Samstag, Dezember 21, 2024

Wegen der gedämpften Konjunkturprognosen halten viele Unternehmen Investitionen zurück. Auch der Ukraine-Konflikt trägt zur Verunsicherung bei. Peter Lennkh, Firmenkundenvorstand der Raiffeisen Bank International (RBI), rät zur Absicherung von Auslandsgeschäften und zum »fahren auf Sicht«.

(+) Plus: Karl Sevelda hatte dem Firmenkundengeschäft in den letzten Jahren seinen Stempel aufgedrückt. Setzen Sie neue Schwerpunkte?

Peter Lennkh: Im Wesentlichen möchte ich diese Strategie fortführen, weil es ein guter Weg für unsere Bank und für unsere Kunden ist. Karl Sevelda hat die RBI als DIE Kommerz- und Relationship-Bank in Österreich und CEE positioniert. Ich sehe gar keinen Grund, davon abzuweichen. Natürlich bringe ich meine persönliche Handschrift ein. In der Umsetzung und im Managementstil gibt es sicher Unterschiede zwischen uns.

(+) Plus: Welche Rolle spielt der Firmenkundenbereich im neu geordneten Raiffeisen-Konzern?

Lennkh: Das Firmenkundengeschäft ist unverändert das Rückgrat unserer Aktivitäten in der Raiffeisen-Gruppe. Es ist der stärkste Ertragsbringer und trägt und stützt die gesamte Organisation.

(+) Plus: Trägt der harte Sparkurs bereits Früchte?

Lennkh: Wir haben eine Reihe von Aktivitäten gesetzt, um schlanker und effizienter zu werden. In Summe sind wir auf gutem Kurs, unser Einsparungsziel zu erreichen: 2016 sollen die Kosten unter jenen von 2012 liegen. Es gibt vor allem eine klare Zurückhaltung in der Nachbesetzung frei werdender Stellen. Im Mittelpunkt steht aber nicht die Senkung der Kosten, sondern die Optimierung der Abläufe. Wir haben beispielsweise Kunden aus der regionalen Betreuung nach Branchen zusammengefasst, um sie mit diesem erhöhten Know-how besser verstehen und in der Wertschöpfungskette begleiten zu können. Zusätzlich zu unseren Primärkunden können wir so auch mit deren Lieferanten und Abnehmern kooperieren.

(+) Plus: Die Konjunkturerwartungen haben sich bisher nicht erfüllt. Wie ist die Stimmung in den Unternehmen?

Lennkh: Wir sehen bei unseren Kunden ein eher zurückhaltendes Investitionsverhalten. Viele Unternehmen zeigen eine positive Entwicklung, verfügen damit über ausreichende Liquidität, sind aber vorsichtig. Die schlechten Konjunkturprognosen führen ja letztlich auch zu einer gedämpften Nachfrage. Die Unternehmen haben kaum Kapazitätsprobleme. Die Auftragsbücher sind gefüllt, können aber mit den vorhandenen Ressourcen gut abgearbeitet werden. Bei vielen wäre durchaus noch Luft nach oben.

(+) Plus: Wird sich die Situation im kommenden Jahr bessern?

Lennkh: Ich erwarte keinen signifikanten Wirtschaftsaufschwung. Wir werden die negativen Auswirkungen der geopolitischen Entwicklungen in der Ukraine und Russland auch in der EU spüren. Österreich ist schon aufgrund der starken wirtschaftlichen Verflechtungen österreichischer Unternehmen mit Zentral- und Osteuropa stark betroffen.

(+) Plus: Sie haben u.a. die Tochterbanken in Russland und der Ukraine aufgebaut. Blicken Sie mit Wehmut auf die derzeitige Situation in diesen Ländern?

Lennkh: Mit Trauer und Sorge. Es ist sehr bedauerlich, dass wir diese Entwicklung in Europa erleben und beobachten müssen. Ich persönlich hätte das nicht erwartet. Über Jahrzehnte gab es eine sehr gut funktionierende, friedliche Koexistenz zwischen Russen und Ukrainern. Warum sich das plötzlich so aufgeheizt hat, ist für mich nicht nachvollziehbar.

(+) Plus: Was raten Sie österreichischen Unternehmen, die dort tätig sind, in dieser schwierigen Situation?

Lennkh: Die Unternehmen sind verunsichert, ob es hier weitere Sanktionen geben wird. Es gilt wie im Nebel, Tempo zurückzunehmen und auf Sicht zu fahren. Wir empfehlen unseren Kunden Währungs- und Zahlungsabsicherungen. Die Wechselkurse werden in Zukunft stärker und unvorhersehbarer schwanken. Und es ist schwer abschätzbar, ob selbst langjährige Geschäftspartner nicht plötzlich ein verändertes Umfeld vorfinden. Hier unterstützen wir mit Akkreditiven und Garantien.

(+) Plus: Risk Management steht bei nahezu allen Banken auf Platz 1 der Agenda. Lassen sich die Risikokosten überhaupt noch reduzieren?

