedoch anders aus. Vor allem der Betrieb der Lüftungsanlagen und der Beleuchtung kann vor allem bei langen Tunnels wesentliche Betriebskosten verursachen«, erklärt Markus Frühwirth, Asfinag Bau Management GmbH.

Dazu kommt eine Vielzahl von veränderlichen Einflussparametern über den gesamten Lebenszyklus hinweg, wie etwa der Anteil des Schwerverkehrs oder Witterungseinflüsse. Unstrittig ist, dass auch im Straßenbau ein erheblicher Anteil der Lebenszykluskosten auf die Betriebsphase entfällt, aber auch, dass »der Betrieb und Unterhalt von Straßen und Schienen in Bezug auf die Lebenszykluskos­ten prozentuell deutlich geringer ausfällt als im Hochbau«, wie etwa Rupert Grienberger. Geschäftsführer Rhomberg Bau Leitung Bau und Ressourcen, erklärt.

Dauerhafte Kostensenkung

Das Forum Infrastruktur zeigte, dass sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer vom hohen Stellenwert der Lebenszykluskos­tenbetrachtung bei Straßenbauprojekten überzeugt sind. Dabei ist die Berücksichtigung des Betriebs schon in der Planungsphase eine der wichtigsten Grundlagen für einen zukunftsorientierten Straßenbau. »Sowohl eine langfristige Gesamtkostenbetrachtung unter Berücksichtigung der Kosten zum Investitionszeitpunkt als auch die in den Folgeperioden verursachten Aufwendungen und Nutzenvorteile sind Voraussetzung einer zuverlässigen Entscheidungsgrundlage.

Nur so kann das optimale Ausschöpfen der Lebensdauer von Bauwerken sichergestellt werden«, ist etwa Asfinag-Vorstand Klaus Schierhackl überzeugt. Diesem Gedanken wird in verschiedenen Formen Rechnung getragen. So spielen die Lebenszykluskosten bei der Ausschreibung für Bauleistungen bei der Asfinag eine zentrale Rolle. »Hier gilt es, die aktuellen technischen Entwicklungen in Kombination mit den zu erwartenden Lebenszykluskosten zu bewerten und diese unter Sicherstellung und Einhaltung eines fairen und lauteren Wettbewerbs für die Bieter in eine entsprechende Ausschreibung zu überführen«, erklärt Frühwirth.

Zudem setzt die Asfinag im Zuge des Bestbieterprinzips auf Zuschlagskriterien, die sowohl eine Erhöhung der Qualität als auch eine Optimierung der Lebenszykluskosten sicherstellen sollen. Dazu zählen etwa  die »Erhöhung der Einbauqualität von Asphalt bzw. Beton«, oder eine »Reduktion des Lüfter-Jahresenergieverbrauchs«. »Diese Kriterien werden bei der Ermittlung des technisch und wirtschaftlichsten Angebotes mittels eines festgelegten Bewertungsschemas bereits in den Ausschreibungsunterlagen berücksichtigt«, erklärt Frühwirth. Auch die Verwendung des sogenannten Decision Support Tools (DST) zur Beurteilung von Straßenoberbaukonstruktionen kann als Beleg für den Fokus der Asfinag auf die Lebenszykluskosten betrachtet werden. Dabei werden alternative Straßenoberbaukonstruktionen unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Lebenszykluskosten einer Bewertung unterzogen. »Mit diesem Tool können projektspezifisch die Anforderungen an Angebote, aber auch der Beurteilungsmaßstab von Asphalt- oder Betonfahrbahnen für die Vergleichbarkeit der Angebote in Abhängigkeit des Verkehrsaufkommens festgelegt werden«, sagt Frühwirth.

Zukunft BIM

Für Rhomberg-Geschäftsführer Rupert Grienberger ist der wichtigste Parameter zur Senkung der Lebenzykluskosten von Straßen, aber auch Schienen deren Verfügbarkeit. »Daher werden Verkehrswege in der Regel so instandgehalten, dass die Schiene oder die Straße auf jeden Fall weiter benutzbar bleiben.« Für Jens Hoffmann, Zentrale Technik bei Strabag, gibt es bereits in der Entwurfs- und Planungsphase Möglichkeiten, verschleiß- und damit unterhaltungsärmere Bauweisen einzusetzen, die unter Umständen mit höheren Errichtungs-, aber geringeren Instandhaltungskosten einhergehen (siehe auch Interview). »Hierzu zählen etwa verstärkte Bauweisen im Oberbau wie auch höherwertige Fahrbahnübergangskonstruktionen oder eine integrale, also lagerlose Bauweise im Brückenbau.« Darüber hinaus hätte laut Hoffmann eine fachkundige Baugrund­erkundung vor der Planungsphase wesentliche Bedeutung für eine Senkung der Lebenszykluskosten.

Das größte Potenzial ortet die Strabag aber im Einsatz von Building Information Modeling BIM (siehe Zusatzgeschichte). Zwar ist BIM in Österreich noch wenig verbreitet und kommt im Tiefbau noch weniger zum Einsatz als im Hochbau, die Chancen, die sich aus diesem »digitalen Zwilling« ergeben, sind aber unbestritten enorm. »Die über das Modell und die dazugehörigen Datenbanken verfügbaren Daten werden Lebenszyklusbetrachtungen zukünftig deutlich vereinfachen und vor allem  erweitern. Die Verfügbarmachung umfassender Daten aus der Bau- und Betriebsphase sowie deren Auswertungsmöglichkeit über mehrere Projekte hinweg werden verlässlichere wie auch detailliertere Prognosen für Zukunftsprojekte ermöglichen«, ist Hoffmann überzeugt.


Ein Kurzinterview mit Jens Hoffmann finden Sie hier


Seitenblick: Lebenszykluskosten bei der ÖBB

Auch die ÖBB Infrastruktur AG hat die Lifecycle-Management-Philosophie fest in ihren Geschäftsprozessen verankert. Schon seit Ende der 90er-Jahre wird weniger auf die reinen Errichtungs-kosten als vielmehr auf einen lebenszyklus­orientierten Ansatz gesetzt. Begonnen wurde damals mit strategischen Ansätzen zu den Gleisen und Weichen, anschließend wurde dies auch auf Brücken und Oberleitungen ausgedehnt.

Für die ÖBB ist aktuell die lebenszyklusorientierte Sicht auf die Infrastrukturanlagen ein ganzheitlicher Ansatz für die operative Entwicklung, Planung, Umsetzung und das Betreiben im gesamten Lebenszyklus der Anlagen. Dabei ist neben der Betrachtung jeder einzelnen Anlage insbesondere auch eine fachbereichsübergreifende und streckenbezogene Sicht und eine Betrachtung über die Zeit erforderlich.

Das Richtige tun

Ziel der ÖBB ist es, »mit den richtigen Maßnahmen zum richtigen Zeitpunkt ein technisches und wirtschaftliches Optimum zu erreichen«. Das Lifecycle-Management soll dabei sicherstellen, dass alle notwendigen Aspekte zur Beurteilung der Maßnahmen vereint werden, Synergieeffekte genutzt und langfristig ein Kostenoptimum für alle Maßnahmen im gesamten Netz erreicht werden können.

In der aktuellen Gesamtstrategie der ÖBB Infrastruktur AG ist die Lebenszykluskosten-Strategie als eigene Teilstrategie definiert: »LCM stellt einen ganzheitlichen Ansatz von der Idee bis zum Abgang dar und wird in strategischer Form im Assetmanagement und in operativer Form in den Anlagenbereitstellungsbereichen fachlich gemanagt«, heißt es seitens der ÖBB.

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