Joe Biden mag dem von linken Parteikollegen favorisierten und ambitionierten »Green New Deal« eine Absage erteilt haben – seine avisierte Energiepolitik macht aber dennoch Hoffnung.
Auch wenn sich der soeben abgewählte US-Präsident Donald Trump mit dem Eingeständnis seiner Niederlage noch Zeit lässt, eins scheint sicher: Wenn er erst einmal das Oval Office geräumt hat, wird sich vieles ändern. Joe Biden mag als Zentrist und Konsenskandidat die Hürde ins Amt seinem Alter entsprechend nur mühselig genommen haben, doch bei der Bekämpfung der zentralen Herausforderung des 21. Jahrhunderts, der Abmilderung der bereits beginnenden Klimakatastrophe, wird entschlossenes Handeln signalisiert.
Seine erste Amtshandlung, so verkündete Biden, würde der Wiedereintritt in den von Trump aufgekündigten Pariser Klimavertrag sein. Das allein rettet allerdings noch nicht das Klima. Während des Vorwahlkampfs um die Nominierung hatte Biden besonders für ambitionierte Klimaretter am linken Rand der Demokraten für Enttäuschung gesorgt: Den von Gruppen um Bernie Sanders vorgeschlagenen und ausgearbeiteten »Green New Deal« wollte der Ex-Vizepräsident dann doch nicht mittragen; stattdessen sollte diesbezüglich der »Biden-Plan« greifen, mit weitaus weniger aggressiven Zielen und Maßnahmen.
Die ursprüngliche Forderungen und Eckpunkte dieses Plans haben sich allerdings in den Monaten vor der Wahl gewandelt – auch als Friedensangebot an progressivere Wähler. Ein Komitee mit dem Namen »Biden-Sanders-Unity Taskforce« hat einen Kompromiss ausgearbeitet, der sich sehen lassen kann. Statt wie zuvor geplant 1,7 Billionen Dollar über zehn Jahre in die Transformation der Wirtschaft hin zur CO2-Neutralität zu veranschlagen, sollen nun zwei Billionen in nur vier Jahren eine merkbare Wende herbeiführen. Die Rede ist nun sogar von einer »erdbebenartigen Veränderung« der US-Politik in Sachen Klimaschutz.
Paris in Reichweite?
Sowohl Bidens Plan als auch der Green New Deal betonen die Bedeutung von Arbeitsmarktpolitik: »Millionen von Jobs« sollen entstehen – durch die Transformation der Autoindustrie weg von Verbrennern, durch ambitionierte grüne Infrastrukturprojekte, durch die Sanierung von Millionen Gebäuden, durch nachhaltige Wohnbauprojekte und die Vorbereitung sensibler Infrastrukturen auf klimabedingte Veränderungen. Bis 2035 soll der US-Energiesektor CO2-neutral sein, bis 2050 soll das auf die gesamte Wirtschaft zutreffen.
Wenn Biden seinen Plan in die Tat umsetzen kann, bedeutet das einen bedeutsamen Schritt in die richtige Richtung, sind sich Klimaforscher einig. Bis zu 0,1°C Erderwärmung würden durch diese Maßnahmen der USA alleine abgewendet, berechnete der von der European Climate Foundation finanzierte Webdienst Climate Action Tracker. Zeit für raren und vorsichtigen Optimismus für Klimaforscher wie Bill Hare von Climate Analytics: »Vielleicht ist das ein historischer Wendepunkt. Zum ersten Mal scheint das 1,5-Grad-Ziel des Klimaabkommens wieder in Reichweite.«
Freuen darf man sich aber noch nicht. Noch sitzt Trump im Weißen Haus – und ob sich auch unter Präsident Biden der nach wie vor republikanisch dominierte US-Senat und der Oberste Gerichtshof zur Rettung des Planeten herablassen, ist noch ungewiss.