Sonntag, Dezember 22, 2024

Helmut Praniess, Vorstandsvorsitzender der Privat Bank AG, sieht den Vermögensberater als einfachen Handwerker, der sein Geschäft versteht wie kein anderer. Auf Sicherheit bedachte Kunden müssen sich angesichts der trüben Konjunktur trotzdem noch länger mit schmalen Renditen begnügen.

(+) plus: Die Zinsen sind im Keller, die Kapitalmärkte werden immer schnelllebiger. Wo lohnen sich noch Investments?

Helmut Praniess: Die Leitzinsen in Europa und den USA werden weiterhin auf extrem niedrigen Niveaus verharren. Den Bondmarkt hat das beflügelt. Bei Aktien sind europäische Titel deutlich attraktiver bewertet als amerikanische, auch Emerging Markets erscheinen interessant. Die zweistelligen Zuwächse am Aktienmarkt sind aber keineswegs ein Zeichen, dass die Welt in Ordnung wäre. Kunden, die sich immer als Sparer deklariert haben, investieren nun plötzlich in Aktien. Ich sage immer, man muss bei seinen Veranlagungsgeschäften ruhig schlafen können. Schläft man bei einem Buchwertverlust von 30 oder 50 Prozent noch immer gut?

(+) plus: Gibt es überhaupt noch risikobereite Kunden?

Praniess: Absolut. 2008 haben so manche »Nie mehr Aktien« gesagt – das weicht sich auf. Wir haben aber eher konservative Kunden, die auf Werterhalt und Sicherheit schauen. Das Risikoprofil muss zum Kunden passen. Im Rahmen dieses Profils kann ich innerhalb der verschiedenen Assetklassen mischen und streuen. Da gehören auch Aktien
dazu, damit der Kunde neben der Sicherheit auch Chancen auf ein Mehr hat. Es macht aber keinen Sinn, jedes Mal angstvoll zu blicken, wenn Bewegung in den Markt kommt. Teil unserer Geschäftsphilosophie ist der intensive Kontakt mit dem Kunden. Wir gehen einige Male pro Jahr kritisch durch: Was hat sich in seinem Leben verändert? Gibt es andere Einflussfaktoren, insbesondere was Liquidität und Sicherheit anbelangt? Welchen Ausblick zeigt der Markt? Diese Faktoren zu evaluieren und Adaptierungen umzusetzen, ist die wesentliche Aufgabe eines Beraters heute.

(+) plus: Macht sich die permanente Verfügbarkeit von marktrelevanten Informationen im Kundenverhalten bemerkbar?

Praniess: Die Kunden haben trotzdem gerne einen Gesprächspartner. Sie verschaffen sich einen Überblick, aber nur wenige gehen dabei in die Tiefe und vernetzen die Informationen. Wir sind im Grunde einfache Handwerker, die sich den ganzen Tag mit diesen Themen beschäftigen. Dieses Vertrauen kann man nur festigen, wenn man keine schnellen Geschäfte anstrebt, sondern regelmäßig miteinander spricht. Das haben viele Banken verlernt. Eigentlich ist es aber das klassische Bankgeschäft.

(+) plus: Hat sich das Berufsbild des Private-Bankers verändert?

Praniess: Es ist ein anderes Umfeld, das muss man schon sagen. Der Retailvertrieb, wie ihn heute viele betreiben, ist nur noch interessiert, Produkte zu verkaufen. Das Preisband ist sehr schmal, von Verantwortung ist dort keine Rede. Die Kunden wollen einen Entscheidungsträger, keinen Kundenberater, der erst dreimal nachfragen muss. Bei der Privat Bank AG gibt es keine Einstiegsbarrieren
Ein Kunde kann bei uns durchaus mit »kleineren Portionen« anfangen. Wir leben in ei-
ner Erben-Generation. Wenn jemand heute kein Einkommen oder Vermögen hat, das ihn zu einem klassischen Private-Banking-Kunden macht, heißt das wenig. Wir sehen uns als Dienstleister, und ein Dienstleister lebt am besten vom Empfehlungsgeschäft. Wenn ein Kunde zufrieden ist, wird er uns in seinem sozialen Netzwerk weiterempfehlen. Er bekommt bei uns alles aus einer Hand – vom Sparbuch angefangen über ein Gehaltskonto mit Kreditkarte bis zur Vermögensanlage inklusive Finanzierung. Dieses Gesamtpaket kommt bei den Kunden sehr gut an.