Lennkh: Eine Phase der wirtschaftlichen Stagnation und Rezession ist immer begleitet von höheren Risikokosten als eine Phase des Aufschwungs. Das ist unvermeidbar. Jene Geschäfte, die uns heute als notleidende Kredite Kopfschmerzen bereiten, sind aber meist vor mehreren Jahren eingegangen worden. Im Risikomanagement einer Bank muss man deshalb weiter nach vorne schauen.

(+) Plus: Wie realistisch sind solche Zukunftsszenarien?

Lennkh: Im Rückblick ist es natürlich immer leichter als im Blick nach vorne. Man versucht hier, aus der Vergangenheit und der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung von Ländern Schlüsse zu ziehen. Ob es dann so kommt oder nicht, hängt mitunter wieder von vollkommen anderen Faktoren ab. Niemand hätte einen militärischen Konflikt in der Ostukraine erwartet. Was uns aber interessiert: Wo steht ein Kunde in seiner Industriesparte? Die führenden Unternehmen einer Branche werden auch in schwierigen Zeiten die führenden Unternehmen sein. Den Letzten beißen die Hunde – und wenn es der Branche schlecht geht, früher und mehr.

(+) Plus: Sie haben vor 25 Jahren bei Raiffeisen als Kundenbetreuer begonnen. Sehen Sie heute vieles anders?

Lennkh: 25 Jahre gehen an einem Menschen nicht spurlos vorüber. Es ist unglaublich, was in dieser Zeit alles passiert ist: aufgewachsen vor dem Eisernen Vorhang, der Zusammenbruch des Kommunismus, die Aufbruchstimmung und der Wunsch zusammenzuwachsen, sich zu integrieren in Europa. Nur durch dieses Vakuum an Betreuungsstandards für Kunden konnten wir in Zentral- und Osteuropa ein so großes Netzwerk ausrollen. Vorbildliche Länder wie Polen und Tschechien haben eine sensationelle Entwicklung genommen, andererseits sehen wir jetzt eine nicht unbedingt europafreundliche Positionierung Russlands. Wir versorgen heute mehr als 14 Millionen Kunden in CEE mit Finanzdienstleistungen und hatten in der Geschichte unseres Unternehmens kein einziges Verlustjahr. Es gab zwar immer das eine oder andere Land, wo die Entwicklung schwieriger war, aber die Diversifizierung und das grundsätzlich sehr robuste Geschäftsmodell haben letztlich dazu geführt, dass wir alle Jahre sehr erfolgreich abschließen konnten.

(+) Plus: Haben sich das Verhalten und die Erwartungen der Kunden durch die Finanzkrise verändert?

Lennkh: Sowohl Banken als auch Kunden sind sich ihrer Partnerschaft wieder mehr bewusst. Banken leben vom Vertrauen ihrer Kunden. Dass in einigen Instituten schwere Fehler gemacht wurden, sollte nicht zur Verteufelung der gesamten Branche führen. Banken sind heute vorsichtiger, einen Kredit zu vergeben. Ich sehe das mehr als eine Konsequenz der wirtschaftlichen Stagnation und der Risikotragfähigkeit der Kunden. Man muss schon sehen: Auch in Ländern wie Österreich sind die problembehafteten Kredite in den letzten Jahren deutlich angestiegen.

(+) Plus: Befindet sich der Bankensektor generell in einer Umbruchphase?

Lennkh: Durch die neuen regulatorischen Anforderungen müssen Banken ihr Geschäft mit wesentlich mehr Eigenkapital unterlegen. Früher oder später müssen die Preise für Finanzdienstleistungen dem folgen. Wir beobachten gleichzeitig eine rasante Entwicklung, über welche Kanäle Kunden unser Service nutzen. Das verläuft in den einzelnen Ländern in unterschiedlichem Tempo. Ich kann aber nicht von allen Kunden erwarten, dass sie ihre Finanzdienstleistungen über die Raiffeisen-App per iPhone abwickeln. Viele werden weiterhin zu ihrer Filiale gehen und ihren »friendly banker« treffen wollen.


Zur Person:

Peter Lennkh, 51, übernahm im September 2013 von Vorstandschef Karl Sevelda das Firmenkundengeschäft der Raiffeisen Bank International und übertrug im Gegenzug die Koordination der 15 Netzwerkbanken an Sevelda. Lennkh, Absolvent der Sozial-und Wirtschaftswissenschaften an der WU Wien, startete 1988 in der Raiffeisen-Gruppe im Bereich Internationale Finanzierungen und zeichnete später als Projektmanager für den Aufbau der Tochterbanken in Tschechien, Russland und der Ukraine verantwortlich. Ab 2004 verantwortete er als Vorstand die Kooperationen und das Firmenkundengeschäft im CEE-Raum, seit der Fusion von RBI und RZB im Jahr 2010 leitete er die weltweiten Netzwerkbanken-Aktivitäten. Lennkh ist verheiratet und Vater von zwei Töchtern und einem Sohn.

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