Sonntag, Mai 12, 2024

Im Interview mit Report(+)PLUS spricht der Nationalrat und Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Bau-Holz, Josef Muchitsch, über die »Spätgeburt Wohnbau-offensive«, er wehrt sich gegen Diskriminierungsvorwürfe aus dem Ausland und verrät, was er von den Ergebnissen der Finanzausgleichsverhandlungen hält.

(+) plus: 2015 war für die heimische Bauwirtschaft kein gutes Jahr. Wie ist das Baujahr 2016 gelaufen?

Josef Muchitsch: 2016 war ein wesentlich besseres Jahr als 2015. Das zeigen sowohl Statistiken als auch Umfragen zur Stimmung bei den Unternehmen. Die Bauarbeitslosigkeit konnte in allen Monatsberichten um bis zu zehn Prozent gesenkt werden, während die Arbeitslosigkeit in Gesamtösterreich leicht gestiegen ist. Wir hatten gegenüber 2015 durchschnittlich drei Prozent mehr Beschäftigte als 2015. Damit sind wir absolut positiv gegen den Trend gerudert. Das zeigt, dass viele Maßnahmen, welche die Bau-Sozialpartner der Politik schmackhaft gemacht haben, richtig waren und entsprechend gegriffen haben.

(+) plus: Vor einem Jahr wurden im Parlament kurz vor Weihnachten wichtige Weichen gestellt, wie etwa die beschlossene Wohnbauoffensive oder die Vergaberechtsnovelle, von denen man sich viel erhofft hat. Gerade von der Wohnbauoffensive ist aktuell aber noch wenig zu spüren. Wie bewerten Sie die Umsetzung des Parlamentsbeschlusses?

Muchitsch: Bei der Wohnbauoffensive steuern wir offenbar einer Spätgeburt entgegen. Sowohl vonseiten der Bau-Sozialpartner als auch seitens des Gesetzgebers wurden alle nötigen Schritte unternommen, um die neue Wohnbaubank mit zusätzlichen Geldern aufzustellen. Die Umsetzung unter Berücksichtigung der Finanzmarktaufsicht und der EU ist schwierig, das war uns allen bewusst. Was leider immer noch fehlt, ist das grüne Licht des Finanzminis­teriums für die Haftungen in Richtung Brüssel. Sobald das da ist, kann gestartet werden.

(+) plus: Wann, denken Sie, wird es so weit sein?

Muchitsch: Das wurde ich schon sehr oft gefragt. Aber bei der Wohnbaubank traue ich mir keine Zeitangabe mehr zu nennen. Das wäre reine Spekulation. Es ist aber alles fertig, alle Hausaufgaben wurden gemacht. Das ist wie bei der Übergabe eines Autos: Der Schlüssel steckt, man muss nur noch starten.

(+) plus: Wie wirkt sich die Vergaberechtsnovelle auf die Baubranche aus?

Muchitsch: Sehr positiv, weil es in vielen Bereichen zu einem Umdenken gekommen ist. Es zeigt sich, dass man mithilfe eines Gesetzes lenken und steuern kann. Aber man muss auch zugeben, dass das Thema noch nicht überall angekommen ist. Da braucht es sicher noch weitere Überzeugungsarbeit. Aber gemeinsam mit weiteren Maßnahmen wie dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz wird es uns gelingen, noch mehr unterpreisige und illegale Anbieter vom Markt fernzuhalten.

Mit dem seit 1. Jänner 2017 gültigen neuen Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz, das zusätzlich zur Auftraggeberhaftung auch für Private auch stärkere Kontrollen und härtere Strafen vorsieht, ist es sogar schon gelungen, erste Strafen zu verhängen.

(+) plus: Aus dem benachbarten Ausland gibt es an dem Gesetz harte Kritik bis hin zum Diskriminierungsvorwurf. Wird das Gesetz auch vor Brüssel halten?

Muchitsch: Die Kritik aus Slowenien zeigt, dass es tatsächlich diese illegalen Machenschaften gibt. Würden sie legal anbieten, müssten sie jetzt nicht aufschreien.

(+) plus: Die Kritik zielt aber auch darauf ab, dass fast ausschließlich ausländische Unternehmen kontrolliert werden.

