Assistenzsysteme verändern das Fahrverhalten und sorgen für mehr Sicherheit auf den Straßen. Unternehmen, die ihre Firmenflotte damit ausstatten, profitieren mehrfach.
Ein »grüner« Fuhrpark ist in österreichischen Unternehmen noch eine Seltenheit. Erst 14 % haben bereits Fahrzeuge mit alternativem Antrieb in ihrer Firmenflotte, wie aus der Kienbaum-Studie »Firmenwagenreport 2016« hervorgeht. Deutlich positiver steht man Assistenzsystemen gegenüber. Obwohl die Anschaffungsbudgets für Außendienstmitarbeiter im Schnitt mit 36.000 Euro limitiert sind und für die obere Führungsebene zwischen 30.00 und 50.000 Euro betragen, wird bei den Assets weniger gespart. Freisprecheinrichtung und Navigationsgerät zählen in drei Viertel der Unternehmen zur vorgeschriebenen Ausstattung.
Nachholbedarf gibt es noch bei elektronischen Sicherheitssystemen. Seit November 2015 sind Spurhaltesysteme und Notbremsassistenten für neu zugelassene Lkw mit mehr als 3,5 Tonnen Gesamtgewicht Pflicht. 2018 folgt die zweite Stufe der EU-Verordnung, die diese Sicherheitssysteme für alle Lkw vorsieht. Lastwagen, die ungebremst in ein Stauende rasen oder von der Spur abweichen, sollen damit der Vergangenheit angehören.
Verkehrsexperten wünschen sich derartige Regelungen auch für Pkw. Sicherheitsgurt, Airbag, ABS und ESP haben unbestritten zur Sicherheit auf den Straßen beigetragen. Auch wenn Ende der 1980er-Jahre noch viele Lenker monierten, ein guter Autofahrer könne ohne Antiblockiersystem genauso sicher bremsen, zählt das ABS längst zur gesetzlichen Grundausstattung.
Der Schleuderschutz ESP (Abkürzung für die sperrige Bezeichnung »Elektronisches Stabilitätsprogramm«) ist in den USA und Japan sowie seit November 2011 in der EU für alle neu zugelassenen Pkw und Lkw vorgeschrieben. Nach Angaben des Herstellers Bosch hat ESP seit 1995 etwa 260.000 Unfälle vermieden oder zumindest in ihren Folgen abgeschwächt. Allein in Europa konnten so rund 8.500 Leben gerettet werden.
Der Durchbruch dieses allerersten Assistenzsystems ist dem missglückten Schleudertest der Mercedes A-Klasse zu verdanken, der als »Elchtest« ins kollektive Gedächtnis einging. Um den Imageschaden zu minimieren, stattete der renommierte Autobauer nämlich fortan auch alle Kompaktwagen serienmäßig mit dem – ursprünglich für die Oberklasse vorgesehenen – ESP aus. Die Konkurrenz zog zähneknirschend nach.
Viele kleine Helferlein
Sicherheit geht vor. Das gilt insbesondere für Fahrer, die beruflich viel unterwegs sind. Unternehmer, die ihre Firmenflotte mit Assistenzsystemen ausstatten, zeigen Verantwortungsgefühl und Risikobewusstsein. Denn rund 60 % aller tödlichen Arbeitsunfälle passieren nicht im Betrieb, sondern im Straßenverkehr. 80 % der Kollisionen sind auf Unaufmerksamkeit des Fahrers zurückzuführen.
Elektronische Zusatzeinrichtungen wie Steuergeräte, Videokameras, Ultraschallsensoren, Laserscanner und Radar werden immer kleiner, leistungsfähiger und billiger als Design-Schnickschnack wie Alufelgen oder Sonderlackierung. Gab es diese Extras früher nur im Premiumsegment, steht ein gutes Dutzend digitaler Assistenzsysteme inzwischen auch bei Mittelklassewagen in der Aufpreisliste. Die kleinen Helferlein assistieren beim Aus- und Einparken oder machen es gleich selbst, orten Hindernisse im Dunkeln weiter als ein Scheinwerfer leuchtet, erkennen Fußgänger und Tiere und lösen automatisch eine Vollbremsung aus, halten selbstständig die Spur und Distanz zum Vordermann, bremsen im Stop-&-Go-Verkehr und fahren allein wieder an, überwachen den toten Winkel, achten auf einbiegende Fahrzeuge und weisen beim Rangieren mit dem Anhänger an. Nicht alle Features bringen wirklich einen Sicherheitsgewinn – teilweise sind es eher digitale Spielereien eifriger Konstrukteure.
2014 hatte, wie eine Auswertung der Zulassungsstatistik durch Bosch ergab, bereits jedes fünfte neu zugelassene Auto zumindest den Spurassistenten und ein automatisches Notbremssystem an Bord. Ein Jahr zuvor waren diese Assistenzsysteme erst in jedem zehnten Fahrzeug eingebaut. Mit Abstand am beliebtesten sind jedoch die komfortablen Parkhilfen – von Ultraschallsensoren, die mittels akustischer Signale den Abstand zu Hindernissen signalisiert, über Rückfahrkameras bis zu Assistenten, die völlig selbstständig freie Parklücken melden, blitzschnell vermessen und das Lenken übernehmen. Sie fanden sich in jedem zweiten neu zugelassenen Pkw. Vergleiche in anderen europäischen Ländern zeigten ähnliche Vorlieben.
