Sonntag, Juli 21, 2024

2015 war definitiv kein gutes Jahr für die österreichische Bauwirtschaft. Mit der kurz vor Weihnachten im Parlament beschlossenen Wohnbauoffensive und dem neuen Vergaberecht wurden allerdings wichtige Weichen gestellt, damit 2016 alles besser wird. Ihre Wurzeln haben beide Massnahmen in Initiativen der Bausozialpartner.

Das Jahr 2015 war für die heimische Bauwirtschaft ein durchaus ereignisreiches. Legistische Hürden wie das zu Beginn noch unausgereifte und damit zwangsläufig heftig umstrittene Energieeffizienzgesetz oder die Zurückhaltung nicht zuletzt der öffentlichen Hand bei Investitionen machten der Branche schwer zu schaffen. In den ersten drei Quartalen lagen die Investitionen der öffentlichen Hand laut Statistik Austria mit 5,0 Milliarden Euro um 5,5 Prozent unter jenen des Vorjahres. Die stärksten Rückgänge gab es in den Teilsparten »Bau von Bahnverkehrsstrecken« (-25,4%), »Tunnelbau« (-22,1%) sowie »Brücken- und Hochstraßenbau« (-20,2%).

Wie der aktuelle Branchenbericht der Bank Austria zeigt, blieb der Bauproduktionswert 2015 unter 41 Millionen Euro. Damit sank die Bauproduktion zum zweiten Mal in Folge nominell um ein Prozent. Bis Oktober verbuchte die Branche sogar noch ein nominelles Produktionsminus von durchschnittlich zwei Prozent, wie die bereits verfügbaren Daten zeigen. Doch in den letzten zwei Monaten des Vorjahres dürfte die Bautätigkeit noch zugelegt haben, nicht zuletzt auch aufgrund des baufreundlichen Wetters.

Die Baubeschäftigung ist laut Bank Austria das dritte Jahr in Folge gesunken, wobei im Jahresdurchschnitt knapp ein Prozent der Arbeitsplätze, vor allem in Baunebengewerben, abgebaut wurden. Im Bauhauptgewerbe ist die Beschäftigung laut Bundesinnung Bau derzeit stabil. »Baugewerbe und Bauindustrie verzeichneten im Jahresdurchschnitt wie im Jahr davor 77.100 Arbeiter«, erklärt Bundesinnungsmeister Hans Werner Frömmel. Allerdings ist durch das steigende Arbeitskräfteangebot die Zahl der Arbeitslosen im gesamten Bauwesen um 7,2 % gestiegen und lag im Jahresschnitt bei 37.500 Personen.

In Summe also ein Jahr zum Vergessen für die heimische Bauwirtschaft, möchte man meinen. Allerdings wurden im Jahr 2015 einige Weichen gestellt, die die Zukunft in ein deutlich rosigeres Licht tauchen. Nicht selten standen dafür Ideen der Bau-Sozialpartner Pate. Die kurz vor Weihnachten im Parlament beschlossenen Maßnahmen wie Wohnbauoffensive oder Bestbieterprinzip, die 2016 für eine Trendwende am Bau sorgen sollen, haben ihre Ursprünge in Initiativen von Gewerkschaft und Wirtschaftskammer.

Die Wohnbauoffensive

Seit der Nationalratswahl 2013, als plötzlich alle Parteien ihre Liebe zum Wohnbau entdeckten, geisterte durch die Republik die Ankündigung eines Wohnbaupakets, das die lahmende Konjunktur ankurbeln und den dringend benötigten leistbaren Wohnraum schaffen sollte. Die erste Zahlen gaben auch durchaus Anlass zu Hoffnung. Allerdings hatten die nicht lange Bestand. Aus 676 Millionen Euro wurden innerhalb weniger Monate 180 Millionen Euro. Dem nicht genug, waren die an die Auszahlung der Gelder geknüpften Konditionen so gestaltet, dass sie mit Ausnahme von Wien von keinem einzigen Bundesland erfüllt werden konnten oder wollten.

Kurzum, das im Wahlkampf versprochene Wohnbaupaket war das Papier nicht wert, auf dem es formuliert wurde. Doch anstatt zu lamentieren und sich selbst leid zu tun, wie Außenstehende das der Bauwirtschaft ja immer wieder gerne vorwerfen, machten sich die aus wesentlichen Playern der Bauwirtschaft, darunter u.a. die Bau-Sozialpartner, das Arbeitsforum österreichischer Bausparkassen, die Gemeinschaft Dämmstoff Industrie oder der Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen, bestehende Nachhaltigkeitsinitiative Umwelt+Bauen an die Arbeit und entwarf ein eigenes Modell einer Wohnbauoffensive. Unmittelbar vor Weihnachten 2014 wurde das Modell präsentiert, das ziemlich genau ein Jahr später praktisch im identen Wortlaut im Parlament beschlossen wurde.

Best Practice: Mit der Wiener Wohnbauinitiative hat Wohnbaustadtrat Michael Ludwig schon 2011 ein Programm ins Leben gerufen, das in seiner grundsätzlichen Ausrichtung der jetzt beschlossenen Wohnbauoffensive des Bundes als Vorbild diente.