Muchitsch: Wenn man weiß, dass es bei vier von zehn ausländischen Unternehmen zu Unterentlohnung kommt, bin ich gespannt, wie Brüssel reagieren wird. Ich kenne umgekehrt kein österreichisches Unternehmen, das Einspruch erhebt, weil Österreicher in Bayern eine Woche vor Arbeitsbeginn gemeldet werden müssen.

(+) plus: Gerade was das Bestbieterprinzip anbelangt, war die Angst vor einer Flut an Einsprüchen groß. Zumindest bei der Asfinag hat sich diese Befürchtung nicht bestätigt. Wie erklären Sie sich das?

Muchitsch: Die Angst vor Einsprüchen wurde von jenen Kreisen geschürt, die von Anfang an gegen das Bestbieterprinzip waren. Aber wenn man das Bundesvergabegesetz richtig anwendet und die Ausschreibungen präzise formuliert werden, profitieren langfristig sowohl Bauherr, Auftragnehmer und Steuerzahler.  

Die Asfinag hat gezeigt, wie es geht. Und auch die Gemeinden haben sich dem neuen Bundesvergabegesetz geöffnet. Die Angst vor der steigenden Komplexität und dem fehlenden Know-how in Kleinstgemeinden war auch völlig unbegründet. Denn so oft gibt es Großprojekte mit einem Auftragswert von mehr als einer Million Euro in diesen Gemeinden ja nicht. Und wenn doch, dann wurde das dafür nötige Know-how schon jetzt zugekauft. Trotzdem haben wir einen eigenen Vergabeleitfaden speziell für Gemeinden bis 5.000 Einwohner entwickelt. 

(+) plus: Kurz vor diesem Jahreswechsel wurde im Parlament die von den Bau-Sozialpartner geforderte SOKO BAU beschlossen. Welche Befugnisse und Möglichkeiten wird diese SOKO haben?

Muchitsch: Die SOKO Bau wird alle Betriebe, die zur BUAK (Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse) zählen, durch mehr Personal stärker kontrollieren und dabei den Fokus auf zwei Bereiche legen: die ausländischen Unternehmen sowie alle Unternehmen mit Teilzeitbeschäftigten. Denn das sind zwei wesentliche Verursacher von unfairen Wettbewerb auf Österreichs Baustellen. Das Kontrollieren von Baustellen auf gut Glück wird damit ein Ende haben. Das ist ähnlich wie bei Radarkontrollen. Die werden auch dort durchgeführt, wo die Leute erfahrungsgemäß zu schnell fahren. 

(+) plus: Wie fair ist der Wettbewerb in Österreich

Muchitsch: Wir haben noch einen langen Weg vor uns, um das Ziel »saubere Baustelle 2020« zu erreichen. Wir sehen uns aber auch als Motor für andere Branchen, die ebenfalls von den Maßnahmen zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping profitieren. Weitere Schritte werden aber folgen müssen.

Deshalb ist 2017 für mich ein Jahr, in dem die Bau-Sozialpartnerschaft zeigen kann, was sie drauf hat. Es wird auch darum gehen, das Kontrollsystem für die Kontrollorgane zu erleichtern und den Bauleiter zu entlasten. Wir wollen eine papierlose Baustelle, wo auf einer »Arbeitscard Bau« alle relevanten Informationen gespeichert sind und die Zutrittskontrolle digital geregelt werden soll.  

(+) plus: Wie zufrieden sind Sie mit den Finanzausgleichsverhandlungen? Mit der immer wieder geforderten Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung ist es nichts geworden.

Muchitsch: Insgesamt bin ich zufrieden. Aber im Bereich der Wohnbauförderung bin ich schon skeptisch, ob die Länder ihre Zusagen so einhalten werden, wie es sich die Bundespolitik wünscht. Man muss aufpassen, dass die neue Wohnbaubank nicht dazu benutzt wird, dass sich die Wohnbaulandesräte zurücklehnen und sich von ihren Verpflichtungen entbunden sehen. Wenn wir mit der Wohnbauförderung auch in Zukunft leistbaren Wohnraum schaffen wollen, dann muss den Ländern diese Spielwiese entzogen werden.

(+) plus: Da ist jetzt aber genau das Gegenteil passiert.

Muchitsch: Das ist leider so. Wir werden uns das aber ansehen und ich bin fest überzeugt, man wird einsehen, dass die Verländerung der Wohnbauförderung ein Fehler ist, den man in Richtung einer Bundeswohn-bauförderung korrigieren muss.

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