Montag, Juli 22, 2024

Im Interview mit Report(+)PLUS spricht Staatssekretärin Muna Duzdar über die Gesamtstrategie für die Digitalisierung in Österreich, den Stellenwert der digitalen Bildung und geplante neue E-Government-Services.

(+) plus: Digitalisierung ist einer der großen Megatrends unserer Zeit. Wo steht Österreich im internationalen Vergleich?

Muna Duzdar: Die Digitalisierung ist längst bei uns angekommen und durchdringt alle Lebensbereiche. Sie durchdringt die Wirtschaft, also die Unternehmen selbst, aber auch die Arbeitswelt als solche, ebenso wie den privaten Bereich. Dass mit der Digitalisierung große Umwälzungen auf uns zukommen, steht außer Frage. Was allerdings in Frage steht, ist, wie wir mit dieser Herausforderung umgehen.

Wollen wir die Digitalisierung gestalten, positive Effekte verstärken und negative Effekte möglichst verringern, oder wollen wir warten und uns überrollen lassen? Ich stehe eindeutig für erste Variante. Österreich steht im Bereich der Digitalisierung nicht schlecht da und hat ganz gute Werte. Beim »Network Readiness Index« etwa liegt Österreich auf Platz 20 von 143 Ländern. Im »Digital Economy and Society Index« der Europäischen Kommission liegt Österreich derzeit auf Platz 12 innerhalb der 28 EU-Mitgliedstaaten. In beiden Bewertungen hat sich Österreich gegenüber dem Vorjahr verbessert. Natürlich wollen wir uns aber weiter verbessern.

(+) plus: Die Digitalisierung wird oft als Turbo für Wirtschaftswachstum gesehen, gleichzeitig fürchten viele eine Abwertung der menschlichen Arbeitskraft und den Verlust von Jobs. Was sind aus Ihrer Sicht die größten Chancen der Digitalisierung, was die größten Risiken und Gefahren?

Duzdar: Wie sich die Digitalisierung genau auswirkt, ist aus heutiger Sicht noch schwer zu beantworten. Klar ist aber, dass sich die Arbeitswelt massiv verändern wird. Aber nicht nur die Arbeitswelt, sondern die gesamte Gesellschaft. Nicht umsonst wird immer wieder von der vierten industriellen Revolution gesprochen. Studien gehen davon aus, dass Arbeitsplätze verlorengehen, gleichzeitig aber neue hinzukommen werden. Die meisten Arbeitsplätze werden jedoch nicht verloren gehen, sondern sich verändern.

Umso wichtiger ist, sich darauf einzustellen und die Veränderungen aktiv mitzugestalten, sowohl vonseiten der Wirtschaft als auch der Politik. Dabei gilt es auch, sich der veränderten Situation bei der Arbeitszeit und der Wertschöpfung zu stellen und diese zu diskutieren. Aber auch darum, möglichst alle Menschen an der Digitalisierung partizipieren zu lassen.

Immer noch haben in Österreich 15 Prozent der Bevölkerung keinen Zugang zum Internet. Das ist nicht nur eine Frage der Technik, sondern vielmehr der gesellschaftlichen Teilhabe und der Bildungsmöglichkeiten. Gleichzeitig müssen wir auch völlig neuen Formen der Arbeit im Blick behalten. Eine aktuelle Studie der Arbeiterkammer besagt, dass fast jeder fünfte in Österreich­ arbeitende Mensch mit Internetzugang sein Einkommen zumindest teilweise als Crowdworker verdient. Eine Arbeitsweise, die in den meisten Fällen zeitlich und örtlich unabhängig ausgeführt werden kann, für die es aber gleichzeitig derzeit noch keine rechtliche und soziale Absicherung gibt.

(+) plus: Wird die österreichische Aus- und Weiterbildungslandschaft den Anforderungen, die die Digitalisierung der Wirtschaft mit sich bringt, gerecht? Wo sehen Sie Nachholbedarf?

Duzdar: Mit den Veränderungen, die die Digitalisierung mit sich bringt, muss sich selbstverständlich auch die Aus- und Weiterbildungslandschaft in Österreich ändern. Es gibt bereits erste gute Ansätze, doch diese müssen noch vertieft werden. Ich stehe hier mit der Bildungsministerin in enger Abstimmung. Die Digitale Bildung – sowohl das Wissen, wie ich Apps, Programme und Geräte bediene, und, genauso wichtig, Medienkompetenz und Datenkompetenz – ist der Schlüssel, um einerseits die Digitale Kluft zu schließen und an der Gesellschaft teilhaben zu können und andererseits, um die notwendigen Qualifikationen für das Berufsleben sicherzustellen.

