Die Energiebranche befindet sich in einem enormen Wandel. Die Rolle der Energiedienstleister ändert sich, Kooperationen wachsen, der Technologiewandel ist nicht mehr aufzuhalten. Innovative Finanzierungsmodelle wie Energie-Contracting sind die Wegbegleiter der Energietransformation.
Zunehmend mehr Haushalte und Betriebe erzeugen ihre eigene Energie, verteilen diese in ihrem Umfeld. Das Energiesystem wird immer komplexer, dezentrale Anlagen wie Wärmepumpen und Photovoltaikanlagen werden im industriellen Maßstab ebenso eingebunden wie im privaten. Damit ändert sich die Rolle der Energiedienstleister erheblich.
»Für Gebäude, Stadtviertel und Städte bedarf es heute ganzheitlicher und sektorenübergreifender Energiekonzepte«, betont Michaela Deutsch, Geschäftsbereichsleiterin Energiedienstleistungen bei Wien Energie. Das reiche bis hin zu Mobilität, Telekommunikation und intelligentem Energie-Monitoring. Um das leisten zu können, erfordert es Partnerschaften. »Heute werden Kooperationen eingegangen, an die wir vor zehn Jahren noch gar nicht gedacht haben.«
Bild oben: In der Energieversorgung gibt es keine Lösungen vom Reißbrett. »Je individueller und passgenauer wir arbeiten, desto effizienter und damit auch umweltfreundlicher ist das Gesamtergebnis. Bei einem aktuellen Projekt in Wohnbau setzen wir auf ein Wärmepumpen-Trio: Tiefenbohrung-, Luft- und Wasserwärmepumpe«, beschreibt Michaela Deutsch.
Michaela Deutsch nennt sie »Früchte des Muts« und bezieht sich dabei nicht nur auf den Gebäudesektor, sondern auch auf Forschung und Wissenschaft, Data Analysts und Stadtplanung. »Im Bereich der Sensorik und Kommunikation haben wir beispielsweise viel aus der Spielzeugindustrie gelernt«, betont sie, etwa bei Entwicklungen wie dem Einsatz von Augmented Reality, wenn etwas analog passiert und digital in Apps übersetzt wird.
Neugierde und Interesse sind der Schlüssel für sinnhafte Kooperationen, mehr Miteinander und weniger Abgrenzung werden das künftig auch fördern. In diesem Zusammenhang relevant ist für Walter Langer, Geschäftsführer von Langer Eco Solutions, die Sichtbarmachung gebäudetechnischer Schwachstellen. Dazu nennt er die Komponenten E-SPOT, ein Monitoring-System für den stationären Einbau, und M-SPOT, ein System für die mobile Nutzung.
Technologien & Finanzierungsmodelle
Die neue Rolle der Energiedienstleister ist eng verbunden mit der sich entwickelnden Technologiewende. Die Zukunft gehört zweifellos Wärmepumpen, aber auch die Wasserstofftechnologie mit ihrer hohen Energiedichte wird zunehmend relevant. »Cleen Energy sieht sich als Facilitator der Energiewende in Österreich und setzt dabei auf neueste Technologien«, informiert Lukas Scherzenlehner, CEO von Cleen Energy.
Bild oben: Die Wandlung von EE-Strom zu lagerfähigen Energieträgern erschließt riesige, bereits vorhandene Speichermöglichkeiten: Niedertemperatur-Wärmespeicher, Hochtemperatur-Wärmespeicher, Batterien, mechanische Speicher wie etwa Laufwasserkraftwerke, Wasserstoff und Syntheseprodukte.
Neben PV-Anlagen bietet das Haager Unternehmen Stromspeicher, E-Ladestationen, LED-Umrüstungen und seit kurzem durch eine Kooperation mit Ochsner auch Wärmepumpen. Dabei wird auf hocheffiziente Modelle gesetzt, wodurch bei Luft-Luft-Wärmepumpen Wirkungsgrade von 1:4 erreicht werden – aus der zugeführten Energie wird das Vierfache an Nutzwärme erzielt.
Weiteres Potenzial besteht laut Scherzenlehner insbesondere in der Integration der Wärmepumpe in das Energiegesamtsystem des Kunden und der Erhöhung der Intelligenz der Systeme. Wien Energie ermöglicht der Einsatz von Großwärmepumpen, vorhandenes Abwärmepotenzial zu nutzen und in das eigene Fernwärmenetz einzuspeisen. Auch in der dezentralen Anwendung, gerade im Wohnungsbau, sieht man einen Trend zu Wärmepumpenlösungen, da sie im Niedertemperaturbereich am effizientesten arbeiten.
Bild oben: »Durch hocheffiziente Modelle erreichen Luft-Luft-Wärmepumpen bereits Wirkungsgrade von 1:4«, informiert Lukas Scherzenlehner.
