Nach einem Report-Testwochenende mit Elektrofahrzeugen diskutierten Mobilitäts- und Energieexperten zu den Hürden und Chancen dieses aufstrebenden Marktes in Österreich. Fazit: Zuerst war der Hype da, dann kam die Ernüchterung, und jetzt wird die Nutzung von Elektroautos wirtschaftlich attraktiv.
Über 100 Gäste waren am 24. Juni ins Kundendienstzentrum Spittelau von Wien Energie gekommen, um gemeinsam mit prominenten Podiumsgästen Theorie und Praxis der Energiewende auf der Straße zu hinterfragen. Gesprochen wurde über die unterschiedlichen Reichweiten der E-Car-Modelle, die derzeit noch höheren Anschaffungskosten, die Notwendigkeit einer erweiterten Ausbildung von Mechanikern, aber auch über die Notwendigkeit akustischer Warneinrichtungen an den Fahrzeugen für Blinde und Sehschwache. Es diskutierten Robert Grüneis, Geschäftsführer Wien Energie, WEB-Windenergie-CEO Andreas Dangl, Christine Scharinger, Geschäftsführerin Raiffeisen-Leasing Fuhrparkmanagement, Kurt Sabatnig, Leiter der ARBÖ Interessensvertretung, und Daniel Hammerl, Country Manager Tesla Motors. Dazu berichteten die Teilnehmer eines Report-Testnachmittags – darunter Murexin-Produktionsleiter Rainer Retzbach und NAVAX-Geschäftsführer Oliver Krizek – von ihren persönlichen Erfahrungen mit unterschiedlichen Elektroautos. Partner der Veranstaltung waren Wien Energie, WEB Windenergie AG, Raiffeisen-Leasing Fuhrparkmanagement, ARBÖ und Murexin.
(+) plus: Herr Grüneis, welche Bedeutung hat Elektromobilität für Wien Energie? Mit welchen Entwicklungen rechnen Sie für die nächsten Jahre?
Robert Grüneis, Wien Energie: Man kommt als Energieversorger nicht am Thema Elektromobilität vorbei, auch wenn hier Geschäftsmodelle zurzeit noch schwierig darzustellen sind. Wir sehen uns hier klar als Infrastrukturanbieter und die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass wir auf den richtigen Trend setzen, vor allem, wenn man sich die Zulassungszahlen bei Elektrofahrzeugen in Österreich heuer ansieht. Wenn Elektrofahrzeuge dann noch mit Strom aus Erneuerbaren gespeist werden, dann ist das nicht nur vorbildhaft, sondern auch wirklich sinnvoll.
(+) plus: Die Wiener Stadtregierung möchte den Individualverkehr in der Stadt in den nächsten Jahren reduzieren. Wie passen dazu Ihre Aktivitäten rund um Elektromobilität?
Grüneis: Wir sollten generell betrachten, wie man mit einer wachsenden Stadt und dem Thema Verkehr umgeht. Wien hat einen sehr guten öffentlichen Personennahverkehr. Wer schon in anderen Städten gewesen ist, weiß, welche Vorteile das bringt. Daher müssen wir bei einer Elektromobilitätsstrategie und bei jeglichen Überlegungen zum Verkehr in einer modernen Stadt den öffentlichen Verkehr einbeziehen. Dieser kann allerdings nicht oktroyiert werden. Jeder hat das Bedürfnis und das Recht, sich seine Verkehrswege selbst zu wählen. Individualverkehr und moderne Verkehrsmittel können da, intermodal gemeinsam genutzt, wunderbar funktionieren. Die Idee ist beispielsweise, Elektroautos in Garagen am Stadtrand zu parken und dort zu laden, während die letzten Kilometer ins Stadtzentrum mit öffentlichen Verkehrsmitteln bewältigt werden. Dieses übergreifende Konzept bedarf natürlich eines guten Angebotes von Mobilitätskarten, Parkgaragen und Anbindungen an den Personennahverkehr. Eine große Herausforderung stellt sich aber noch bei den Ladetechnologien. Diese sind derzeit kabelbasiert und stellen ein gewisses Sicherheitsrisiko im öffentlichen Raum dar. Aber vielleicht gibt es in Zukunft die Ladung mit Induktion, die kabellos funktioniert.
(+) plus: Herr Dangl, Sie wollen ein Schnellladenetz in Österreich aufbauen. Mitte Juni wurde die erste Ladestation eröffnet. Was ist die Motivation dahinter und welche Möglichkeiten sehen Sie hier?
Andreas Dangl, WEB Windenergie: Als alternatives Energieunternehmen, das sich zeitlebens mit Möglichkeiten der umweltfreundlichen und schadstofffreien Energieversorgung befasst hat, ist die Motivation relativ klar. Wir haben das Thema Elektromobilität über die letzten Jahre hinweg beobachtet und sehen eine vielversprechende Entwicklung – auch beim Fahrzeugangebot.
