Freitag, Juli 19, 2024

Im Gespräch mit Report(+)PLUS spricht der langjährige S-Immo-Vorstand Ernst Vejdovszky über Paradigmenwechsel in der Immobilienwirtschaft, warum die Lage eines Objekts heute nicht mehr alles ist, die enorm gestiegene Bedeutung des Kapitalmarkts und welche »Branchengesetze« auch in Zukunft Bestand haben werden.

(+) plus: Der Report Verlag feiert heuer seinen 20. Geburtstag. Wie hat sich der österreichische Immobilienmarkt damals, kurz nach dem EU-Beitritt präsentiert?

Ernst Vejdovszky: 1996 war ein sehr tie­fer Punkt im Zyklus erreicht. Es gab Anfang der 90er-Jahre eine Euphorie aufgrund einer geplanten Weltausstellung, die die Preise enorm in die Höhe getrieben hat. Für diese Preisrallye gab es zwar überhaupt keinen rationalen Grund, aber Psychologie spielt offensichtlich eine sehr große Rolle. Nach der Absage der Weltausstellung gab es dann deutliche Rückgänge. In den Jahren ’96 und ’97 war man ziemlich am Tiefpunkt angelangt. Wer damals eingekauft hat, konnte nicht viel falsch machen.

(+) plus: Wie hat sich der Immobilienmarkt in diesen beiden Dekaden entwickelt? Was waren die wichtigsten Meilensteine?

Vejdovszky: Vor 20 Jahren wurden die ersten Gedanken in Richtung Internationalisierung gewälzt. Der Eiserne Vorhang ist zwar schon 1989 gefallen, man war aber in der Branche immer noch vorsichtig. Das ist auch absolut nachvollziehbar, denn ein Immobilieninvestment ist sehr kapitalintensiv. Das ist mit einem Dienstleistungs- oder Handelsbetrieb nicht vergleichbar. Die Immobilienbranche zählte da sicher nicht zu den Frontrunnern der Ostexpansion.

Die S Immo etwa hat 1999 das erste Ost-Investment gestartet, eine Büroentwicklung in Prag. Danach nahm die Internationalisierung aber so richtig Fahrt auf. Es folgten 2001 Investments in Ungarn, 2003 in der Slowakei und, für uns besonders wichtig, 2005 in Deutschland. Damit haben wir den Grundstein unserer Diversifizierungsstrategie gelegt, nicht alles auf den Osten zu setzen.

(+) plus: Inwieweit hat sich das Geschäft selbst in den 20 Jahren verändert?

Vejdovszky: Da gibt es eine ganz wesentliche Änderung. In den 90er-Jahren war die Beschäftigung mit Kapitalmarktthemen völlig untergeordnet. Es gab auch keine aufwendige oder strenge Regulierungen. Da hat sich einiges geändert. Teilweise positiv, teilweise aber auch völlig überzogen, wie das mit Regularien eben so der Fall ist. Heute muss man bei jedem einzelnen Wort dreimal überlegen, um keine Compliance- oder Kapitalmarktrichtlinien zu verletzen.

Es gibt aber noch eine weitere Entwicklung, die sehr positiv ist. In den 90er-Jahren wurde das Thema Korruption nicht sonderlich geahndet. Im Gegenteil, man konnte Bestechungsgelder als Betriebsausgaben sogar steuerlich absetzen. Da hat sich zum Glück einiges geändert, nicht nur in Österreich, sondern auch auf europäischer Ebene.

(+) plus: Lange Zeit hieß es in der Immobilienwirtschaft nur »Lage, Lage, Lage«. Haben sich die Entscheidungsgrundlagen für oder gegen ein Projekt verändert?

Vejdovszky: Es kam wie gesagt mit der Sicht auf den Kapitalmarkt eine ganz wesentliche Entscheidungsgrundlage hinzu. Es gibt nach wie vor die fundamentale Seite, nach der ich ein Projekt beurteile. Aber heute muss man in gewissen Umfang darauf Rücksicht nehmen, was der Kapitalmarkt will. Das bedeutet: Wenn ich eine gute Entscheidung treffe, die fundamental richtig ist, aber von Analysten und Investoren als nicht gut beurteilt wird, wird man am Kapitalmarkt sofort abgestraft und der Aktienkurs sinkt. Deshalb muss man, wenn man überleben will, Kompromisse eingehen.

(+) plus: Wie ist es der S Immo in den letzten zwei Dekaden gegangen?

Vejdovszky: Wir waren schon immer ein konservatives Unternehmen. Historisch betrachtet kommen wir aus der Sparkasse. Die sind im Normalfall nicht die Übermütigen (lacht). Deshalb setzen wir die Schritte bewusst auch später als andere Unternehmen. Wir sehen uns an, was die Kollegen machen, und wenn sich die eine blutige Nase holen, gehen wir einen anderen Weg. Das hat Vor- und Nachteile. Wir waren etwa nie in Russland, das ist jetzt natürlich ein Vorteil.

Auch der Aktienkurs hat sich sehr positiv entwickelt. Unser Kurs hat in den letzten Jahren sowohl den ATX als auch die Peer-Gruppe, den IATX, regelmäßig deutlich outperformt. Das ist auch das Ergebnis einer langfristig angelegten Strategie. Wir hatten nie das Problem häufig wechselnder Aktionäre.

(+) plus: Wir wollen natürlich nicht nur zurück, sondern auch nach vorne blicken. Wir wird sich die Branche verändern, was wird gleich bleiben?

Vejdovszky:  Was auf jeden Fall gleich bleiben wird, sind die Zyklen. Die wird es in der Immobilienbranche immer geben. Nach jedem Hoch geht es auch wieder runter. Die hatten in den letzten 80 Jahren immer eine Frequenz von etwa zehn Jahren. Wer glaubt, Immobilien wachsen in den Himmel, wird eines Besseren belehrt werden.

(+) plus: Sehen Sie einen ähnlichen Paradigmenwechsel, wie es etwa das Nachhhaltigkeitsthema war, auf die Branche zukommen?  

Vejdovszky: Einige Trends sind schon deutlich absehbar, etwa die Urbanisierung. Das bedeutet eine steigende Nachfrage nach Wohnraum in den Städten. Damit wird der Wohnraum teurer. Und das wiederum bedeutet, dass die durchschnittlichen Wohnungsgrößen abnehmen werden.

Ähnliche Tendenzen sehe ich auch im Gewerbebereich. Früher hatte man pro Mitarbeiter Büroflächen zwischen 20 und 25 Quadratmetern, wenn man heute nach London schaut, ist man bei zehn Quadratmetern. Dafür muss ich kein Hellseher sein, um zu erkennen, dass dieser Trend auch nach Österreich kommen wird. Es braucht nicht jeder ein eigenes Zimmer, wenn man nur zwei Tage pro Woche im Büro ist.  

(+) plus: In welche Richtung wird die S Immo gehen?

Vejdovszky: Man muss solche Trends antizipieren. Das bedeutet, wenn wir heute ein Wohnprojekt realisieren, wird es darin nur noch wenige 120-Quadratmeter-Wohnungen geben, sondern eher kleinere Einheiten. Und wenn wir ein Büroprojekt planen, wird das Thema Open Space sein.
Änderungen sind auch im Handel absehbar. Durch die Online-Konkurrenz geht auch da der Trend in Richtung kleinere Flächen. Und das Einkaufserlebnis steht immer mehr im Vordergrund. Auch wenn wir diese Trends natürlich antizipieren wollen, werden wir auch weiterhin kein Frontrunner sein. Da müssten wir uns unserer Sache schon sehr sicher sein.

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