Mittwoch, November 13, 2024
Transformation, auf unterschiedliche Wege gebracht

»Digital Thought Leaders« aus unterschiedlichen Branchen präsentierten Ende September bei einer Veranstaltung in Mondsee ihre Ansätze und Erfahrungen auf dem Weg in die digitale Zukunft.

Österreichische Paradeunternehmen auf dem Weg in die digitale Zukunft: Der IT-Dienstleister Axians hatte am 28. September gemeinsam mit Fabasoft, Mindbreeze und VMware zu einem informativen Nachmittag unter dem Motto »Think Transformation« im Schlosshotel Mondsee eingeladen. Axians-Geschäftsführer Peter Werzer begrüßte die Gäste, die Keynote hielt Univ.-Prof. Alfred Taudes, Wirtschaftsuniversität Wien, zum Thema Blockchain. »Anregungen zu bekommen, Denkhorizonte zu erweitern und voneinander zu lernen, um Unternehmen und damit auch den Wirtschaftsstandort noch besser auf die Herausforderungen von morgen vorbereiten zu können«, betont Peter Werzer die Zielsetzung seiner Veranstaltungsreihe.

Bild: Der Gastgeber. Peter Werzer, Axians, hatte IT-Anwender und Hersteller zum »Round Table« in Mondsee geladen.

Adolf Sonnleitner, Mindbreeze, stellte Anwendungsbereiche für künstliche Intelligenz und Suchmaschinen vor. Über die Herausforderungen der digitalen Transformation für Energieversorger sprach Gerald Hübsch, CIO der Energie AG. Über den Weg der Digitalisierung für Banken referierte Wolfgang Hanzl, CIO BAWAG. Franz Fuchsberger, Gründer von Tricentis, berichtete vom Weg seines Start-ups zur globalen Marktführerschaft. Entwicklungen rund um künstliche Intelligenz stellte Thomas Harrer von IBM vor.

»Das Schloss Mondsee war nicht nur ein stilvoller, sondern auch sehr stimmiger Rahmen für den offenen Austausch. Bei diesem Round Table hat es sich wieder gezeigt: Das persönliche Gespräch gibt frische Impulse und eröffnet neue Sichtweisen, um die Transformation im eigenen Unternehmen voranzubringen«, so der Axians-Geschäftsführer.

Zukunft des Wirtschaftens

Bild:  Alfred Taudes, WU Wien. »Europa hat mit Blockchain die Chance, in der IT ­gegenüber den USA aufzuholen.«

Blockchain-Modelle bilden Transaktionssysteme, die ohne Mittelsmann, ohne Intermediäre auskommen. »Wenn genügend Vertrauen in die Technik hergestellt wird, könnten damit künftig auch Dominanzen großer Marktplayer wie Amazon oder auch Banken fallen«, erwartet Alfred Taudes, Professor für Wirtschaftsinformatik, Institut für Produktionsmanagementt an der Wirtschaftsuniversität Wien. Die Voraussetzungen sind gut: Die Prozesse, die über eine Blockchain laufen, werden vielfach redundant und transparent gespeichert. Eine zentrale Datenhaltung, wie sie in IT-Systemen üblich ist, wäre damit Geschichte. Folglich würde ein Hack der Transaktionsdaten eines Blockchain-Teilnehmers keine negativen Folgen haben. Schließlich ist der komplette Datenbestand über viele Knoten verteilt gespeichert. Eine manipulierte Kopie würde letztlich einfach wieder überschrieben werden.

Bild: Adolf Sonnleitner, Mindbreeze: »Durch ­unseren Zugang zu effizientem Wissensmanagement unterstützen wir den Fachbereich und verkürzen den Zeitaufwand für Suchen massiv.«

Das Einsparen des Intermediärs und die automatisierten Transaktionen sparen letztlich auch Kosten und ermöglichen den direkten Wege zwischen Verkäufer und Käufern – in Handels- und Logistiksystemen jeder Art, so auch in Stromnetzen. Auch das Hinterlegen von Informationen beispielsweise in einem öffentlichen Grundstückkataster ist transparent möglich.

