Die Arbeitswelt wird digital, agil und kollaborativ. Ohne Mitarbeiter geht es aber auch künftig nicht – um diese zu gewinnen und im Unternehmen zu halten, muss das Personalmanagement moderner und professioneller agieren als bisher.
Ließen vor wenigen Jahren noch der demografische Wandel und zuletzt die Verfügbarkeit von Fachkräften die Köpfe der Personalverantwortlichen rauchen, hält inzwischen die technische und ökonomische Entwicklung die Unternehmen auf allen Ebenen auf Trab. Die Transformation zu einer Wissens- und Innovationsgesellschaft ist voll im Gange, damit verbunden werden Wissen und Kompetenz zu entscheidenden Wettbewerbsfaktoren auf dem Arbeitsmarkt. Globale und zunehmend instabile Märkte treiben den Innovations- und Kostendruck stetig voran. Individuell zugeschnittene Lösungen sind gefragt. Immer schneller, immer komplexer – für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bedeutet das immer höhere Anforderungen und Zeitdruck.
Gleichzeitig wird die Zusammensetzung der Belegschaften immer vielfältiger. Personen mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund und generationenspezifischer Sozialisation arbeiten Seite an Seite in interdisziplinären Teams, manchmal virtuell vernetzt. Für Führungskräfte in jeder Hinsicht eine anspruchsvolle Herausforderung, da qualifizierte Mitarbeiter heute in vielen Segmenten mehrere attraktive Optionen auf dem Arbeitsmarkt vorfinden und entsprechende Erwartungen artikulieren können. »Um Loyalität und Engagement nicht zu riskieren, sollten Arbeitgeber sicht- und erlebbare Entwicklungsmöglichkeiten anbieten, ordentlich vergüten und an der Managementqualität arbeiten. Wer heute nichts tut, schaut morgen seinen besten Mitarbeitern hinterher«, sagt Dieter Kern, Partner bei Mercer in Central Europe.
Während der Wettbewerb um Talente unvermindert anhält, ja sich sogar verschärft, beobachten die Mercer-Experten ein »Auseinanderfallen der Arbeitsmärkte«: Die Konkurrenz um Fachkräfte wächst, die Arbeitslosigkeit bleibt in vielen Ländern aber hoch.
Total digital
Doch auch die Arbeitswelt insgesamt gerät aus den Fugen. »Normale« Arbeitsverhältnisse mit fixen Arbeitszeiten und festen Arbeitsorten sind nicht mehr die Regel. Doch die anfänglich begrüßte Flexibilität zeigt in der Praxis so manche Tücken: Arbeitsrechtliche Fragen sind teilweise offen, Sicherheitsbedenken durchaus angebracht und das Vertrauen der Arbeitgeber in eigenverantwortlich tätige Mitarbeiter ist oft endenwollend. Während einige schon die Rückkehr in die Büros prophezeien, schreitet die Entwicklung von IT-Lösungen für sämtliche Arbeitsprozesse unermüdlich voran.
Bild oben: Oliver Bendig, CEO von Matrix42: »Schon bald werden wir alle mit intelligenten Super-Assistenten arbeiten.«
Der Arbeitsplatz heißt jetzt Workspace und verändert sich völlig im Zuge des digitalen Zeitalters. Die für den Arbeitskontext nötigen Unterlagen und Services wandern in die Cloud und sind immer und überall via Browser abrufbar. Der Workspace denkt aber auch mit und wird schon bald wissen, welche Apps, Daten und Dokumente für welche Aufgabe benötigt werden und welche persönlichen Vorlieben und Arbeitsweisen der jeweilige Mitarbeiter hat. Oliver Bendig, CEO von Matrix42, sieht selbst in der anfangs unterschätzten Spracherkennung enormes Potenzial: »Schon bald werden wir alle mit intelligenten Super-Assistenten arbeiten, die einen Teil unserer Mails erledigen, Kurzzusammenfassungen von umfangreichen Dokumenten anfertigen oder eigenständig Hotels buchen, wenn wir auf Dienstreise gehen. Treffe ich einen Geschäftspartner erstmalig, wird er mir ein Social Media-Profil von ihm erstellen und mich für das Meeting briefen.«
Roboter werden nicht mehr nur in Werkshallen anzutreffen sein, sondern könnten theoretisch sogar Führungsaufgaben übernehmen, auch wenn sich ihre Akzeptanz in Grenzen hält, wie Ruth Stock-Homburg, Professorin an der TU Darmstadt, in einer Studie zur Robotisierung von Büro- und Dienstleistungsberufen herausfand: »Es werden automatisch neue, eher konzeptionelle Jobs für unsere zukünftigen Generationen entstehen. Unternehmen sollten diese zukünftigen Jobs eruieren und bereits frühzeitig neue Berufsfelder schaffen, bevor sie unreflektiert Roboter einsetzen.«
Interessantes Detail am Rande: 21 % der rund 700 Befragten in den USA und Deutschland würden einem Roboter mehr vertrauen als einem menschlichen Kollegen – wegen geringerer Fehlerhäufigkeit, höherer Berechenbarkeit und Kontinuität im Verhalten. Fast zwei Drittel könnten sich vorstellen, repetitive Aufgaben wie Ablage, Terminbuchungen oder Boten- und Recherchedienste an einen Roboterassistenten zu delegieren.
