Samstag, Dezember 21, 2024

Laut UNO hat sich der weltweite Abbau von Rohstoffen in den vergangenen vier Jahrzehnten weltweit von 22 auf 70 Milliarden Tonnen mehr als verdreifacht. Kommt die Natur dabei unter die Räder?

Druckwelle und Triel, Detonation und Bienenfresser – passt das zusammen? Auf den ersten Blick nicht. Bauwirtschaft, Ressourcenentnahme und Müllentsorgung stehen im Gegensatz zur Erhaltung natürlicher Lebensräume. »Abbaugebiete können nach ihrer Nutzung allerdings sehr wertvolle Trocken- und Feuchtbiotope darstellen und sind damit essentielle Rückzugsgebiete für Tier- und Pflanzenarten«, erläutert Hannes Augustin, Geschäftsführer des Naturschutzbundes Salzburg. Während der Nutzung ist ein geschlossener Kreislauf unentbehrlich. Wopfinger verweist in diesem Zusammenhang auf seinen Ökobeton, wo statt der Lagerung von Baustoffrestmassen auf Deponien das Material als Rohstoff zur neuerlichen Betonerzeugung verwendet wird.

Die Vereinigung der österreichischen Zementindustrie, VÖZ, nennt den Einsatz von Schlacken und Flugaschen zur Schonung natürlicher Rohstoffe und Reduktion der Abbauprojekte. Auch Ziegelbruch und Gipskartonplatten aus dem Baustoffrecycling können verwendet werden. Komponenten wie Kalzium-, Silizium-, Aluminium- und Eisenoxid, wesentlich für die Herstellung von Zementklinker, werden zunehmend aus Sekundärrohstoffen gewonnen. Auf Primärrohstoffe kann allerdings trotz steigender Wiederverwertung von Alt- und Abfallstoffen nicht verzichtet werden. »Hier muss nachhaltig gedacht und lokal gearbeitet werden«, fordert Jasmine Bachmann, Mitarbeiterin im Bereich Natur & Ressourcen bei der Energie- und Umweltagentur NÖ.

Lebensraum durch Detonation

»Wenn man Österreich überfliegt, sind Steinbrüche kaum mehr sichtbar. In abgebauten Bereichen wird renaturiert, sie dienen als Rückzugsgebiete«, spricht Sebastian Spaun, Geschäftsführer der VÖZ, das Thema Nachhaltigkeit an. In Steinbrüchen wie Mannersdorf werde nur ein kleiner Bereich für den Abbau genutzt. Riedler Kies&Bau hat große Flächen im Mostviertel mit Unterstützung von Ökologen renaturiert ebenso wie die Welser Kieswerke. Viele Experten bestätigen, dass Steinbrüche Hotspots der Biodiversität sein können. Biodiversitätsschutz muss Wirtschaftsthema werden. Dazu betreibt die Energie- und Umweltagentur NÖ seit drei Jahren unterschiedliche Plattformen. Bachmann: »Wir hatten Workshops, eine Inseratkampagne und Direktmailings.« Die Agrana und die EVN haben Patenschaften übernommen.

Bei anderen Kooperationspartnern aus der Wirtschaft hat sich die Belegschaft dazu entschlossen, Trockenrasen zu pflegen bzw. ein Betrieb im Waldviertel hat das Betriebsgelände so gestaltet, dass Mehrwert für die Artenvielfalt entsteht. Um das Bewusstsein für Flächenverbrauch und Flächenmanagement zu steigern, gibt es eine Förderung von WKO Niederösterreich und dem Land Niederösterreich im Rahmen der ökologischen Betriebsberatung. »Diese ist einmalig im deutschsprachigen Raum«, betont Bachmann stolz. Sie sei ein innovativer Ansatz, damit die Wirtschaft die Bedeutung der Biodiversität erkennt und Verantwortung übernimmt.

Biodiversität

Durch die Anlage von Kies- und Schottergruben können wertvolle Pionierstandorte entstehen, die für manche Tier- und Pflanzenarten überlebenswichtig sind. Dazu zählen Vogelarten wie Uhu, Falke, Mauerläufer oder Felsenschwalbe, die in Felsnischen brüten. Gelbbauchunke, Feuersalamander sowie Kreuz- und Wechselkröte nutzen kleinräumige Wasserflächen in Steinbrüchen als Laichplatz. Nicht zu vergessen sind die Reptilienarten wie Schlingnatter und Zauneidechse, die vegetationsfreie Stellen und Steinhaufen als Sonnenplätze brauchen. Auch Schmetterlings-, Käfer-, Libellen- und Heuschreckenarten finden in Abbauflächen geeignete Lebensbedingungen. Eine Vielzahl an Flechten, Moosen und Blütenpflanzen sind auf nährstoffarme Standorte angewiesen – dies bieten auch die Eingangsbereiche von Bergbaustollen.