Neben der bekanntesten auf Blockchain basierten Währung BitCoin existieren bereits hunderte weitere Kryptowährungen. »Der eigentliche Blockchain-Hype beginnt mit Ethereum, 2013 von dem jungen Russen Vitalik Buterin entwickelt. Diese Blockchain-Datenbank kann für unterschiedlichste Zwecke, für jegliche ›Digital Assets‹ eingesetzt werden. So auch für ›Smart Contracts‹ – kleine Programme, die beispielsweise für Finanzprodukte eingesetzt werden können«, erklärt Taudes. Jeder, der auf Ethereum ein neues Geschäftsmodell kreiert, könne seine eigene Währung dazu erschaffen. Auch wenn die Technologie teilweise noch Zukunftsmusik in der Anwendung in der Wirtschaft ist, empfiehlt Taudes Unternehmen, sich bereits jetzt damit zu beschäftigen, etwa für den Einsatz im Internet der Dinge (IoT).

Hilfe bei der Suche

Konkrete Anwendungsbereiche für Künstliche Intelligenz stellte Adolf Sonnleitner, Leiter des Bereichs Gesundheitswesen bei Mindbreeze vor. Mit Machine Learning wurde bei Wüstenrot ein Projekt umgesetzt, Dokumente maschinell zu »verstehen« und zu klassifizieren. Der Posteingang wird elektronisch den Sachbearbeitern zugewiesen, Anträge, Reklamationen oder Schadensmeldungen werden richtig erkannt und automatisiert verarbeitet.

Auch im Medizinbereich hilft Mindbreeze Ärzten beim Sichten, Lesen und Interpretieren von Dokumenten. »Speziell für die Medizin haben wir ein System entwickelt, das klinischen Mitarbeitern den Arbeitsalltag erleichtert«, so Sonnleitner. Eingebunden werden auch unstrukturierte Datenformate, wie etwa Diktat-Aufnahmen.

Bild: Gerald Hübsch, Energie AG. »Innovation braucht eine Unternehmenskultur, in der auch Fehler erlaubt sind.«

Mindbreeze wurde vor zwölf Jahren gegründet. Heute hat das Unternehmen seine Kunden weltweit. Lufthansa und Deutsche Telekom AG gehören beispielsweise in Deutschland zum namhaften Nutzerkreis. »Die meisten Daten in Unternehmen sind nur unstrukturiert vorhanden. Unsere Appliance gestaltet mit dem kompletten System an Bord das Thema Wissensmanagement und ›Information Insight‹ so einfach wie möglich.« Fachbereiche können dazu je nach Anwendungsfall ihre eigenen Suchanwendungen mit einem Baukasten erstellen.

»Wissensmanagement ist hier in einem 360-Grad-Bereich abgebildet«, berichtet Sonnleitner von einer Umsetzung beim Kunden Lufthansa. Die 360-Grad-Sicht zeigt im Detail alles, was für den jeweiligen Mitarbeiter im konkreten Arbeitsschritt relevant ist.
Gartner führt Mindbreeze im Markt für »Insight Engines« als Top-Unternehmen im Challenger-Quadranten an. »Große Datenmengen normieren und strukturieren, Fehler bereinigen und der Einsatz von Deep Learning und neuronale Netze – in diesen Bereichen fühlen wir uns seit zwölf Jahren sehr wohl«, bekennt der Experte.

Sonnleitner bringt der Appliance auch bei, auf die Nutzer zu hören: Das System lernt anhand der Informationen und des Umgangs des Anwenders mit den Informationen, Relevantes von weniger Relevantem zu unterscheiden – und berücksichtigt dies bei Folgeprozessen.

