Das Personalmanagement steckt mitten im Wandel von einer administrativen Serviceabteilung zu einer strategischen Stabsstelle der Unternehmen. Die Herausforderungen werden nicht weniger.
Vielerorts ist in diesen Monaten von »Revolution« die Rede. Auch im Personalmanagement stehe eine solche bevor, heißt es. So überstrapaziert der Begriff schon ist, von der Hand zu weisen sind die erwarteten Umwälzungen nicht – in vielen Bereichen haben sie längst schon begonnen. Durch Digitalisierung und Industrie 4.0 entstehen neue Berufe, Routinetätigkeiten und reine Sachbearbeiterjobs verschwinden. Diversität und Globalisierung würfeln Menschen unterschiedlicher Altersgruppen, Herkunft und Vorkenntnisse für einzelne Projekte immer wieder neu zusammen. Oftmals sind sie nicht einmal am selben Ort tätig, sondern virtuell vernetzt. Dazu kommt ein signifikanter Wertwandel in der Gesellschaft: Für den Großteil der Beschäftigten zählen Zufriedenheit und ein positives Arbeitsklima mehr als das Gehalt.
Die Unternehmen sind an allen Ecken und Enden gefordert. Kaum ein Betrieb, der sich nicht als innovativ, flexibel und familienfreundlich präsentiert. Ist das Credo vom »Mitarbeiter als höchstes Gut« jedoch nur ein Lippenbekenntnis, spricht sich das in Zeiten von Social Media rascher herum, als dem sorgfältig gepflegten Image gut tut. Ein durchdachtes HR-Konzept liegt den Aktivitäten selten zugrunde. »Um auf die Herausforderungen zu reagieren, fehlt vielen Unternehmen der nötige Umbau zu einer nachhaltigen Personalstrategie. Die HR-Verantwortlichen der Zukunft sind mehr Change-Management-Experte und Personalentwickler als Serviceabteilung«, sagt Herwarth Brune, Geschäftsführer von Manpower Deutschland.
Breites Know-how
Mit den Aufgaben und Anforderungen ändert sich auch die Profession an sich. Waren im Personalwesen früher vornehmlich Juristinnen und Juristen tätig, weil die Hauptaufgaben im Aufsetzen der Arbeitsverträge und Abrechnungen bestanden, verfügen Personalmanager inzwischen über ein deutlich breiteres Know-how. »Man braucht heute Personalistinnen und Personalisten, die ausgeprägte betriebswirtschaftliche Kenntnisse haben, aber über das Zahlenverständnis hinaus unternehmerisches Denken, HR-Fachwissen und verhaltensorientierte Kompetenzen mitbringen«, erklärt Barbara Covarrubias Venegas, Forscherin und Lektorin am Institut für Personal & Organisation FH Wien der Wirtschaftskammer Wien. Seit 2014 leitet sie das von der Stadt Wien geförderte Projekt »HR-Rollen und HR-Kompetenzen im internationalen Vergleich«.
Nahmen noch vor wenigen Jahren administrative Tätigkeiten mehr als 70 % der Arbeit eines HR-Managers in Anspruch, sind es heute deutlich weniger. Auch KMU lagern klassische Aufgaben der Personalabteilung wie Bewerbungsmanagement, Personaldatenverwaltung, Lohnverrechnung und Zeiterfassung vermehrt aus oder wickeln diese Prozesse automatisiert über IT-Systeme ab. Die gewonnenen Zeitressourcen fließen in strategische Tätigkeiten.
Wenig Zeit für Führung
Bild oben: Barbara Covarrubias, FH Wien der WKW: »Das mittlere Management ist am stärksten gefordert.«
In einem zunehmend dynamischen, von technologischen Entwicklungen getriebenen Geschäftsumfeld muss das Personalmanagement den Blick nach vorne richten. Gut qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen und möglichst lange zu binden, wird für Unternehmen angesichts des Fachkräftemangels zum Wettbewerbsfaktor. Ohne systematische Personalentwicklung, die gezielt auf die Arbeitszufriedenheit und die persönlichen Belange der Beschäftigten eingeht, bleiben zudem viele Potenziale ungenutzt. Laut einer Manpower-Erhebung ließe sich der Anteil der Geringqualifizierten in den Betrieben durch Talenteförderung um bis zu 20 % senken. 12 % der erwerbstätigen Frauen möchten ihre Arbeitszeit ausdehnen – auch dafür braucht es individuelle Zeitmodelle und Unterstützung.
