Conchita Wurst sorgt international für Furore. Für Österreich und den ORF wird die Austragung des Eurovision Song Contests 2015 Chance und Bewährungsprobe zugleich.
Ihr größter Auftritt kam erst, als sie bereits als Siegerin feststand. Die bärtige Diva wischte die Tränen ab, sang souverän ein zweites Mal »Rise Like A Phoenix« und fand auch noch kluge Worte für Selbstbestimmung, Respekt und Toleranz. Ein historischer Sieg – seit Udo Jürgens im Jahr 1966 war Österreich beim ESC meist im hinteren Drittel gelandet. Während eine Welle der Begeisterung über Europa schwappte, gratulierte Spindelegger verkrampft »Thomas Neuwirth und seiner Kunstfigur« und Stadler bekannte: »Ich geniere mich für diesen Erfolg.«
Nein, Österreich ist keineswegs über Nacht eine Hochburg der Toleranz geworden. Rassistische und homophobe Äußerungen kann man nach wie vor an jeder Ecke hören, nur momentan etwas leiser. Aber gerade im Vorfeld der EU-Wahlen vermittelt Toleranz als europäische Vision einen kleinen Hoffnungsschimmer. Conchita Wurst trägt indessen unbeirrt ihre Botschaft um die Welt und will – betont unbescheiden – als nächste Großtat einen »Grammy« gewinnen. Als Siegerland trägt Österreich 2015 den 60. ESC aus.
Stellt es der ORF geschickt an, könnte das Wettsingen sogar ein wirtschaftlicher Erfolg werden. 25 Mio. Euro kostet der Spaß, Bund und Stadt zahlen mit. Sponsoren, Übertragungsrechte, Tickets und Touristen spülen reichlich Geld in die Kassen. Dem Image Österreichs ist der Hype um Conchita allemal zuträglich. Ob sich die liberale Euphorie endlich in der Anerkennung aller Lebensformen in der Arbeitswelt und vor dem Gesetz niederschlägt, wird sich erst zeigen.