(+) plus: Welche konkreten Schritte setzt die Politik, um die Digitalisierung der österreichischen Wirtschaft weiter voranzutreiben?

Duzdar: Es gibt eine Vielzahl von Initiativen in den verschiedenen Ressorts. Mit der »Digital Roadmap« soll nun auch erstmals eine Gesamtstrategie für die Digitalisierung in Österreich entstehen. Der im vergangenen Jahr gestartete Prozess beinhaltet bisher ein erstes Papier, das in den vergangenen Monaten von einer Vielzahl von Stakeholdern bewertet und mit Inputs erweitert wurde. Nun geht es darum, daraus konkrete Handlungsanleitungen zu formen. Erste Vorschläge dafür sollen Ende des Jahres vorliegen. Mit dem Start-up-Paket, das der Bundeskanzler vorgestellt hat, sollen in den nächsten Jahren 1.000 Neugründungen pro Jahr unterstützt werden. Als Staatssekretärin bin ich selbst für das Projekt At:net verantwortlich, bei dem Unternehmen dabei unterstützt werden, ein marktreifes digitales Produkt tatsächlich auch auf den Markt zu bringen.

(+) plus: Was konkret steht in dem ers­ten Papier zur »Digital Roadmap« drinnen? In welche Richtung soll es gehen?

Duzdar: Wie gesagt handelt es sich dabei  um eine Gesamtstrategie, die viele Bereiche umfasst. Das reicht von Bildung, Wirtschaft, Gesellschaft, Arbeit und Infrastruktur bis hin zu Forschung und Innovation, Medienpolitik, Sicherheit, Datenschutz, Politik und Verwaltung. Zentral für mich ist die digitale Bildung, aber auch der Zugang zum Internet als Element der Daseinsvorsorge. Zugang zum Internet bedeutet Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, hat aber auch einen volkswirtschaftlichen Effekt und ist ein wichtiger Standortfaktor.

Weiters sind die Regeln für die Digitalisierung entscheidend. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum und Fragen des Umganges miteinander, des Datenschutzes, der Sicherheit gehören neu bewertet. Wir brauchen auch Überlegungen für den Umgang mit Arbeit 4.0 und neuen Arbeitsformen wie sharing economy oder Crowd­working: Dabei dürfen wir Themen wie Arbeitnehmerschutz und die Fragen der
Steuergerechtigkeit nicht außer Acht lassen.

(+) plus: Gehen wir einen Schritt weiter: Wenn es die Strategie gibt, was soll dann passieren?

Duzdar: Dann geht es um die Umsetzung der Vorhaben. Aber gerade in diesem Bereich bleibt die Zeit ja nicht stehen. So wie wir als Bundeskanzleramt immer bemüht sind, die neuen Entwicklungen zum Beispiel im E-Government Bereich aufzunehmen, soll auch die Digitalstrategie zumindest einmal jährlich aktualisiert und an neue Entwicklungen angepasst werden.

(+) plus: Stichwort E-Government: Welche Services kann und wird die Verwaltung künftig anbieten, die das Wirtschaftsleben vereinfachen?

Duzdar:  Im E-Government-Bereich steht Österreich gut da. Das zeigt auch eine kürzlich veröffentlichte Studie, die Österreich, die Schweiz und Deutschland in diesem Bereich vergleicht. Fast überall schneidet Österreich hier gut ab. Aber wir wollen uns weiter verbessern. Konkret gibt es etwa bereits die Möglichkeit, digitale Signaturen für den Abschluss von Verträgen oder Aufträgen zu nutzen, ebenso wie sichere Zugänge für MitarbeiterInenn auf zentrale Systeme, um die Mobilität für MitarbeiterInnen, die ja gerade in dieser Branche entscheidend ist, zu verbessern.

Auf politischer Ebene versuchen wir derzeit, den Gründungsprozess durch elektronische Systeme zu vereinfachen, aber auch die Nutzung von Open Data zu forcieren, mit denen dann Unternehmen weiterarbeiten können.   

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