HR-Expertin Barbara Covarrubias sieht vor allem Führungskräfte der mittleren Managementebene gefordert: »Das sind die härtesten Positionen im Unternehmen. Von oben kommt unglaublich viel Druck durch neue Strategien, Konzepte und Einsparungen, gleichzeitig müssen sie gegenüber den Mitarbeitern als Vermittler auftreten. Für Personalentwicklung, Förderung und Mitarbeiterführung bleibt wenig Zeit.«
Verschobene Wertigkeiten
Zu beneiden sind HR-Manager tatsächlich nicht. Diversity und vielzitierter Generationen-Gap machen Führen zu einer Mammutaufgabe. Mehrere Generationen in einem Unternehmen gab es zwar früher auch, noch nie prallten aber so unterschiedliche Lebenseinstellungen aufeinander. »Die derzeitigen Führungskräfte kommen noch aus der ›alten Welt‹, in der man etwas leisten musste, bevor man fordern konnte. Sie stoßen auf junge Menschen, die erst sehen wollen, was ihnen geboten wird und dann entscheiden, ob sie zu Leistung bereit sind. Beide haben null Verständnis für die andere Seite«, erklärt Barbara Lindlbauer, Geschäftsführerin der Personalberatung Lindlpower. »Viele Junge sind einem sehr behüteten Umfeld aufgewachsen, das Elternhaus hat ihnen alles ermöglicht. Ich kenne 30-Jährige, die sich ganz selbstverständlich eine Putzfrau leisten und regelmäßig mit dem Taxi fahren.«
Bild oben: Herwarth Brune, Manpower Deutschland: »Vielen Unternehmen fehlt eine nachhaltige Personalstrategie.«
Für Covarrubias stehen die »Millennials« zu Unrecht in der Kritik, der »War for Talents« betreffe vorwiegend den IT-Bereich: »Ich sehe nicht, dass es alle Jungen so wahnsinnig leicht haben, einen Job zu finden. Im Gegenteil: Unternehmen wünschen sich Absolventen mit Master, 23 Jahre, ausgezeichnetem Studienerfolg, drei Fremdsprachen fließend plus zwei Jahren Auslandserfahrung. Und dafür gibt es ein Einstiegsgehalt von brutto 2.000 Euro mit All-in-Vertrag.« Dass sich die Wertigkeiten und Erwartungen an Arbeitgeber deutlich verschoben haben, sei evident. Der Wunsch nach mehr Gestaltungsmöglichkeiten im Job und Work-Life-Balance kommt inzwischen aber von Beschäftigten aller Altersgruppen. »Die Generation Y hatte schon in der Familie viel Mitspracherecht – egal ob es um die Urlaubsplanung oder die Ausbildung ging«, sagt die Forscherin. »Es gibt jetzt eine viel größere Bandbreite an Möglichkeiten. Ich kann meine Zukunft maßschneidern und erwarte mir das auch im Unternehmen. Diese starke Individualisierung zieht sich durch die ganze Gesellschaft.«
Personalentwickler müssen sich künftig auf Arbeitnehmer mit geringen Führungsambitionen einstellen. Karrierewege verlaufen nicht mehr ausschließlich nach oben und werden auch nicht unbedingt angestrebt. Im Zuge flacherer Hierarchien scheint eine horizontale Bewegung durch die Organisation mit wechselnden Aufgabengebieten vielfach attraktiver. An den Personalisten liegt es, entsprechende Weiterbildungs- und Entwicklungsangebote bereitzustellen und Strukturen zu schaffen, in denen die Mitarbeiter ihre Qualitäten entfalten können.
Impulsgeber für die Zukunft
Es mehren sich aber auch Stimmen, die dem Personalmanagement zwar nicht weniger Gewicht beimessen, aber eine Aufsplittung der Kompetenzen für möglich halten. »HR dezimierte sich in den letzten Jahren massiv. Wir werden in Zukunft nur noch bestimmte strategische Funktionen in der Personalarbeit haben«, sagt etwa der deutsche Leadership-Experte Jan Brecke. »Gefahr ist bereits im Verzug: Hinter vorgehaltener Hand wird u.a. darüber diskutiert, ob technische Themen – vergleiche Big Data – nicht besser im IT-Bereich anzusiedeln sind, Recruiting künftig in die Verantwortung der jeweiligen Fachbereiche verlagert wird oder Employer Branding in die Zuständigkeit der Unternehmenskommunikation fallen sollte«, meint auch der Business Coach Andreas Dotzauer.
Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) identifizierte Agilität als wichtigsten Treiber für alle Hierarchien und Abteilungen. Auch der HR-Bereich wird künftig eine proaktivere Haltung einnehmen müssen, um stärker als Impulsgeber für die geforderte kontinuierliche Veränderung zu wirken.