Ein Hauch von Science-Fiction
Autozulieferer Bosch treibt auch aus diesem Grund das automatisierte Parken zügig voran. Insbesondere im innerstädtischen Verkehr zählen die Parkplatzsuche und das Zwängen in enge Lücken erfahrungsgemäß zu den nervigsten Nebenerscheinungen. »Wo der Mensch beim Einparken überfordert ist, kann die Technik übernehmen«, erklärt Bosch-Geschäftsführer Dirk Hoheisel. Laut Allianz passieren 40 % aller Unfälle beim Ein- oder Ausparken.
Auch die Stadtverwaltungen zeigen zunehmend Interesse, die Parkraumbewirtschaftung durch Vernetzung zu optimieren. In Stuttgart läuft bereits ein Pilotprojekt, bei dem auf Park-&-Ride-Plätzen installierte Sensoren Informationen über freie Stellflächen an Autofahrer übermitteln. In Berlin testet Siemens ein System, das Parklücken über Radarsensoren an Straßenlaternen aufspürt. Ab 2019 soll das sogenannte Homezone-Parking serienreif sein. Wer das Auto regelmäßig beispielsweise in der Tiefgarage abstellt, kann den Weg samt Einparken speichern und später per Knopfdruck wiederholen. Bis zu zehn verschiedene Strecken kann sich der Assistent merken. Allfällige Hindernisse, wie eine abgestellte Mülltonne, werden automatisch umfahren. Der Autopilot, unverzichtbares Handlungselement in Science-Fiction-Filmen, könnte somit schon bald Realität werden. Mobileye, ein israelisches Unternehmen mit rund 600 Mitarbeitern, stieg mit Echtzeit-Bildverarbeitungs-Technologien innerhalb weniger Jahre zum Weltmarktführer auf. Ende 2012 eröffnete in Deutschland eine Niederlassung für den EMEA-Raum, seit 2014 ist Mobileye börsennotiert. Die kreativen Köpfe im Forschungszentrum in Jerusalem tüfteln an einem viel größeren Projekt: In der Entwicklung einer sicheren Technologie für selbstfahrende Autos liefert man sich einen Wettlauf mit den IT-Riesen Google und Apple, die statt auf Kameras auf Laser-Radar setzen. Mobileye-Gründer Amnon Schaaschua erwartet autonome Fahrzeuge bereits ab 2021 auf den Autobahnen.
Die Haftungsfrage wäre allerdings noch zu klären. Das Fahren ohne Hände am Lenkrad ist in Europa bis dato nicht erlaubt. Auch die psychologische Komponente sollte nicht unterschätzt werden: Das Steuer völlig an eine Maschine abzugeben, ist möglicherweise eine größere Herausforderung für die Fahrer als die technischen Voraussetzungen. Ein tödlicher Unfall mit dem Tesla in den USA sorgte entsprechend für Unbehagen und Diskussionen.
Sprechendes Superauto
Etwas weniger futuristisch wirkt das Equipment für den Durchschnittsfahrer. Einige der besonderen Fähigkeiten des Kindheitstraums K.I.T.T. aus der beliebten TV-Serie »Knight Rider«, der die Umgebung mit einem Scanner an der Fahrzeugfront absuchte und mit David Hasselhoff kommunizierte, sind wohl bald überall Standard. Mittels Mobileye-Technologie können Fahrzeuge nahezu aller namhafter Hersteller – mit Ausnahme von Toyota und Daimler – ohne großen Aufwand nachgerüstet werden. Diese Lösung basiert nicht nur auf dem Erkennen von Fahrspur und Verkehrszeichen, sondern zusätzlich auf monokularer Sichttechnologie mit Objekterkennung, wobei sowohl Fußgänger als auch Fahrzeuge unter den Begriff »Objekt« fallen. Ein hochpräziser optischer Sensor, der an der Innenseite der Windschutzscheibe befestigt wird, fungiert als drittes Auge des Fahrers. Das Geschehen vor dem Fahrzeug wird kontinuierlich gescannt, um potenzielle Gefahrensituationen zu identifizieren, noch bevor sie entstehen. Ein eigens entwickelter Hochleistungs-Chip verarbeitet blitzschnell sämtliche vom System erfassten Informationen und alarmiert den Fahrer unverzüglich durch optische und akustische Signale.
Allein der Einbau intelligenter Systeme schützt jedoch nicht vor Unfällen. Die Fahrer müssen die Bedienung der Geräte erlernen, um sie effektiv nutzen zu können. »Viele Bemühungen, die Sicherheit zu erhöhen, laufen ins Leere, wenn die Systeme an Bord sind, aber der Umgang mit ihnen nicht geschult wird«, erklärt Ralph Feldbauer, Leiter des Bereichs Riskmanagement für Flottenkunden bei der Allianz Versicherung in Deutschland. Weniger Unfälle verursachen weniger Ärger, Ausfälle und Kosten, wie Versicherungsexperte Feldbauer anhand eines einfachen Beispiels vorrechnet: Angenommen, eine Spedition macht pro gefahrenem Kilometer einen Euro Umsatz, die Umsatzrendite liegt bei 2 %, die Lkw fahren jährlich 150.000 Kilometer. Verursacht einer der Lkw einen Schaden, der nicht versicherte Folgekosten von 2.000 Euro nach sich zieht, ist er 100.000 Kilometer nur gefahren, um für den Schaden aufzukommen. Zwei Drittel der Fahrleis-tung eines Jahres waren somit umsonst.