(+) plus: Sie lassen seit einigen Jahren auch psychologische Faktoren in die Vermögensveranlagung einfließen. Wie sind die Reaktionen Ihrer Kunden?

Praniess: Das wird sehr gut angenommen. Was macht denn die Zacken bei den Börsenkursen aus? Da ist sehr viel Stimmung, Emotion drin. Es liegt auf der Hand, dass diese Schwankungen durch Nachrichten und andere Faktoren zustande kommen. Die emotionale Komponente fließt in unsere Investmententscheidungen ein, zum Beispiel bei der Gewichtung der Assetklassen. Das hat sich sehr gut bewährt. Besonders hilfreich war es im Jahr 2011: Am Tag der Katastrophe von Fukushima wurde die Aktienquote sofort zurückgefahren. Das Ereignis war medial stark präsent, trotzdem wusste man eigentlich nichts Genaues. Anhand der Zacken lässt sich sehr gut nachweisen, wie sich solche Ereignisse in den Kursen niederschlagen. Es ist dann die Aufgabe des Fondsmanagers, die Bandbreiten der Streuung zu nutzen, also etwa zu 100 Prozent in den Geldmarkt zu gehen. Die Bank trägt hier sehr viel Verantwortung, denn die Kunden vertrauen uns.

(+) plus: Muss man nicht zu einem gewissen Grad antizyklisch reagieren?

Praniess: Wenn ein Trend schon in jeder Zeitung steht, wertet es das Behavioral Finance als Euphorie und sagt »Vorsicht!«. Die Universität Linz bezieht in ihre Analyse gegenwärtig über 20 Faktoren ein. Gibt es etwas zu besprechen, wird schnell eine Telefonkonferenz einberufen und sofort eine Entscheidung getroffen.

(+) plus: Sind Immobilien noch eine Alternative?

Praniess: Als Beimischung zum Portfolio gehören Immobilien dazu. Ich halte aber nichts von einem Immobilienanteil von 70 Prozent, maximal 30 Prozent sollten nicht überschritten werden. In der Krise sind viele in Immobilien gegangen, in der vermeintlichen Annahme, das sei ein Inflationsschutz. Das stimmt, was das elementare Bedürfnis anbelangt, ein Dach über dem Kopf zu haben. Aber dass eine Immobilie immer eine Rendite erwirtschaftet oder eine positive Wertentwicklung aufweist, das ist ein Irrglaube. Wenn Sie heute in sehr guter Lage suchen, finden Sie kaum noch etwas mit zwei oder drei Prozent Rendite, weil die Preise so rasant gestiegen sind. Ob ich in fünf oder zehn Jahren noch das bekomme, was ich heute einsetze, das weiß der liebe Gott. Bei den Preisen sind wir in Europa schon an der Spitze. Eine 100 m2-Wohnung um 400.000 Euro ohne Nebenkosten – das muss man sich einmal leisten können. Außerhalb von München findet man kein Haus mehr unter einer Million. Dort werden inzwischen Generationenkredite über 30 Jahre oder länger abgeschlossen. Die Kinder zahlen die Darlehen weiter.

(+) plus: Wie schätzen Sie die wirtschaftliche Zukunft Europas ein?

Praniess: Ich bin und bleibe Optimist.Schon was die Staatsverschuldung anbelangt, gibt es doch bei den speziellen Kandidaten deutliche Fortschritte. Zwar mit schmerzhaften Einschnitten, aber es geht in die richtige Richtung. Während in den USA eine konjunkturelle Abschwächung zu erkennen ist, schafft Europa 2014 den Weg aus der Rezession. Für Anleger bedeutet das nach wie vor negative Realzinsen auf dem Geldmarkt. Um zumindest die Kaufkraft zu erhalten, müssen Risiken eingegangen werden. Risikostreuung über verschiedene Assetklassen ist deshalb besonders wichtig.

Zur Person:

Helmut Praniess ist seit 2005 Vorstandsvorsitzender der Privat Bank AG, einer 100%-Tochter der Raiffeisen Landesbank Oberösterreich. Der gebürtige Salzburger studierte Betriebswirtschaft und startete seine Karriere als Kundenbetreuer bei der Creditanstalt. 2001 übernahm er die Leitung des Bereichs International Privat Banking der Bank Austria-Creditanstalt.
Die Privat Bank AG verwaltet mit rund 100 Mitarbeitern 4,5 Mrd. Euro an Kundengeldern. 2012 konnte das Institut das Betriebsergebnis um rund 12% auf 9,8 Mio. Euro steigern.

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