Ziele setzen, mit Entschlossenheit kämpfen, Teamgeist zeigen, mit Niederlagen umgehen: Führungskräfte können von Spitzensportlerinnen und -sportlern vieles lernen, vor allem aber bei der Regeneration.
Manager und Sportler sind sich in vielem ähnlich. Beide streben nach Erfolg und nehmen dafür lange Durststrecken in Kauf, müssen konzentriert und kontinuierlich arbeiten. Besondere Parallelen zeigen sich, wenn darum geht, Höchstleistungen abzurufen, also in einem sportlichen Wettkampf bzw. einer beruflichen Stresssituation.
Wer eine Medaille gewinnen will, muss körperlich topfit sein, über perfekte Technik und bestmögliche Ausrüstung verfügen – vor allem aber mental stark sein. Das lateinische Wort »mens« steht für »Geist«, »Verstand« und »Denkvermögen«. Die Fähigkeit, ruhig und fokussiert zu agieren, kann über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. »Im Extremfall kann das Mentale nahezu 100 Prozent ausmachen«, sagte der renommierte Sportwissenschafter Hans Eberspächer, der mehrere Nationalmannschaften und Athleten bei Olympischen Spielen betreute.
Manager gewinnen keine Medaillen. Sinnbildlich auf dem Siegespodest stehen, einen geschäftlichen Erfolg verbuchen, einen schwierigen Projektabschluss feiern, wollen aber auch sie. Im schnelllebigen Business sind Spitzenergebnisse jedoch rasch vergessen. Eine schlechte Saison wird Sportlern schon einmal zugestanden, im Topmanagement ist die Luft aber dünn. »Sie sind oft einsame Kämpfer, haben keine Freunde mehr und bekommen wenig Anerkennung für ihr Tun«, sagt Antje Heimsoeth, ehemalige Leistungssportlerin und Business Coach.
Gekommen, um zu siegen
Fünf Faktoren kennzeichnen laut Eberspächer eine typische Extremsituation: Es ist eine hohe Anforderung, die über die tägliche Routine hinausgeht, ihr Ausgang ist ungewiss, sofortiges Handeln ist erforderlich, es gibt keinen zweiten Versuch und bei einem Scheitern ist mit Schwierigkeiten zu rechnen. Solche Momente höchster physischer und psychischer Anspannung seien nur »durch eine lösungsorientierte Herangehensweise und durch Selbstmanagement« zu bewältigen, erklärte der Sportpsychologe.
Der US-Pilot Chesley B. Sullenburger, der 2009 einen Airbus A320 auf dem Hudson River, in unmittelbarer Nähe des stark frequentierten New Yorker Hafens, notwasserte, sei dafür ein Beispiel. Durch dessen entschlossenes Handeln, fliegerisches Können und ein Quäntchen Glück konnte ein schlimmeres Unglück verhindert werden. Alle Passagiere und Crewmitglieder überlebten. Diese Meisterleistung ist umso beachtlicher, da Sullenburger – ein erfahrener Pilot mit über 20.000 Flugstunden – innerhalb weniger Minuten mehrere folgenschwere Entscheidungen zu treffen hatte und Flugmanöver absolvierte, die in dieser Form kaum trainiert werden können. Zwar gibt es für derartige Notfälle Checklisten, dafür fehlte aber schlichtweg die Zeit.
Mentales Training versucht genau dieses Manko auszublenden. Allen Widrigkeiten zum Trotz: Nur die eigenen Stärken und Fähigkeiten zählen in diesem Moment. Ob im Sport oder im Berufsleben, ein Profi darf sich von äußeren Umständen nicht beirren lassen und muss seine Kompetenzen ausspielen.
Eine Technik, mit der man sich auf anspruchsvolle Situationen vorbereiten kann, ist die Visualisierung. Ein Skirennläufer, eine Leichtathletin geht den Bewegungsablauf unmittelbar vor dem Start noch einmal durch und fokussiert alle Kraft auf den Wettkampf. Sie sind schon im Kopf Gewinner, dank ihrer Entschlossenheit, hier zu siegen.
Umgelegt auf das Wirtschaftsleben gelingt auch eine Präsentation präziser und authentischer, wenn man sich die äußeren Umstände noch einmal bewusst macht, die einzelnen Punkte vor dem geistigen Auge abhakt und dann gelassen und konzentriert vor das Publikum tritt. Nun kann nichts mehr passieren: Ich bin gut vorbereitet. Diese Zuversicht lässt sich durch positive Gedanken noch verstärken. Wie ein Mantra wiederholt, speichert sich die kurze Ich-Botschaft im Unterbewusstsein ab.
Rituale helfen auch, Emotionen zu kanalisieren. Tennisspieler, die sich über einen schlechten Schlag ärgern, laufen Gefahr, gleich den ganzen Satz zu verlieren. Berufliche Misserfolge können ebenso frustrieren, aber auch einen Lernprozess in Gang setzen. »Niederlagen bringen einen weiter«, sagt Olympiasieger Felix Gottwald. »Siege sollen in erster Linie Demut lehren.«
Think big
Auch wenn das Scheitern so wahrscheinlicher wird: Ziele können ruhig anspruchsvoll sein, ja, sie sollten es sogar sein, wie viele Trainer meinen. Während man sich bei kleinen Zielen von Problemen leichter aus der Bahn werfen lässt, rechne man bei großen Zielen zwar mit Hindernissen auf dem Weg, sei aber ungleich zuversichtlicher, diese zu meistern oder zu umgehen.
