Bergsteiger sind hochmotivierte Menschen. Ohne Auftrag von außen, ohne dafür bezahlt zu werden und trotz aller Strapazen steigen sie auf die höchsten Berge. Sie tun das, weil sie intrinsisch motiviert sind. Sie haben sich selbst gesagt: »Ich will das«. Ein Gastkommentar von Herbert Strobl.
Der konkrete Beweggrund dieses Verhaltens, das Motiv, ist jedoch bei jedem ganz unterschiedlich. Können Sie jemanden zum Bergsteigen motivieren? Nein! Dazu sind Menschen zu unterschiedlich. Sie können in einem Unternehmen zwar »bergsteigen« anordnen, auch mit Sanktionen drohen, aber die Anzahl der Gipfelsiege wird so wohl eher spärlich ausfallen.
Mitarbeiter kommen in ein Unternehmen, weil sie sagen »Ich will«. Sie bleiben dann wegen der Aufgabe. Und sie gehen laut Statistik vor allem wegen ihres unmittelbaren Chefs. Dazwischen liegt ein kürzerer oder längerer Weg, aber in sehr vielen Fällen ist er jedenfalls ziemlich steinig. Erstaunlicherweise hält sich hartnäckig der Mythos, dass es eine Kernaufgabe des Managements ist, Mitarbeiter motivieren zu müssen. Dazu gehen Manager selbst auf Motivationstrainings und machen es dann wie die Löwen: Erst brüllen sie ganz laut, um sich nach kurzer Zeit wieder hinzulegen, wenn sie merken, dass die erlernten Techniken doch nicht so greifen wie erhofft. Es gibt keinen präzisen wissenschaftlichen Nachweis, was Mitarbeiter langfristig motiviert. Auch Geld ist dabei nur ein Hygienefaktor, der vor allem über Unzufriedenheit, nicht aber über Zufriedenheit entscheidet. »Wer mit Geld motiviert, hat kein besseres Argument«, heißt es. Dementsprechend kurzfristig ist seine Wirkung (das gilt auch für die wieder stark zunehmenden prekären Arbeitsverhältnisse, die bar jeder Form von Loyalität sind).
Dabei wäre es doch so viel einfacher sich dem Thema Motivation zu nähern: Leader vermeiden es, Menschen zu de-motivieren. Das ist schon mal eine sehr gute Basis für Leistungsbereitschaft und Erfolg. Auch wenn wir nicht wissen können, was Motivation jeweils für den Einzelnen bedeutet, so haben wir doch ein ziemlich klares Gespür dafür, was Menschen hinunterzieht und ihre Leistungsbereitschaft mindert, eben demotiviert. Employer-Branding, Retention-Programme, MbO-Systeme & Co helfen alles nichts, wenn es nicht gelingt, eine emotional tragfähige und loyale Beziehung zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten aufzubauen. Das umfasst beides – fördern, aber natürlich auch fordern – und ist weit jenseits jeder Art von Sozialromantik oder »Gutmenschentum« angesiedelt. Neben Klarheit geht es um Respekt, Anerkennung und Wertschätzung. Jeder Mitarbeiter, aber auch jeder Vorgesetzte will zuerst als Mensch wahrgenommen werden. »It is simple but not easy!«
Dieses Statement gilt nicht zuletzt auch deshalb, weil ich als Führungskraft zuerst einmal meine eigene Haltung und mein eigenes Menschenbild hinterfragen muss. Das erfordert Selbstreflexion und Mut, weil es vielleicht auch am eigenen Ego kratzen wird. Allerdings lockt auch reichlich Lohn: Wenn ich mir im Umgang mit anderen beispielsweise über die grundsätzliche Bedeutung von »Selbstwertgefühl« klar bin, werde ich mich anders verhalten, anders mit Mitarbeitern reden und andere Reaktionen hervorrufen können. Klarheit im Handeln, empathische Achtsamkeit und ehrlich gemeinte Anerkennung von Führungskräften sind schon ziemlich wirksame Kontraindikationen gegen Demotivation. Bezogen auf die Mühen der Ebene, meinte übrigens schon Shakespeare: »Lust verkürzt den Weg«.
Der Autor: Herbert Strobl ist Managementberater und Entwicklungsbegleiter mit Schwerpunkt auf Führung, Veränderung und Unternehmenskultur. Er verfügt über 20 Jahre Führungserfahrung in internationalen Konzernen und arbeitet seit vielen Jahren als systemischer Unternehmensberater.