Ich halte mich bei der Elektromobilität an die Hypezyklus-Kurve nach Gartner, die für viele Technologiethemen gilt. In den Jahren 2008 und 2009 wurde Elektromobilität in Europa von vielen Unternehmen und Autoherstellern in Angriff genommen. Damals gab es Verschrottungsprämien beim Kauf eines Neuwagens und in einem ersten großen Hype enorme Erwartungen. Diese Erwartungen wurden dann nicht erfüllt. 2011/2012 sackte der ausgerufene Trend dann in das Tal der Tränen ab, auch da die Technik noch nicht ausgereift war. Hersteller wie Tesla hatten aber bereits damals schon gezeigt, dass Fahrzeuge mit Standard-Lithium-Ionen-Akkus betrieben bereits sportlich und elegant Strecken von mehr als 200 km fahren können. Mittlerweile ist der Markt in einer neuen Phase. Wir haben Schnellladetechniken und auch Normierungen, die vor zwei oder drei Jahren in dieser Form noch fast undenkbar waren. Ich selbst bin heute mit einem Elektrofahrzeug angereist, das, während ich hier spreche, an einer Elektroladestation von Wien Energie vor dem Gebäude aufgeladen wird.
Unterschiedlichen Prognosen zufolge werden Elektro-PKW bis 2017/18 einen Marktanteil von 1 bis 2 % in Österreich erreichen, bis 2020 sogar einen Anteil von bis zu 5 %. Unser Unternehmen ELLA Ladeinfrastruktur AG möchte nun mit Bürgerbeteiligungsprojekten österreichweit Schnellladestationen errichten. Es ist uns bewusst, dass wir in den nächsten Jahren kein Geld damit verdienen werden. Doch braucht der Markt eine funktionierende Infrastruktur, die neben den herkömmlichen Wallboxen als Lademöglichkeit in Garagen auch aus einem Sicherheitsnetz an Schnellladern besteht.
(+) plus: Wo genau wollen Sie die Schnellladestationen bauen?
Dangl: Geplant ist, in den nächsten zwei Jahren Schnellladestationen flächendeckend alle 70 bis 100 km aufzustellen. In einem ersten Schritt werden wir Stationen an Autobahnen und Bundesstraßen errichten. Im Fokus sind auch Zuzugsgebiete rund um die Städte, da mit Elektroautos heute noch nicht so weite Wegstrecken zurückgelegt werden. Reichweite ist überhaupt einer der wesentlichen Erfolsfaktoren. Hier müssen wir uns bemühen, dies in Zukunft mobilitätsfreundlich zu lösen.
(+) plus: Frau Scharinger, wie viele E-Cars haben Ihre Unternehmenskunden bereits im Einsatz? Wie sind die Erfahrungen in der Praxis, wie wirtschaftlich ist Elektromobilität denn überhaupt?
Christine Scharinger, Raiffeisen-Leasing Fuhrparkmanagement: Wir haben rund 1.200 elektrisch betriebene Fahrzeuge in unserem Fahrzeugflottenbestand, davon 650 PKW. Mit einem Elektrofahrzeug fährt man natürlich anders, an regelmäßige Ölwechsel und dergleichen müssen Sie allerdings nicht denken. Generell ist der Wartungsaufwand wesentlich geringer: Ein Elektrofahrzeug sollten Sie zwar auch pfleglich behandeln, und es ist auch eine Batteriewartung nötig. Neben den Faktoren Bremsen und Reifen hat sich der Serviceaufwand damit aber erledigt.
Je nach Bundesland und Fördermöglichkeiten sind die E-Cars mittlerweile auch preislich sehr attraktiv. Generell relativiert sich der noch höhere Anschaffungspreis hochgerechnet auf eine Lebensdauer des Fahrzeugs von acht oder zehn Jahren aufgrund der niedrigen Wartungskosten, dem Wegfallen der NoVA und dem fast vollständigen Einsparen von Tankkosten. Im Nahverkehr ist das Elektrofahrzeug durchaus bereits eine Alternative für Unternehmen. Auch für den Privatbereich würde ich es als klassisches Zweitauto empfehlen.
(+) plus: Welche sind denn die attraktiven Regionen um Wien, wo Elektroautos besonders gefördert werden?
Scharinger: Das südliche Niederösterreich, von Perchtoldsdorf bis Wiener Neustadt. Da könnte das Zusammenspiel von Bund und Land sogar noch mehr gestärkt werden. Es gibt aber in fast jedem Bundesland eine Modellregion für Elektromobilität. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass dieses Thema immer attraktiver wird. Das merken wir durch die steigenden Anfragen unserer Kunden.
(+) plus: Sie haben die Leasingraten, Anschaffungspreise über die Lebensdauer durchgerechnet und sagen, dass die Anschaffung eines E-Fahrzeugs in einer Förderregion günstiger ist als ein herkömmliches Fahrzeug.
Scharinger: Das ist nicht überall so, aber in der Modellregion »e-pendler in niederösterreich« – um ein Beispiel herzunehmen – kommt ein E-Auto auf die gesamte Lebensdauer gesehen bereits günstiger als ein Wagen mit Verbrennungsmotor.
(+) plus: Herr Sabatnig, wie groß ist die Freude bei Ihren Servicetechnikern, wenn Sie auf Elektroautos auf der Straße treffen?
