Montag, Juli 22, 2024

Mineralische Rohstoffe sind Basis unseres täglichen Lebens. Knapp 90 % werden in der Bauwirtschaft verwendet. Aber auch für Zahnpasta, Lacke, Sportanlagen und viele Gebrauchsgegenstände sind sie unverzichtbar. Nachhaltigkeit und Effizienz spielen in der Wertschöpfungskette eine immer größere Rolle.

Der 1972 vom Club of Rome veröffentlichte Bericht »The Limits to Growth« stellte in einer der zentralen Schlussfolgerungen unmissverständlich klar: »Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.« Diese pessimistische Vorhersage führte zu heftigen Kontroversen in der Wissenschaft, gab aber – befeuert durch die Ölkrise – letztlich den Anstoß für Initiativen, die einen verantwortungsvolleren Umgang mit Ressourcen einforderten.

45 Jahre später lässt der prophezeite Weltuntergang noch auf sich warten. Weder die Grenzen des Wachstums sind erreicht noch einzelne Rohstoffe versiegt, auch das Waldsterben in Mitteleuropa blieb aus. Doch das 30-Jahre-Update des Berichts konstatierte abermals, dass die Rohstoffkapazitäten sowie die Fähigkeit der Erde, Schadstoffe zu absorbieren, bereits 1980 überschritten worden seien – im Jahr 2004 schon um ca. 20 %. Auch bei energischem Umsetzen von Umweltschutz- und Effizienzstandards könne diese Tendenz nur abgemildert, aber nicht mehr verhindert werden, so die Autoren.

Zunehmende Polarisierung

Trotz vielfacher Kritik an den Katastrophenszenarien löste insbesondere die erste Studie in den westlichen Staaten ein Umdenken aus. Angesichts der prognostizierten Endlichkeit der Rohstoffe schworen sich in den 1970er-Jahren auch in Österreich in seltener Einigkeit Wirtschaft, Wissenschaft und Politik auf eine vertiefte Zusammenarbeit ein. Mit eigens gewidmeten Geldern starteten Forschungsprojekte zur Suche nach nutzbaren Rohstoffen.

Foto: Christoph Berendt, SAP, empfiehlt Unternehmen, den digitalen Wandel im eigenen Tempo anzugehen: »Man kann das Schritt für Schritt realisieren.«

»Landauf, landab wurden aus Bächen Proben gezogen und auf ihren Gehalt an Mineralen und Elementen untersucht. Es wurde begonnen, aus der Vogelperspektive, von Flugzeug und Hubschrauber aus, geophysikalische Anomalien aufzuspüren, die Hinweise auf Lagerstätten gaben«, wie sich Maria Heinrich, langjährige Leiterin der Fachabteilung Rohstoffgeologie an der Geologischen Bundesanstalt, später erinnerte. Der Schwerpunkt der Untersuchungen galt zunächst den klassischen Rohstoffen wie Erzen, Industriemineralen und Kohle, doch schon bald verschob sich der Fokus auf Baurohstoffe wie Kiessande und Natursteine. Heinrich begann mit der bundesweiten Erhebung aller Schottergruben und Steinbrüche – eine Aufgabe, die in der veranschlagten Zeit gar nicht zu bewältigen war: »Aber es war bereits klar, dass die Bedeutung der Baurohstoffe für Gesellschaft und Wirtschaft weit größer war, als die damaligen statistischen Daten vermuten ließen.

Die damals gestalteten Gesteinskarten bildeten nach der Jahrtausendwende die Grundlage für die Erstellung des Österreichischen Rohstoffplans, der die Lagerstätten mineralischer Rohstoffe samt Bedarfsschätzungen umfassend dokumentiert und gleichzeitig Schutzgüter wie Siedlungsgebiete, Nationalparks oder wasserwirtschaftliche Vorrangzonen berücksichtigt. Eine diesbezügliche Regelung wurde notwendig, weil das Thema Rohstoffe zunehmend zu einer Polarisierung zwischen ökonomischen Ansprüchen und der in Umweltfragen immer stärker sensibilisierten Bevölkerung führte. Das Ziel war ein breiter Konsens von Bund, Ländern und den in diesem Bereich tätigen Unternehmen im Sinne einer »konfliktarmen« Rohstoffsicherung für die nachfolgenden Generationen.