In Bewegung bleiben
Vorerst bleibt noch der Mensch im Mittelpunkt: Agilität ist das aktuelle Top-Thema, das die HR-Abteilungen in den nächsten Jahren beschäftigen wird. Wie es geht, zeigen Unternehmen wie die Haufe-Gruppe oder die Audi AG. Der Autohersteller hat das Prinzip der permanenten Veränderung verinnerlicht und gibt den weltweit rund 84.000 Mitarbeitern bewusst Raum für Kreativität und Innovationen. Zusätzlich kooperiert der Konzern mit jungen, experimentierfreudigen Unternehmen aus der Gründerszene. Der Autokonzern mit dem früher recht angestaubten Image avancierte in Deutschland zu einem der attraktivsten Arbeitgeber für Absolventen.
Der Haufe-Verlag, durch mehrere Übernahmen zu einem Konzern für Management-Software, Fachliteratur und Führungskräftetrainings herangewachsen, pflegt im Sinne eines agilen Führungsverständnisses eine freie Projektkultur, in der sich vielfältige Formen der Zusammenarbeit immer wieder neu ergeben. Unter dem Mantel der Konzernmutter Haufe-Lexware finden unterschiedlichste Führungsstile ihren Platz: In der vor fünf Jahren zugekauften Schweizer IT-Schmiede Umantis wählen etwa die Mitarbeiter ihre Chefs selbst, Strategien werden gemeinsam erarbeitet, die Teams entscheiden über die Aufnahme neuer Kollegen.
Bild oben: Ruth Stock-Homburg (li.) erforscht an der TU Darmstadt die Akzeptanz von Robotern in der Arbeitswelt.
Für konservativ ausgerichtete Unternehmen mögen solche Strukturen radikal anmuten, an mehr Flexibilität im Denken und Führen kommen Unternehmen nicht vorbei. Die Dynamik der Wirtschaft verlangt es, wie ein Haufe-Mitarbeiter meint: »Es geht hier nicht darum, cool zu sein. Wie wir jeweils arbeiten, schreibt uns der Markt vor.«
Agiles Arbeiten erfordert schon allein der fortschreitende digitale Wandel, HR sollte dafür die Rahmenbedingungen schaffen. Doch wie der deutsche »Transformationswerk Report« – eine groß angelegte, branchenübergreifende Studie zur Digitalisierung – aufzeigt, schneiden gerade die Personalabteilungen hinsichtlich digitaler Kompetenz, Kommunikation und des Digitalisierungsgrades ihrer Arbeitsprozesse gegenüber allen anderen Unternehmensbereichen am schwächsten ab.
»Es gibt keine Patentlösungen für die digitale Transformation. Daher sind übergreifendes Lernen, mehr Vernetzung und bessere Kommunikation nach innen entscheidend«, erklärt Studienautor Ingo Stoll, Geschäftsführer der Kommunikationsagentur Neuwaerts: »Vor dem Hintergrund des massiven Qualifizierungsbedarfs muss vor allem im Personalbereich dringend umgedacht und aufgeholt werden.« Der Erfolg eines Unternehmens wird künftig davon abhängen, ob es fähig ist, Mitarbeiter unterschiedlichen Geschlechts, Alters oder Herkunft zu gewinnen und langfristig zu binden. »Seitens der Personalverantwortlichen werden Anstrengungen notwendig sein«, meint Mercer-Partner Kern: »Dies bedeutet ein modernes Recruiting, das im Sinne von Kandidatenerwartung, Technologie und Auswahlverfahren auf der Höhe der Zeit ist. Es geht weiter um professionelle HR-Werkzeuge und intelligente Datenverwertung. Und nicht zuletzt geht es um Managementfähigkeiten.«