Werner Knausz, Vorstand der Altstoff Recycling Austria AG (ARA), über den liberalisierten Markt in der getrennten Verpackungssammlung: Österreich setzt auf ein erfolgreiches System, das in Europa einzigartig ist.
(+) plus: Herr Knausz, seit eineinhalb Jahren gibt es in Österreich in der getrennten Müllsammlung im Haushaltsbereich Wettbewerb unter mehreren Systemanbietern. Welche Auswirkungen hat dies auf die Sammelquoten?
Werner Knausz: Mit 1. Jänner 2015 ist ein neues Marktsystem eingeführt worden, um den Wettbewerb im Haushaltsbereich zu fördern und für faire Bedingungen zwischen den Marktteilnehmern zu sorgen. Das ist unseres Erachtens nach auch gelungen. Trotz des Wettbewerbs konnten das Recyclingaufkommen in Österreich hoch und die Trittbrettfahrerquoten auf einem sehr niedrigen Niveau gehalten werden. Für die Konsumentinnen und Konsumenten hat sich am Sammelsystem nichts geändert. Bei allen großen Kategorien – Glas, Papier, Leichtverpackungen und Metallen – konnten die hohen Quoten der vergangenen Jahre erneut erreicht werden. Insgesamt wurden 2015 rund 1,06 Millionen Tonnen Verpackungen und Altpapier gesammelt. Dies entspricht in etwa dem Jahresergebnis 2014 und zeigt eine sehr konstante Entwicklung. Und es bestätigt, dass sich auch an der Bereitschaft der Konsumenten zur getrennten Sammlung nichts geändert hat.
(+) plus: Wie geht es einem ehemaligen Monopolisten wie der ARA in diesem Wettbewerb?
Knausz: Wir haben ein sehr bewegtes und aufregendes Jahr hinter uns. Für die ARA ist Wettbewerb aber nichts Neues, da wir im Bereich der Sammlung von gewerblichen Verpackungen seit 17 Jahren Mitbewerber am Markt haben. Es war von Anfang an klar, dass es bei einer Liberalisierung der Sammelsysteme im Haushaltsbereich zu Verschiebungen kommen wird. Die ARA hat, wie dies bei Wettbewerb naturgemäß so ist, in diesem Segment Marktanteile verloren. Doch haben wir uns sehr gut geschlagen. Bei den Leichtverpackungen hatten wir im Haushaltsbereich im vergangenen Jahr immer noch einen Marktanteil von 80 %, bei Glas waren es sogar 91,2 %, bei Papier 89,5 % und bei Metall 86,8 %. Wir sehen das als sehr gute Entwicklung sowohl in Marktanteilen als auch bei unseren Zuständigkeiten über die gesamten Sammelsysteme. Aktuell liegen wir immer noch bei über 80 %
Marktanteil im Durchschnitt über alle Packstoffe.
Erst im Wettbewerb zeigt sich, wie gut man wirklich ist. Anfang 2015 ist es uns ein bisschen wie Spitzensportlern gegangen: Wir hatten brav trainiert, gut gearbeitet, waren uns allerdings nicht ganz sicher, ob wir hier auch im offenen Markt Spitzenpositionen erreichen können. Jetzt, nach eineinhalb Jahren, können wir mit Sicherheit zu sagen: Wir bestehen im Wettbewerb.
(+) plus: Was war die größte Herausforderung in der Marktumstellung?
Knausz: Im Haushaltsbereich ist jetzt eine Aufteilung der gesammelten Mengen aliquot der Anteile aller Mitbewerber unter den Sammel- und Verwertungssystemen nötig. Bringt ein lokales Sammelunternehmen 1.000 Tonnen ein, so wurde bisher darüber einfach eine Rechnung an die ARA gestellt. Jetzt erhalten alle Systembetreiber abhängig von ihrer Marktgröße eine Rechnung – auch wenn sie vielleicht lediglich 1 % Marktanteil haben. Durch dieses neue Design mussten wir über 14.000 neue Kundenverträge abschließen. Wir haben hunderte neue Entsorger-, Sortierer-, Verwerter- und Gemeindeverträge für die Leistungserbringung abgeschlossen und setzen diese auch ordnungsgemäß um. Das hört sich jetzt an, als wäre dies ein Spaziergang gewesen – das war es nicht. Es war beinharte Knochenarbeit, die sich allerdings gelohnt hat: Der größte Teil unserer Kunden hat uns weiterhin das Vertrauen geschenkt.
Auch wir haben zum reibungslosen Funktionieren des neuen Marktes beigetragen, indem wir unsere IT-Systeme dem Mitbewerb geöffnet haben. Mit Condat.Invoice haben wir ein einfach zu bedienendes Computerprogramm für die Rechnungslegung entwickelt und stellen dieses allen Städten, Gemeinden und Abfallwirtschaftsverbänden kostenlos zur Verfügung. Statt plötzlich vier oder fünf verschiedene IT-Plattformen zu haben, können alle Leistungserbringer volkswirtschaftlich effizient eine gemeinsame, flächendeckende Verwaltungslösung nutzen. Damit sind wir klar in Richtung ARA 4.0 unterwegs.