In der Wasserstofftechnologie steckt die Forschung laut Walter Langer noch in den Kinderschuhen. Er sieht beachtliches Potenzial, gibt aber zu bedenken: »Hinter Forschungsprojekten steht überwiegend die Großindustrie. Solange Bestehendes gewinnbringend ist, wird es keinen Wandel geben.« Schlüsselfaktor sei der Kunde, er muss Änderungen fordern – dann werde die Umstellung zum Beispiel auf die Wasserstofftechnologie Gestalt annehmen.
Damit verbunden ist ein deutlicher sozialer Wandel. Wenn die Technologie leistbar ist und die Selbstversorgung überhandnimmt, wird sich die Rolle der Energiedienstleister weiter ändern. Wien Energie erkennt diesen Wandel. »Wenn wir daran denken, wie komplex diese Anlagen sind, welche Kompetenz für den ordentlichen, sicheren und auch effizienten Betrieb dieser Anlagen notwendig ist, dann wird es hier Spezialisten brauchen, die das handeln können. Diese Rolle wollen wir einnehmen«, zeichnet Michaela Deutsch als Zukunftsbild. Gebäude und Stadtteile werden sich künftig vollkommen autark versorgen.
Hier komme das dritte »D« ins Spiel – die Demokratisierung der Energieversorgung. Ein gutes Beispiel dafür sind Erneuerbare Energiegemeinschaften. Ein Pilotprojekt von Wien Energie ist das Viertel Zwei in der Leopoldstadt in Wien, wo Bewohner zu Ökostrom-Produzenten werden, die den Strom in ihrem Grätzl nutzen und teilen.
KI-Hype
Was bereits Anwendung findet, ist der Einsatz künstlicher Intelligenz. KI ist für die erfolgreiche Transformation des künftig stark digital geprägten Energiesystems unerlässlich, betont der Energie- und Forschungssektor, beispielsweise bei der Steuerung von Stromnetzen und dem Zusammenwachsen der Energiesektoren Strom, Wärme und Verkehr. KI hat großes Potenzial, die Datenströme der Digitalisierung effektiv zu nutzen und so der zunehmenden Komplexität des Energiesystems gerecht zu werden. Gleichzeitig ist Künstliche Intelligenz eine Schlüsseltechnologie, um die Energieeffizienz der Industrie zu erhöhen.
Bild oben: »Mit Energieliefercontracting entlasten wir Kunden in allen Bereichen der Energieversorgung, damit sie sich auf ihr Kerngeschäft fokussieren können«, betont Peter Stieger, Engie Energie. Engie Energie bietet Wärmeliefer-, Kälteliefer- und PV-Contracting aus den unterschiedlichsten erneuerbaren Energiequellen. »Es stellt sich immer die Frage, worum es dem Kunden geht – um Ökologisierung, um Energieeinsparung, um Betriebskostensenkung.«
Peter Stieger, Geschäftsführer von Engie Energie, legt den Fokus auf lokalen Verbrauch. Mit KI lassen sich gute Prognosen erstellen, die Netzstabilität und Versorgungssicherheit in einem zunehmend regenerativ ausgerichteten Energiesystem ermöglichen. »Auch der Verbrauch lässt sich gestalten, integriertes Demand Side Management optimiert den lokalen Stromverbrauch«, hält Stieger fest.
Wien Energie erwähnt in diesem Zusammenhang die Anlagenwartung. Mit KI lassen sich Störfälle voraussagen, bevor sie eintreten. Über intelligente Fernwartung oder mithilfe digitaler Brillen können Einsätze effizient und ressourcenschonender abgewickelt werden.
Die Deutsche Energie-Agentur dena hebt in ihrer aktuellen Studie »Künstliche Intelligenz – vom Hype zur energiewirtschaftlichen Realität« hervor, dass wie in kaum einem anderen Industriesektor im Energiesektor Daten dominieren. Hinsichtlich der zunehmenden Komplexität des Energiesystems, die etwa durch die stärkere Dezentralisierung von Stakeholdern und Assets begründet ist, werden digitale Technologien der vierten industriellen Revolution, insbesondere KI und IoT, unerlässlich für eine resiliente, nachhaltige und erschwingliche globale Energieversorgung.
Diese permanente Weiterentwicklung in der Digitalisierung erfordert laut Wien Energie einen Wandel in der Kompetenzanforderung für die Mitarbeiter. Mittelfristig zeichnen sich laut Michaela Deutsch folgende Tendenzen ab: »Manuelle Routinetätigkeiten verlieren an Bedeutung, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit werden immer gefragter, und alles, was den Menschen von Robotern und Algorithmen abhebt.« Das bedeutet auch, dass Ressourcen für strategische Arbeit und für die Betreuung der KundInnen sowie Partnerschaften frei werden.