Absicherung von Lebensraum

In den letzten zehn Jahren haben die rohstoffgewinnenden Betriebe in Öster­reich Millionen Euro in die Renaturierung und Rekultivierung stillgelegter Gewinnungsflächen investiert. Behördliche Auflagen haben laut Naturschutzbund Salzburg in Teilbereichen auch Erfolge gezeigt. Als Beispiel nennt Geschäftsführer Hannes Augustin den Wolfram-Bergbau in Mittersill, wo es erhebliche Konflikte wegen der Lagerung des Abraummaterials gab. »Dies war in einem Feuchtgebiet und in einem Schwingrasen vorgesehen. Die Erweiterung der Deponie auf den wertvollen Flächen wurde zwar bewilligt, aber immerhin wurde Schadensbegrenzung betrieben.« Ein Teil der Feuchtflächen konnte übersiedelt und seltene Arten wie der Wasserschierling damit gerettet werden. Manche Vorgaben wie Wiederbegrünung, Humusierung und Bepflanzung seien aber sogar übertrieben worden. »Mancherorts wäre es vielleicht besser, eine natürliche Sukzession und auch dynamische Prozesse der Erosion zuzulassen«, gibt Augustin zu bedenken.

Rekultivierung

Die Rekultivierung stillgelegter Abbauflächen ist mittlerweile integraler Bestandteil vieler Unternehmensphilosophien. Riedler Kies&Bau ist stolz darauf, dass seine stillgelegten und rekultivierten Abbauflächen Vorzeige- und Studiumsobjekt für Schulen und Universitäten sind. Ein Wasseraufbereitungssystem unterstützt den ökologischen Erfolg. Die Natur- und Artenschutzprojekte beschränken sich nicht nur auf stillgelegte Gewinnungsstätten. Seit zehn Jahren führen Betriebe gemeinsam mit dem WWF auch in aktiven Steinbrüchen und Kiesgruben Artenschutzprojekte durch, z.B. Libellenteiche in Kiesgruben und Steinbrüchen, rotierende Ruhezonen für Kiesbrüter, Feuchtbiotope für Lurche und Insekten u.v.m.

Kooperiert wird auch mit dem Forum mineralische Rohstoffe und BirdLife Österreich. Wopfinger hat dazu mit seinem Projekt »Standort Untersiebenbrunn – Naturschutz-Gesamtkonzept zur Triel-freundlichen Gestaltung von Grundstücken« gepunktet und 2016 den Nachhaltigkeitspreis des Europäischen Gesteinsverbandes errungen. Zusätzlich haben die Niederösterreicher ein Renaturierungskonzept für zwei Nassbaggerungsflächen als zukünftige Landschaftsteiche erarbeitet.

Ausgleich

Neben Rekultivierung steht die Kompensation, die sich aus rechtlichen Bestimmungen einzelner Landes-Naturschutzgesetze, dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz und aus internationalen Richtlinien wie FFH- und Vogelschutzrichtlinie, der Berner Konvention und der Biodiversitätskonvention ergibt. Zum Punkt Ausgleichsflächen betont Robert Galler von der Montanuniversität Leoben: »Es gibt Länder mit Abschlagszahlungen. Das ist nicht der österreichische Zugang. Hier werden Ersatzflächen gefunden.«

Das Salzburger NSchG fordert, diese möglichst in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Eingriffsort zu realisieren. Nur wenn die Schaffung eines Ersatzlebensraumes nicht möglich oder unverhältnismäßig ist, muss ein für den Naturschutz zweckgebundener Geldbetrag entrichtet werden. Ersatzflächen sind mit mehreren Prüfschritten verbunden. Sie müssen eine enge funktionale, räumliche und zeitliche Bindung zum Eingriff besitzen und etwa innerhalb von 30 Jahren ihre volle Maßnahmenwirkung erlangen. »Wir sind gegen Ausgleichsflächen«, hält Sebas­tian Spaun fest. »Mit Renaturierung vor Ort ist mehr zu erreichen, als wenn wir uns in einen Ablasshandel begeben und andernorts Biodiversität erreichen.«

Abdruck durch Abbau

»Der ökologische Fußabdruck hängt sehr vom Standort, den eingesetzten Maschinen, der gesamten Logistik, den Transportwegen und dem Rohstoff selbst ab«, weiß Augustin. Wopfinger arbeitet an der Optimierung seines ökologischen Fußabdrucks, indem die umweltrelevanten Auswirkungen beim Kiesabbau u.a. durch den Ersatz von langen Radladerwegen per Förderbandeinsatz bei der Rohkiesförderung reduziert werden. Das wurde auch durch den KLI.EN gefördert. Ein moderner Maschinenpark reduziert Staub- und Lärmauswirkung in Abbau wie Aufbereitung. »Wir setzen auf aufbereitete sowie gewaschene Baurestmassen als Gesteinskörnung für Beton und schonen damit Primärressourcen und Deponieraum«, betont Franz Denk, Geschäftsführer Wopfinger Transportbeton.

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