(+) plus: Was ist am österreichischen Weg so besonders? Warum ist diese Marktöffnung so geglückt, wie Sie meinen?
Knausz: Die Lizenzmengen am Gesamtmarkt der Haushaltsverpackungen sind konstant und auch die stofflichen Qualitäten sind stabil geblieben – letztere konnten in Teilbereichen sogar gesteigert werden. Dies ist bei einer Marktöffnung nicht selbstverständlich. In Deutschland hatte man beispielsweise mit der Liberalisierung plötzlich fast die Hälfte der Unternehmen als Trittbrettfahrer. Nur jeder zweite Hersteller, Importeur oder Händler, der Verpackungen in den Verkehr brachte, hat seinen Beitrag für die Sammel- und Recyclingsysteme geleistet. Jene, die ordnungsgemäß ihre Mengen lizenzierten, zahlten für die schwarzen Schafe mit. In Österreich ist die Umstellung dagegen geglückt: Wir werden jene 10 % Trittbrettfahrer, die wir vor der Marktöffnung hatten, heuer sogar um rund einen halben Prozentpunkt reduzieren können. Das ist wichtig, denn Umweltschutz muss auch finanziert werden. Die Wirtschaftlichkeit der Verpackungssammlung muss sichergestellt sein.
Dazu können wir an dieser Stelle in großes Lob an das Umweltministerium aussprechen, das durch die Novelle 2013 des Abfallwirtschaftsgesetzes, die Novelle der Verpackungsverordnung 2014 und auch die beiden jüngsten Abgrenzungsverordnungen einen wirklich großen Wurf gemacht hat. Der neue Rechtsrahmen – das kann ich nicht oft genug betonen – beinhaltet einige wichtige Elemente, um die uns Europa beneidet. Dazu gehört erstens, dass keine weiteren Sammelinfrastrukturen aufgebaut werden. Wir haben bereits 1,7 Millionen Kübel in Österreich und es würde keinen Sinn haben, eine zweite Rieseninfrastruktur aufzustellen. Die Folge wären letztlich halbvolle Kübel am Tag der Entleerung.
Dann ist mit der im Vorjahr in Kraft getretenen Abgrenzungsverordnung nun wirklich klar getrennt, welche Verpackungen dem Haushaltsbereich und welche Mengen dem Gewerbe zugeordnet werden. Und drittens ist für weiterhin niedrige Trittbrettfahrerquoten die Möglichkeit der Prüfung durch die neu gegründete Verpackungskoordinierungsstelle ausschlaggebend. Österreich ist das einzige Land Europas, in dem die in den Markt gebrachten Mengen geprüft werden. Wenn Unternehmen, die Verpackungen in den Verkehr bringen, an einem fairen Mitbewerb zweifeln und zur Überzeugung gelangen, dass ihre Mitbewerber schummeln könnten, ist die Solidarität für ein gemeinsames Sammel- und Recyclingsystem enden wollend. Dem wird durch strenge Kontrollen von einer unabhängigen Stelle Abhilfe geleistet.
(+) plus: Wie sieht die Zukunft Ihres Geschäfts aus?
Knausz: Wir haben die vergangenen Jahre zur Vorbereitung auf die Marktveränderung und für eine strategische Neuausrichtung genützt. Wir setzen mehr denn je auf qualitativ hochwertige Serviceleistungen. Allein in den vergangenen drei Jahren haben wir hunderttausend Beratungen von Kunden über die Veränderungen in der Verpackungsentpflichtung durchgeführt. Des Weiteren haben wir durch Effizienzsteigerungen Kosteneinsparungen generiert. Dadurch konnten wir mehr als die Hälfte der Mehrkosten, die sich durch die Abgeltungsverordnung für unsere Kunden ergeben haben, kompensieren.
Und wir bieten unsere gesamte Leistungspalette in der Vertriebs- und Servicemarke ARAplus gebündelt an. ARAplus ist dabei der Partner für das gesamte Leistungsangebot der ARA Gruppe von der Beratung zur Entpflichtung von Verpackungen und Elektrogeräten im In- und Ausland über individuelle Entsorgungslösungen und der Unterstützung bei der Umsetzung des Energieeffizienzgesetzes bis hin zu IT-Dienstleistungen. Unser Ziel ist es, unseren Kunden durch unsere Serviceleistungen mehr Geld zu sparen, als diese kosten. Mit unserem Anspruch »Erkennen. Verstehen. Lösen« identifizieren wir die spezifischen Herausforderungen bei unseren Kunden, analysieren die Fakten, um Zusammenhänge zu verstehen, und finden schließlich die passenden Lösungen.