Von der Finanzierung über die  Europäische Investitionsbank (EIB) über Haftungen des Bundes bis zur lange Zeit umstrittenen Gründung einer eigenen Wohnbaubank stand alles im Papier der Sozialpartner. 5,75 Milliarden Euro – davon 700 Millionen von der EIB, für die der Bund mit 500 Millionen haftet – sollen in den nächsten fünf bis sieben Jahren in den Wohnbau fließen, davon rund fünf Milliarden für 30.000 neue Wohnungen und 750 Millionen Euro für siedlungsbezogene Wohninfrastruktur. Damit sollen laut Prognose der Österreichischen Nationalbank bis zu 20.000 Arbeitsplätze geschaffen werden. Jetzt gilt es vor allem, sicherzustellen, dass mit diesen Geldern zusätzliche Wohnprojekte realisiert werden und nicht etwa findige Wohnbau- und Finanzlandesräte auf die Idee kommen, mit der Wohnbauoffensive geplante Projekte über die Wohnbauförderung zu substituieren und die Wohnbaufördergeldern anderweitig einzusetzen.

Als Vorbild für die Wohnbauoffensive diente die Stadt Wien. Dort hat Wohnbaustadtrat Michael Ludwig schon im Jahr 2011 die gute Bonität der Stadt in Verbindung mit einem niedrigen Zinsniveau genutzt, um zusätzlich zum geförderten und frei finanzierten Wohnbau eine weitere Säule des Wohnbaus zu installieren. Im Rahmen dieser Wohnbauinitiative wurden bereits 3.045 Wohnungen fertiggestellt, 1.874 befinden sich aktuell in Bau und 1.752 in Planung.

Neues Vergaberecht

Auch das neue Vergaberecht, das mit 1. März 2016 in Kraft treten wird, hat seine Wurzeln in der Sozialpartnerschaft. Mit der Initiative »Faire Vergaben« erfolgte im April 2014 der Startschuss für ein neues, faireres Vergaberecht. Es folgten Vorsprachen beim Bundeskanzleramt und der Landeshauptleutekonferenz sowie den großen öffentlichen Auftraggebern ÖBB und Asfinag. Ein Österreich-Katalog mit Vorschlägen für die Vergaberechts-Novelle wurde erstellt und eine parlamentarische Enquete mit allen Stakeholdern veranstaltet. Am letzten Plenartag vor Weihnachten wurde die Novelle zum Bundesvergabegesetz im Parlament beschlossen.

Neben dem verpflichtenden Bestbieterprinzip bei öffentlichen Aufträgen zielt die Novelle darauf ab, Scheinfirmen einen Riegel vorzuschieben, Transparenz bei der Subvergabe zu schaffen, eine höhere Qualität der Bauprojekte zu gewährleisten, Abgabenverlusten durch Lohn- und Sozialdumping zu verhindern und Auftragsverzögerungen zu vermeiden. Diesem Beschluss war ein regelrechter Verhandlungsmarathon vorangegangen. Vor allem die öffentlichen Auftraggeber äußerten immer wieder Bedenken, dass durch das Bestbieterprinzip sowohl Kosten als auch Komplexität steigen würden. »Was die öffentlichen Auftraggeber aber gerne verschweigen, sind Projekte, welche in der Vergangenheit nach den Billigstbieterprinzip vergeben wurden, bei denen nachträglich viele hundert Millionen Euro an Steuergeldern aufgrund von Nachforderungen und Qualitätsmängeln verschleudert wurden«, so die Bau-Sozialpartner Bundesinnungsmeister Hans-Werner Frömmel und Josef Muchitsch, Vorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz.

Dennoch legte das Land Tirol am 9. November im Verfassungsausschuss ein Veto ein. Zusätzlich sahen sich die Koalitionsparteien plötzlich weiterem Gegenwind, vornehmlich aus den eigenen Reihen, ausgesetzt. Neben dem Städtebund, der zum wiederholten Male Kritik am Bestbieterprinzip übte, sorgten vor allem die Bauern sowie die Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft vida für Unruhe. Beide wollten kurzfristig noch mit ins Boot. Wie mächtig die Agrarfraktion in der ÖVP immer noch ist, zeigt die Tatsache, dass das Bestbieterbieterprinzip in letzter Minute auch auf die Beschaffung von Lebensmitteln ausgedehnt wurde. Die vida war in ihrer Lobbying­arbeit nicht ganz so erfolgreich, allerdings arbeitet der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts bereits intensiv an der Umsetzung der neuen EU-Vergaberichtlinie, die auch eine Ausweitung des Bestbieterprinzips auf den öffentlichen Verkehr vorsieht.

Endgültig durch ist das neue Vergaberecht trotz dieses wichtigen Meilensteins aber noch nicht. Noch hat jedes einzelne Bundesland ein Vetorecht. Die Bau-Sozialpartner appellieren deshalb an die Ländern, auf ihr Einspruchsrecht zu verzichten, damit das neue Vergaberecht mit  1. März 2016 in Kraft treten kann.

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