Die Arbeiten zum Österreichischen Rohstoffplan erfolgten ab 2002 in zwei Phasen und konnten im Juni 2010 abgeschlossen werden. Der Prozess wurde von der Europäischen Kommission mit großem Interesse verfolgt und in der 2008 veröffentlichten Erklärung »Raw Materials Initiative« als Best-Practice-Methode zur raumordnerischen Rohstoffsicherung angeführt. Doch es wäre nicht Österreich, würde die Umsetzung nicht durch föderalistische Mechanismen gebremst: Eine Implementierung des Rohstoffplans in die Raumordnung erfolgte bisher nur in Vorarlberg, Tirol und im Burgenland. Insbesondere Projekte, die straßenbauliche Maßnahmen und somit dauerhafte Lösungen erfordern, verlaufen deshalb nach wie vor nicht immer so konfliktfrei, wie es die Intention vorsah.

Modernisierungsschub

Ein Grundprinzip des Rohstoffplans ist die dezentrale Versorgung mit Rohstoffen. Durch kurze Transportwege werden Umweltbelastung und Kosten in Grenzen gehalten, zudem bleibt die Wertschöpfung in der Region. Ein kleiner Steinbruch in den Bergen kann für die Entwicklung ebenso bedeutend sein wie eine große Abbaustätte im Vorland.

Neben Quarz, der in vielen Industriebereichen unverzichtbar ist, gewann Sand zunehmend an Aufmerksamkeit. So rückte beispielsweise auch das Rohstoffpotenzial von Kiessanden, die rund 10.000 Wildbäche in Österreich jährlich vom Gebirge ins Tal schwemmen, in den Fokus der Forscher und Unternehmen.

Foto: Mark Rachovides, Präsident Euromines, hält eine grundlegende Änderung der Geschäftsmodelle für unumgänglich: »Der Markt bestimmt, was wir zu tun haben.«

Die traditionellen Methoden und Techniken der Geo-logie wie geochemische und geophysikalische Untersuchungen erlebten in den letzten Jahren durch den Einzug der Digitalisierung einen neuerlichen Modernisierungsschub. Hochpräzise neue Instrumente sowie analytische Methoden im Nano- und Mikromaßstab haben die Geowissenschaften geradezu revolutioniert. Mithilfe eines Massenspektrometers wird etwa die Element- und Isotopenzusammensetzung von Materialien analysiert. Mit Synchrotronstrahlung macht man sich Röntgenstrahlen zunutze, um vor Ort mit Handgeräten möglichst rasch die Konglomerate von Böden, Gesteinen, Mineralen und Metallen bestimmen zu können. Eingebaut in Drohnen, Flugzeuge oder Satelliten sind flächendeckende Untersuchungen möglich. Sensoren wie Multi- oder Hyperspektralkameras dienen zur Erfassung von atmosphärischen Spurengasen, der Auffindung von Lagerstätten und Bestimmung von Gesteinstypen.

Am Scheideweg

Bergbau und Industrie befinden sich heute an einem Scheideweg und müssen sich von traditionellen Arbeitsweisen verabschieden. Männer mit rußgeschwärzten Gesichtern, die mit einer Hacke über der Schulter in dunkle Schächte einfahren – dieses Bild gehört wohl der Vergangenheit an. Abbaustätten werden fast menschenleer. Die wenigen verbliebenen Mitarbeiter sitzen in Steuerungskabinen, ohne direkten Blick auf die eigentliche Produktionsanlage. Roboter und selbstfahrende Grubenbahnen, die den gefährlichen Rohstoffabbau übernehmen, sind zum Teil schon Wirklichkeit: Beim australischen Bergbaukonzern Roy Hill überwacht ein Kontrollzentrum vom Hauptsitz in Perth aus weit entfernt gelegene Bergwerke. Wichtige Parameter wie der Produktionsausstoß sowie Aufzeichnungen über Vibrationen, Licht- und Temperaturmessungen werden in Echtzeit analysiert, so kann das Unternehmen bei Problemen sofort Maßnahmen ergreifen und negative Auswirkungen minimieren.

Ähnliche Sensoren sind für Raupenfahrzeuge, Lkw oder Maschinen denkbar. Das Personal wird via App alarmiert und kann die nötigen Ersatzteile unmittelbar anfordern.
Die gesamte Branche müsse jedoch ihre Geschäftsmodelle grundlegend ändern, sagt Mark Rachovides, Präsident des Branchenverbandes Euromines. Das Prinzip »mine-to-mill« – von der Rohstoffförderung zur Aufbereitung – sei überholt: »Künftig geht es um market-to-mine. Der Markt bestimmt, was wir zu tun haben.« Die Digitalisierung umfasst die gesamte Wertschöpfungskette und bezieht alle Akteure mit ein – von den Lieferanten über die Kunden bis hin zu den Mitarbeitern und Maschinen.

Foto: Geologin Maria Heinrich legte mit ihrer umfassenden Erhebung der Baurohstoffe die Grundlage für den Österreichischen Rohstoffplan.