Mut und Orientierung

Wirtschaft und Gesellschaft befinden sich durch die digitale Transformation auch im Energiebereich in einem starken Wandel. Das traditionelle Modell großer Stromerzeugungsanlagen, die den Bedarf für passive Verbraucher abdecken, ist ins Wanken gekommen. Der kontinuierliche Ausbau von vor allem Photovoltaik und Windkraft bringt bereits tausende dezentrale Einspeiser ans Netz. Innerhalb weniger Jahre hat sich diese Zahl in Österreich vervielfacht.

Bild: Wolfgang Hanzl, CIO BAWAG PSK. »Wir müssen gute Produkte haben, bei ­gleichzeitig niedrigen Produktionskosten.«

Gerald Hübsch, CIO Energie AG, sieht dazu nun »eine große Zukunft für Strom.« Mit Strom könne Energie mit relativ wenigen Verlusten und geringen Umweltauswirkungen rasch und einfach an beliebige Orte transportiert werden. »Wer auch immer am Netz angeschlossen ist, kann dieses Produkt mit Lichtgeschwindigkeit beziehen.« Auch im Verkehr – Stichwort Elektromobilität – werde Strom in den nächsten Jahren eine wachsende Rolle spielen. Freilich gilt es nun, in Österreich entsprechende Ladeinfrastruktur aufzubauen. »Das ist aber machbar. Es wird ein Mix aus dem Laden an der normalen Steckdose und Turbo-Chargern für jene, die es eilig haben, werden«, argumentiert der Experte.

Bei der Verknüpfung von smarten Erzeugern, Verbrauchern und auch Stromspeichern benötigen die Netzbetreiber ebenfalls die Datenleitung, sprich: Fahrpläne für den Netzbetrieb. »Auch das Einspeisen von der Photovoltaikanalage am Hausdach ist planbar. Damit kommt der Datenebene künftig eine sehr wichtige Rolle zu. Verknüpft mit Informationen zum lokalem Bedarf, Wetterprognosen und Tarifmodellen wird dann Strom optimal verteilt«, sagt Hübsch. Die Echtzeitverarbeitung von Massendaten und auch künstliche Intelligenz werden dem CIO zufolge fixer Bestandteil der Energiesysteme sein. Wichtig für Neuerungen in den Unternehmen sei ein »visionärer Mut auch in der IT und eine bedingungslose Kundenorientierung. Und es braucht eine Kultur, in der Experimente und auch Fehler erlaubt sind.«

Bedrohung oder Chance

Banken müssen wie Industrieunternehmen oder Energieversorger denken, ist Wolfgang Hanzl, Chief Information Officer der BAWAG PSK, überzeugt: »Wir müssen gute Produkte haben, bei gleichzeitig niedrigen Produktionskosten.« Regulierung, Globalisierung, Cybersecurity oder der demografische Wandel und ein stark verändertes Konsumverhalten – viele Themen ließen sich als Bedrohung oder vielmehr als Chance und positive Herausforderung wahrnehmen. Um flexibel für Veränderungen und den Markt aufgestellt zu sein, setzt die BAWAG PSK auch auf Big Data, Advanced Analytics und Digitalisierung der Prozesse. Datenanalysen würden künftig Services verbessern und neue Dienste ermöglichen. Man ist auch einer Zusammenarbeit mit FinTechs offen und hat eine Kooperation mit der Technischen Universität Wien begonnen, um künftige Mitarbeiter bereits während des Studiums zu gewinnen.

Enormer Geschwindigkeitszuwachs

Eine Erfolgsgeschichte liefert derzeit auch Tricentis. Anfang des Jahres hat das Unternehmen von dem amerikanischen Private-Equity-Unternehmen Insight Venture Partners ein Investment von 165 Millionen Dollar erhalten. Entwickelt wird Technologie für automatisiertes Software-Testing. Franz Fuchsberger, Mitbegründer und Chief Sales Officer, kann auf gut 500 global tätige Kunden verweisen – darunter BMW, Starbucks, Deutsche Bank und auch Axians. »Die Digitalisierung bedeutet einen enormer Geschwindigkeitszuwachs«, beobachtet Fuchsberger. »Kein Unternehmen kann sich heute Stillstand erlauben. Es gehe um die Frage »to disrupt or to be disrupted«, nimmt er Anleihe an Shakespeare.