Die Strategie der kleinen Schritte ist für Unternehmen oft komfortabler – das Top-Management darf dennoch nie das große Ziel aus den Augen verlieren. Ein Blick von außen kann dabei hilfreich sein. Auch Sportler holen sich Rat von Ärzten, Physiotherapeuten und Spezialtrainern. Niemand würde das als Zeichen von Schwäche interpretieren. Bei Betrieben sehen externe Berater oft klarer, an welchen Schrauben gedreht werden muss, um an die Spitze zu gelangen.
Echte Siegertypen geben sich nicht mit Peanuts zufrieden. Felix Gottwald, der in der Nordischen Kombination 2002 in Salt Lake City drei Bronzemedaillen errang, musste sich von Skilegende Franz Klammer sagen lassen: »Aber weißt eh: Nur die Goldene zählt!« Gottwalds Ehrgeiz war damit geweckt. Er gewann in den folgenden Jahren noch je drei Goldmedaillen bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften und ist bis heute der erfolgreichste österreichische Sportler in der Olympia-Geschichte.
Selbst Handikaps konnten ihm nichts anhaben – oder spornten ihn vielleicht noch mehr an. Nur 25 Tage, nachdem er sich bei einem Trainingssturz das Schulterblatt gebrochen hatte, gewann er einen Weltcup-Bewerb und verblüffte seine Mitstreiter.
Auch das unterscheidet Sieger von Mitläufern: die Bereitschaft, noch konsequenter zu trainieren, an der Technik zu feilen, neue Methoden auszuprobieren. Innerhalb eines engen Bereichs kann man einige Zeit reüissieren. Nur wenigen gelingt es, auch außerhalb der eigenen Grenzen und langfristig erfolgreich zu sein.
Auf den Körper hören
Im alles entscheidenden Moment ist jeder auf sich allein gestellt, auch im Mannschaftssport und im Unternehmen. Der letzte Sprung, der Elfmeter, die Verkaufsverhandlung – mitunter hängt alles von einer Person ab. Da wie dort gibt es aber ein Team im Hintergrund, das unterstützt und stärkt. Mehr noch: In einem funktionierenden Team sollten sich die Fähigkeiten nicht nur ergänzen, sondern potenzieren. Zwei plus zwei ergibt mehr als vier, in Extremsituationen wächst die Gruppe weit über sich
hinaus.
Hier kommt die Führungskompetenz des Trainer bzw. des Managements zum Tragen. Nur wer für das Team die richtigen Leute auswählt und es versteht, diese Einzelpersönlichkeiten zu einer Einheit zusammenzuschweißen und zu motivieren, kann sie zu Höchstleistungen anspornen. Gegenseitiges Vertrauen und Wertschätzung sind dafür Voraussetzung. Noch wichtiger ist der Zusammenhalt aber in Zeiten, in denen es einmal nicht so gut läuft.
Während Sportlerinnen und Sportler in ihren Trainingsplänen regelmäßig Regenerationsphasen einlegen, sind Manager oft rund um die Uhr, auch im Urlaub, auf Abruf. Nicht zuletzt deshalb sind Führungskräfte akut burnout-gefährdet. Warnsignale des Körpers oder der Psyche werden von vielen als Schwäche gesehen und oft über lange Zeit ignoriert. Pausen sind wichtig, um stärker zu werden. Sportler, die zu viel trainieren, stagnieren in ihrer Leistungsfähigkeit und riskieren Verletzungen. Ähnliches gilt für Menschen, die in ihrem Job körperlich und mental »ausbrennen«.
Erfolge sind nur möglich, wenn »Körper und Geist im Einklang sind«, weiß Kickbox-Weltmeisterin Nicole Trimmel. Sie ließ sich von Krisen nie entmutigen: »Rückschläge habe ich immer als Chance gesehen, noch besser zu sein als zuvor. Wir selbst entscheiden, wie wir über Dinge, Personen oder Situationen denken – es ist die Macht unserer Gedanken.« Niederlagen bleiben schließlich auch den Besten nicht erspart. Dann heißt es: aufstehen, nach vorne schauen, weiterkämpfen. Aufgeben gilt nicht.
Tipp: Trainingsplan für Manager/Innen
1. Ziele: Seien Sie ehrgeizig. Je höher die Ziele gesteckt sind, desto besser fühlt es sich an, sie erreicht zu haben. Das Risiko des Scheiterns können Sie in Kauf nehmen – Sie lernen durch diese Erfahrung dazu.
2. Vorstellungskraft: Denken Sie an frühere Erfolge und ersetzen Sie negative Gedanken bewusst durch positive. Was ist Ihnen gut gelungen und wie haben Sie das geschafft? Wer fest davon überzeugt ist, ein Ziel zu erreichen, wird es eher schaffen als Zweifler.
3. Limits: Setzen Sie sich enge Fristen. Sind Sie mit der Vorbereitung, etwa für eine Projektpräsentation, schon zwei Tage früher fertig, bleibt noch Zeit für den Feinschliff und Hektik wird ausgespart.
4. Zeitplan: Strukturieren Sie Ihren Tag. Die wichtigsten Punkte sollten morgens festgelegt und abends kontrolliert werden. Unangenehmes nicht aufschieben.
5. Maßstäbe: Orientieren Sie sich an Benchmarks, die Ihren Anforderungen entsprechen, messbar und in einem konkreten zeitlichen Rahmen realistisch erreichbar sind.
6. Fokus: Konzentrieren Sie sich immer nur auf eine Sache. Wer in mehrere Richtungen strebt, verliert die Übersicht und erreicht am Ende kein Ziel.
7. Stolz: Genießen Sie den Erfolg. Ein guter Abschluss darf stolz und zufrieden machen. Er gibt Kraft und Mut für neue Projekte.