Kurt Sabatnig, ARBÖ Interessensvertretung: Nun, wir haben schon in den Neunzigerjahren Erfahrungen sammeln können, als der Toyota Prius auf den Markt gekommen war, und haben seitdem alle Marktentwicklungen mitverfolgt. Die Herausforderung für unsere Mitarbeiter ist natürlich groß. Der ARBÖ hat entsprechend in Schulungen und in die Ausstattung investiert. So muss etwa im Falle eines Rettungseinsatzes gewährleistet sein, dass ein E-Car nicht unter Spannung steht. Wir befinden uns hier ja im Hochspannungsbereich, der lebensgefährlich ist.
Da wir uns intensiv mit den Mobilitätsbedürfnissen der Menschen beschäftigen, haben wir auch untersucht, welche Fahrzeuge bezüglich der Antriebstechnologie die besten sind. Auf Basis unserer eigenen Erfahrungen glauben wir, dass im urbanen Bereich Elektromobilität absolut sinnvoll ist. Sie setzt aber Detailplanung für die Gestaltung der Wege im Alltag voraus. Hier vermissen wir in Österreich noch ein flächendeckendes Ladestationsnetz, aber auch erschwinglichere Fahrzeugpreise. Außerdem wären höhere Reichweiten und bessere Batteriekapazitäten wünschenswert. Auch gibt es ein ungelöstes Problem mit der geringen Lautstärke der Elektromotors. In Brüssel wird ja sogar diskutiert, ob den Elektroautos gesetzlich akustische Warnsysteme verordnet werden sollen. Speziell beim Ausparken merkt man als E-Autofahrer an den erschreckten Gesichtern von Passanten, dass hier eine Lösung gefragt ist. Ich weiß aber nicht, ob es so sinnvoll ist, den Fahrzeugen künstlich Lautstärke zu verordnen.
(+) plus: Herr Hammerl, Ihr Unternehmen ist der Shootingstar der Elektromobilitätszene. Welche Perspektive sehen Sie, was hat sich seit dem Gründungsjahr von Tesla bis heute in der Technologie oder auch bei den Preisen verändert?
Daniel Hammerl, Tesla Motors: Tesla wurde 2003 gegründet. Man hat damals relativ schnell erkannt, dass man bei Elektroautos nicht einfach Aggregate austauschen kann, sondern die Mechatronik von Grund auf neu konzipieren muss. So ist auch das erste Fahrzeug entstanden, der Sportwagen Tesla Roadster, der uns sehr viel Gutes und viel Publicity gebracht hat. Der Roadster hat Tesla jedoch in eine Ecke gedrängt, in der wir nicht sein wollten. Der Bau von Luxus-Sportwagen in einem sehr teuren Segment soll nicht für die Marke Tesla stehen. Tesla Motors hat im Grunde die große Vision der nachhaltigen Fortbewegung. Das verfolgen wir nicht nur mir unseren eigenen Fahrzeugen, sondern auch als Zulieferer für Daimler, Toyota und andere Fahrzeughersteller.
Wenn ich die letzten drei Jahre Revue passieren lasse, gehörten diese Jahre noch zu einer Hypeperiode, in der die Medien voll auf das Thema Elektromobilität aufgesprungen waren. Dadurch wurde auch die breite Masse der Bevölkerung für diesen Wandel interessiert. Allerdings musste die Technologie noch etwas aufholen. Seit 2013 geht es auch bei den Verkäufen wieder bergauf, da wieder neue Produkte auf den Markt kommen. Man beschäftigt sich mittlerweile viel vernünftiger und auch wirtschaftlich nachhaltiger mit diesem Thema.
(+) plus: Tesla Motors hat jüngst sämtliche Patente freigegeben, die man im Bereich Elektromobilität hält. Wird dieser Schritt der gesamten Branche zu einem schnelleren Wachstum verhelfen können?
Hammerl: Ja, das hoffe ich, denn das ist die Idee dahinter. Das unterstreicht auch unsere Philosophie. Wir sind ein Unternehmen, das natürlich Geld verdienen will. Doch haben wir eine größere Vision und Mission, als lediglich unsere Shareholder zu bedienen. Elektroautos können mittlerweile, wenn auch mit winzigen Einschränkungen, herkömmliche Fahrzeuge vollständig substituieren. Durch die Freigabe unserer Patente, insbesondere im Bereich der Ladetechnologie, wollen wir genau das weiter forcieren.
Für 2017/18 planen wir den Marktstart eines Tesla-Modells, das rund 35.000 Dollar kosten wird. Diese Strategie wurde bereits vor acht Jahren definiert. Mit Autos in dieser Preisklasse werden wir den Markt auch in der Masse wirklich verändern können.
Fotos zum Podiumsgespräch: www.flickr.com/photos/award2008/sets/72157645394184915
Video zum Podiumsgespräch: www.youtube.com/watch?v=daBN2VLglmk
Video zum Elektrofahrzeug-Testnachmittag im ARBÖ-Fahrsicherheitszentrum Wien-Donaustadt: www.youtube.com/watch?v=1pTZQF1DHyk