Bild: Franz Fuchsberger, Tricentis. »Es geht um die Frage ›to disrupt or to be disrupted‹.«

Unternehmen wie Uber und Airbnb haben kein einziges Taxi und kein einziges Bett im Besitz, sind aber die derzeit weltweit größten Anbieter in ihrem Segmenten. Sie haben die Prozesskosten in ihren Geschäftsmodellen stark gesenkt und gleichzeitig Services bestechend kundenfreundlich gestaltet. Unternehmen sollten in der Digitalisierung nicht nur rasch neue Funktionalitäten und Prozesse entwickeln können, sondern diese auch zeitnah in die Produktion umsetzen. Dies bedeutet: Softwareupdates werden bei geschäftskritischen Services mitunter bereits wöchentlich ausgerollt.

Tricentis ist mit seinem Produkt Tosca angetreten, Software-Testing zu automatisieren und massiv zu beschleunigen. 32 Milliarden Dollar ist der Testing-Markt weltweit schwer. Tosca kann die üblichen Testzyklen von Wochen auf lediglich Stunden reduzieren und erhöht gleichzeitig die Testqualität. Das Schlagwort dazu lautet »Continuous Tes­ting« – zu 100 % automatisierte und integrierte Softwaretests.

Meilensteine in der Intelligenz

Wir leben in spannenden Zeiten exponentiellen Wachstums. Recheneffizienz und auch Speicherfähigkeiten erhöhen sich Jahr für Jahr um 50 %, Netzwerktechnologien entwickeln sich ebenfalls entlang dieser Kurve«, berichtet Thomas Harrer, Cheftechnologe für das Hardware-Geschäft von IBM in Europa. Maschinen werden intelligenter, Automatisierung in der Produktion schreitet voran und sie wirkt entgegen mancher Erwartung sogar positiv auf den Arbeitsmarkt. Durch die Automatisierung wird der Anteil an menschlicher Arbeit kleiner, es kann damit gewinnbringend in Europa produziert werden – mit teils höherwertigen Arbeitsplätzen.

Bild: Thomas Harrer, IBM. »Deep-Machine-Learning wird die Welt verändern.«

Auch Autos sind heute bereits Rechenzentren auf Rädern. Mit unterschiedlicher Sensorik können die Fahrzeuge heute bereits auf die Umwelt reagieren. Autonomes Fahren werde fix kommen, ist Harrer überzeugt. Wären diese Technologieentwicklungen mit dem klassischen Programmierschema »if – then – else« möglich gewesen? Wohl kaum, so der Experte. Mit Machine Learning oder Deep Learning – also mit schierer Rechenleis­tung – können Daten heute besser verarbeitet und auch Vorhersagen getroffen werden. Die Bilderkennung über Algorithmen wird kontinuierlich besser. »Um das Jahr 2010 haben die besten Computer gut 75 % der Bilder aus einfachen Aufgabenstellungen korrekt einordnen können«, berichtet Harrer von einem jährlich durchgeführten Wettbewerb. »2012 hat ein neuronales Netz mithilfe von Millionen erlernten Bild-Klassifizierungen ein neues Bild mit bereits 80 % Wahrscheinlichkeit richtig eingestuft. Alle Ergebnisse seither – mittlerweile befinden wir uns bei unter 5 % Fehlerrate – basieren auf Deep-Machine-Learning.« Das werde die Welt weiter verändern. Heute bereits helfen automatische Bildanalysen in der Tumorerkennung. Der Computer unterstützt Ärzte bei der Diagnose.

 

 

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