Mittwoch, Juli 17, 2024
"Kann auf Dauer nur mit Transparenz funktionieren"

Oliver Krizek, Gründer und Eigentümer des IT-Systemhauses NAVAX über das Durchhalten in der Krise und welche neue Normalität auch mit Videokonferenzen in den Unternehmen Einzug gehalten hat.

Report: Wie geht es in der Corona-Krise den Kunden von NAVAX geschäftlich und auch Ihnen?

Krizek: Wir servicieren glücklicherweise Branchen, die auch in Krisenzeiten weiter investieren und vor allem ihre Kernapplikationen laufen lassen, beispielsweise Banken. In der Bauwirtschaft ist sogar eine gesteigerte Nachfrage in den nächsten Monaten zu erwarten. In diesem Sektor wird klassisch auch einer drohenden Rezession gegengesteuert. Doch auch wir haben Kunden in Branchen, die gerade ihre Aktivitäten reduziert haben. Produktionsfirmen haben ihre Leistungen teilweise eingestellt. Und inaktive Dienstleister konsumieren derzeit auch keine IT-Services.

Wir werden bis zum Ende des Jahres mit einem Liquiditätsabfluss rechnen müssen. Zu glauben, hier ohne Umsatzeinbußen herauszukommen, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt irreal.

Die große Frage ist, wie gut sich Unternehmen in der IT-Branche in den vergangenen Jahren finanziell aufgestellt haben, um jetzt in der Krise durchzuhalten. Ich kann das für NAVAX beantworten: Wir werden das zu hundert Prozent schaffen. Mein Ziel war immer, möglichst stabil über einen längeren Zeitraum durchzukommen, um Menschen Arbeitsplatz-Sicherheit zu geben – wir würden notfalls auch ein halbes Jahr ohne Auftrag durchkommen, ohne Bargeld-Zufluss von außen. Sowohl für unsere Kunden als auch für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gilt, ihnen Stabilität, Orientierung und Halt zu geben.

Ein geregeltes Arbeitsleben, so wie wir das vor der Krise hatten, wird es auch mit dem schrittweisen Aufheben der Maßnahmen und Reisbeschränkungen frühestens Mitte Oktober in Österreich geben können.

Report: Vielerorts werden Mitarbeiter jetzt über den Fernzugang mit Arbeit überhäuft, in der Meinung, sie würden zuhause sonst Däumchen drehen. Wie sollten Führungskräfte mit dem Kontrollverlust, der tatsächlich stattfindet, umgehen?

Oliver Krizek: Ein erster Schritt ist sicherlich, diese Situation so zu nehmen, wie sie ist. Bewusst positiv betrachtet, können Unternehmen über die Möglichkeit froh sein, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch bei Ausgangsbeschränkungen im Homeoffice weiterarbeiten zu lassen. Noch vor 20 Jahren hätte eine Corona-Krise auch die Wissensarbeiter arbeitslos gemacht. Es gilt nun einen Mittelweg zwischen der Arbeitsplatzqualität im Homeoffice und dem Kontrollzwang zu finden. Das gilt auch für effiziente Meetings per Videokonferenz, um einen Aspekt herauszugreifen.

Report: Videokonferenzen werden jetzt mitunter auch zu häufig eingesetzt. Was müsste hier beachtet werden?

Krizek: Meetings sollten noch besser als zuvor gründlich vorbereitet werden – mit einer Agenda, die auch während des Meetings sichtbar ist, mit einem festgesetzten Ziel und dem Einhalten der festgelegten Dauer. Bei unseren Meetings gibt es jeweils einen Verantwortlichen für diese Agenda, die mindestens zwei Stunden vor Beginn an alle Teilnehmer geschickt wird. Eine Person protokolliert und hält bei Regelmeetings die getroffenen Entscheidungen in einem „Planer“ fest – inklusive Punkte, die zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werden. Bei uns ist auch die Dauer von rund einer Stunde in den meisten Fällen ausreichend, da Meetings über Video wesentlich intensiver und inhaltlich dichter als reguläre, persönliche Treffen sind.

Und auf der menschlichen Ebene sollten wir alle auf die Heimarbeitsplatz-Situation der Meeting-Teilnehmer eingehen. Es ist ein Unterschied, ob man im Büro arbeitet oder gerade sein Frühstück zuhause beendet hat, sich um seine Kinder gekümmert hat und im nächsten Augenblick an einer Teambesprechung teilnimmt. Das Thema Homeoffice ist mittlerweile weniger einer Frage der Technologie, sondern der Emotion, Empathie, des Verständnisses und der Toleranz – aber auch des konsequenten Arbeitens. So etwas kann auf Dauer nur mit viel Transparenz funktionieren.

Report: Was heißt Transparenz innerhalb der Organisation?

Krizek: Etwa, indem Unternehmenszahlen innerhalb aller Abteilungen diskutiert werden. Wir wollen alle im Boot haben. Jeder soll wissen, wie es um das Unternehmen steht und was zu tun ist. Und das Zusammenrücken in der Krise muss auch vom Management gelebt werden.

Report: Wird diese Krise einen nachhaltigen Wandel bei den Themen Heimarbeitsplatz und Pendler bringen?

Krizek: Wir haben zwar vor wenigen Wochen einen Mietvertrag für zusätzliche Büroflächen unserer Zentrale am Wienerberg unterzeichnet – dennoch glaube ich, dass wir in Zukunft auch wieder weniger Flächen brauchen werden. Die verteilten Arbeitsorte und Remote-Desktops derzeit werden langfristig generell auf die Flexibilität der Arbeitsplätze Auswirkungen haben – auch wenn das nicht für alle Menschen gleichermaßen gelten wird. Für manche ist die Arbeitsplatz-Situation derzeit eine Qual. Wir werden trotzdem generell nach der Krise mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Homeoffice sehen. Ich erwarte generell für die IT-Branche eine Reduktion der Büroflächen um gut 20 bis 30 Prozent. Umgekehrt wird es vermutlich auch Veränderungen im Wohnraum der Beschäftigten geben – mit Bereichen, die für die Arbeit genutzt werden.
Natürlich wird sich auch der Handel verändern. Jene, die zuvor bereits Webshops hatten, haben jetzt bessere Chancen. Es ist zu hoffen, dass in einer künftigen nächsten Krise viele besser vorbereitet sein werden.

Report: Es gibt diesen Witz über die Durchschlagskraft auf C-Level in Unternehmen und welche Position die größten Veränderungen für die Flexibilität bewirkt hat: weder der CEO, noch der CTO, aber COVID-19.

Krizek: Das Bittere ist – das ist die Realität. Aber natürlich ist es einfacher, Veränderungen in schlechten Zeiten umzusetzen. Wir alle akzeptieren gerade sehr viel. Das kann auch politisch gefährlich werden. Man muss nur in unser Nachbarland Ungarn schauen.

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