Der Einkauf erfolgt beispielsweise auf Plattformen, wie Christoph Berendt, Executive Vice President für Industry & Custom Development bei SAP, im Rahmen der International SAP Conference of Mining and Metals im Juli 2016 erläuterte: »In vielen Branchen hat man keine festen Lieferanten und keine festen Lieferverträge mehr. Man steigt auf Netzwerke um, bei denen es sich um große Marktplätze handelt.« Informationen von Herstellern, Dienstleistern und Anlagenbetreibern treffen auf einer cloudbasierten Plattform zusammen und machen vorausschauendes Wirtschaften möglich. Digitale Prozesse werden auch von Kunden zunehmend erwartet. Sie wollen vom Auftragseingang bis zur Bezahlung in elektronischer Form kommunizieren und jederzeit in die Logistikkette Einblick nehmen können.

Auch bei der Imerys Talc Austria GmbH, die in der Steiermark an zwei Standorten Talk und Leukophylllit abbaut und aufbereitet, werden bereits 40 % der Aufträge weitgehend automatisiert, ohne Mitarbeiter, abgewickelt. Der Kunde platziert seinen Auftrag im Softwaresystem des Unternehmens, dieser wird verifiziert und ausgeführt. Gleichzeitig ergeht eine Nachricht an den Logistiker, der pünktlich einen Lkw bereitstellt; die Beladung erfolgt automatisch. Künftig sollen 80 % der Aufträge auf diese Weise erledigen werden. Völlig auf Personal kann man jedoch nicht: Der Mensch wird auch in Zukunft noch da sein. Aber es wird sich ändern, was er tut. Er wird immer noch die Verantwortung dafür haben, was geschieht.

Unverzichtbares Gut

Wilfried Eichlseder, Rektor der Montanuniversität Leoben, sieht in der Digitalisierung nicht nur einen Treiber für die Optimierung betrieblicher Abläufe, sondern auch um »die Zuverlässigkeit und Sicherheit von Anlagen und Bergbaubetrieben zu erhöhen«. Smarte Prozesse helfen zudem Energie und Rohstoffe einzusparen und damit einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.
Jeder Einzelne von uns braucht jährlich eine ganze Lkw-Ladung – rund zwölf Tonnen – an mineralischen Rohstoffen. Sie kommen nicht nur beim Wohn- und Straßenbau zum Einsatz, sondern finden sich in vielen Alltagsprodukten wie Glas, Papier, Handys und Kosmetika. Auch für Rad- und Spazierwege, Kinderspielplätze und Sportanlagen wie beispielsweise Beach-Volleyball-Plätze, für die ein besonders hochwertiger Sand notwendig ist, wären ohne mineralische Rohstoffe nicht möglich.

90 % der gewonnenen mineralischen Rohstoffe fließen jedoch in die Bauwirtschaft und Infrastruktur. Mit einem Verbrauch von rund 110 Millionen Tonnen pro Jahr sind Baurohstoffe gemeinsam mit Industriemineralen jene Rohstoffgruppen mit dem höchsten Bedarf in Österreich. Sand, Kies, Ton und Natursteine werden für den Straßen- und Kanalbau sowie für die Errichtung von Wohn- bzw. Industriebauten verwendet. In einem Einfamilienhaus stecken rund 450 Tonnen mineralische Rohstoffe, in einer 80 m² großen Wohnung immerhin 100 Tonnen. Für einen Autobahnkilometer sind 160.000 Tonnen mineralische Rohstoffe erforderlich. Obwohl die Verfügbarkeit derzeit als unproblematisch eingestuft wird, wird der Zugang zu diesen Rohstoffen zunehmend zu einem Standort- und Wettbewerbsfaktor. Bei Distanzen über 30 Kilometer überschreiten die Transportkosten die Gestehungskosten des Rohstoffs – abgesehen von den CO2-Emissionen sind Baurohstoffe schon aus wirtschaftlichen Gründen nur räumlich eingeschränkt handelsfähig.

Statistisch gesehen befindet sich in jeder zweiten österreichischen Gemeinde eine aktive Abbaustätte. Die 950 Sand- und Kiesgruben und ca. 250 Steinbrüche sowie die angeschlossenen weiterverarbeitenden Betriebe sind vor allem in wirtschaftlich schwachen Regionen wichtige Arbeitgeber. Wie sich die Verknappung mineralischer Rohstoffe auf die Volkswirtschaft auswirken wird, ist bereits Gegenstand mehrerer Berechnungsmodelle. Diese Analysen können jedoch wie die Umweltproblematik nicht entkoppelt von geopolitischen Entwicklungen betrachtet werden: Die sichere Versorgung mit Rohstoffen ist somit eine strategische Zukunftsfrage, der sich ganz Europa, wenn nicht die ganze Welt stellen muss.

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