Dienstag, Juli 02, 2024

Erneuerbare Energie in Bürgerhand – ein Trend. Nicht nur in Österreich, das als Vorreiter bei Bürgerbeteiligung gilt.

Durch die großen Wasserkraftwerke war Österreich lange Zeit Stromexportland. Mittlerweile ist die eigene Energieproduktion nicht mehr ausreichend bzw. ökonomisch. 15 Prozent des Stromverbrauches werden importiert. Ein Ausweg ist die dezentrale regionale Produktion. »Die Struktur ändert sich von zentral, monolithisch, mit einer Handvoll Energieversorgern, die die komplette Infrastruktur dominieren, hin zur dezentralen Erzeugungsstruktur«, stellt Gudrun Senk, Bereichsleiterin für Regenerative Erzeugung bei Wien Energie, fest. Sie sieht Bürgerbeteiligung als Instrument, den Kunden mitzunehmen, ihm einen Mehrwert zu bieten und damit die Treue zum Unternehmen zu fördern.

Potenzial ist da, Markt aber noch klein

Kleinwindkraftanlagen ­erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. »Weltweit waren Ende letzten Jahres knapp 1 Mio. Kleinwindkraftanlagen installiert«, berichtet Kurt Leonhartsberger, FH Technikum Wien. Der potenzielle Energieertrag ist interessant für Bürgerbeteiligung. In Österreich fehlt dafür allerdings noch das Bewusstsein – realisiert wird Kleinwindkraft primär von Einzelpersonen, vor allem Landwirten. Anbieter für Kleinwindkraft sind unter anderen Schachner Kleinwind und Mischtechnik Hoffmann.

Die Abwicklung der administrativen Abläufe stellt die Unternehmen aber auch vor neue Herausforderungen. »Bürgerkraftwerke sind tendenziell der richtige Schritt, um dezentrale Energieversorgung zu unterstützen und von Großkraftwerken unabhängig zu werden«, erklärt auch Richard Petz von Unser Kraftwerk, einem großen heimischen Betreiber von Sonnenkraftwerken mit Bürgerbeteiligung. Derzeit finden sich diese vorwiegend in den Bereichen Photovoltaik und Wind. Bei Wasserkraftwerken ist Bürgerbeteiligung nicht stark ausgeprägt. Hier gibt es laut Wien Energie jedoch Gemeindebeteiligungen, die als lokale Eigentümer partizipieren und einen starken Multiplikator bilden.

Investitionsbereitschaft für Bürgerbeteiligungsprojekte

Laut der Studie »Erneuerbare Energien in Österreich 2015« von WU Wien, Deloitte und Wien Energie kann sich die Hälfte der Befragten vorstellen, bis zu einem Betrag von 1.000 Euro zu investieren. Hauptgründe für die Entscheidung sind die Förderung von erneuerbaren Energien, Umwelt- und Klimaschutz sowie die Unabhängigkeit von Energieimporten. Durch die Beteiligung an erneuerbaren Anlagen und dem daraus entstehenden Profit sind die Menschen auch eher bereit, den durch erneuerbare Energie verursachten Eingriff in die Landschaft, zum Beispiel durch Windräder, zu akzeptieren. Entscheidend für Bürgerbeteiligung sind laut Gudrun Senk auch die Wohnverhältnisse.

Mieter können nicht einfach eine PV-Anlage auf das Dach stellen. Durch Bürgerbeteiligung können sie aber an der Energiewende mitpartizipieren. Senk spricht hier von der Demokratisierung der Energiewelt. Bei PV-Anlagen rangiert das Beteiligungsmodell Sale-and-Lease Back an der Spitze. Der Betreiber errichtet eine PV-Anlage, verkauft die Module – die Bürger vermieten die Paneele wieder und erhalten dafür eine Vergütung. Daneben besteht die Möglichkeit zum Gutschein-Beteiligungskraftwerk, wie es Spar gemeinsam mit Wien Energie anbietet, aber auch Miteigentum, vor allem praktiziert bei Windkraft. W.E.B. Windenergie ist in Österreich das größte Bürgerbeteiligungs-Unternehmen, sie ist im Streubesitz von mittlerweile rund 3.600 Aktionären. Investments in die W.E.B sind aber auch in Form von Anleihen möglich.

Hoher Zuspruch

2012 startete Energie AG Oberösterreich mit PV-Bürgerkraftwerken. Mehr als 1.000 Kunden haben teilgenommen. Zehn dezentrale Anlagen, darunter in Timelkam, Wels und Großraming, mit einer Gesamtleistung von rund 1.100 Kilowatt sind heute in Betrieb. Weitere Bürgerkraftwerke sind aktuell nicht in Planung. »Wir konzentrieren uns derzeit auf Contracting-Anlagen in Zusammenarbeit mit Unternehmen«, betont Michael Frostel.

Seminare für Beteiligung an Kraftwerken

Für Interessierte an Bürgerkraftwerken bietet die Energie- und Umwelt­agentur NÖ (eNu) Seminare, in deren Rahmen Entscheidungskriterien besprochen und Tipps zur Umsetzung des Projekts gegeben werden. Expert­Innen informieren zu Technik, Förderungen, Recht und Öffentlichkeitsarbeit. Abgerundet werden die Seminare laut eNu-Geschäftsführer Herbert Greisberger, durch aktuelle Praxisbeispiele, zuletzt aus Obergrafendorf und Ternitz.

Bei Wien Energie sind mehr als 6.000 Personen an 25 Projekten mit insgesamt 27 Mio. Euro beteiligt. Als Laufzeit gilt die Lebenszeit der Anlage, mindestens 25 Jahre. Vorzeitiger Ausstieg ist möglich. Das ist aber laut Gudrun Senk aufgrund des attraktiven Modells erst in einzelnen Fällen vorgekommen. Noch heuer werden zwei Bürgersolarkraftwerke in Schwechat und Schwadorf errichtet. Die Bevölkerung von der Beteiligung zu überzeugen, ist nicht notwendig. Nach Eröffnung der Zeichnung sind die Anteile binnen kürzester Zeit vergeben. Senk bringt ein Beispiel: »Beim Windpark Pottendorf, den wir im Herbst 2015 in Betrieb genommen haben, waren die 5.000 Anteile an den zwei Windrädern innerhalb von vier beziehungsweise sieben Minuten weg.« Herausforderung sei nicht, Interessierte zu finden, sondern dafür zu sorgen, dass die Leitungen nicht zusammenbrechen. Auch bei Unser Kraftwerk hat Beteiligung Zukunft. »Wir haben Zusagen für weitere Kraftwerke, die wir heuer bauen, die meisten in der Steiermark«, berichtet Richard Petz.

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