Das rasante Wachstum von EMC ist mit einem Namen verbunden: David Goulden. Im Exklusiv-Interview mit Report (+) PLUS verrät der Brite das Geheimnis des Aufstiegs: Im richtigen Moment braucht man den Mut, den Stier einfach bei den Hörnern zu packen ...
(+) plus: Was macht Ihren Führungsstil aus? Als Sie vor zwölf Jahren zu EMC kamen, galt das Unternehmen als Übernahmekandidat, aber statt übernommen zu werden, hat EMC aggressiv zugekauft und wächst seit einem Jahrzehnt zweistellig. Wie machen Sie das?
Goulden: Ich mache es nicht allein, wir haben ein außergewöhnliches Team. 2002 waren wir eine Storage-Firma. Wir haben rund fünf Milliarden Umsatz gemacht und hatten zwei Produkte. Das war sehr einfach, aber wir wussten, wenn wir uns nicht neu aufstellen, würden wir nicht überleben. Also sind wir von dem ausgegangen, was wir hatten: eine sehr solide Kundenbasis, einen guten Ruf und eine sehr starke Verkaufsmaschinerie.
Wir analysierten also die Industrie und kamen zu dem Ergebnis, dass kein Stein auf dem anderen bleiben würde. Um von dem Umbruch profitieren zu können, mussten wir stärker in den Softwarebereich gehen und wir mussten uns den Servicebereich erschließen. Gleichzeitig mussten wir unser Storage-Angebot deutlich ausweiten, um hier im Gegensatz zu unseren Konkurrenten alle Kundenbedürfnisse abdecken zu können.
(+) plus: Genau in diese Zeit fiel die Übernahme von VMware, für die Sie direkt verantwortlich waren. Sie wurden damals scharf kritisiert, weil Sie viel zu teuer eingekauft hätten.
Goulden: Wir haben 625 Millionen Dollar dafür bezahlt, und ich wurde scharf kritisiert. Das Unternehmen hat damals nicht einmal 60 Millionen Umsatz gemacht und der Preis wurde als völlig überhöht angesehen. Mittlerweile ist das ein Milliardengeschäft und es hat sich als ein hervorragender Schritt herausgestellt.
Wir sind auf VMware durch unsere Kunden aufmerksam gemacht worden. Wir waren auf der Suche und 2003 haben uns unsere Wall-Street-Kunden gezeigt, was für fantastische Dinge sie mit VMware machen. Dann ging es schnell. Wir haben Anfang 2004 gekauft. Ich habe das Übernahmeteam geleitet und wir haben sehr schnell festgestellt, dass wir hier anders vorgehen mussten. Die Übernahmen, die wir bis dahin gemacht hatten, wurden völlig in EMC integriert. Das haben wir bei VMware nicht gemacht. Wir haben es als Unternehmen im Unternehmen entwickelt und haben ein hohes Maß an Unabhängigkeit zugelassen. Auf diese Weise konnte VMware auch Partnerschaften mit Unternehmen eingehen, mit denen wir ansonsten am Markt in Konkurrenz standen.
(+) plus: Wenn wir also Ihre Managementphilosophie zusammenfassen, dann sind drei Punkte zentral. Erstens die Teamarbeit, zweitens: Höre auf deine Kunden, sie geben dir wertvolle Tipps – siehe VMware. Und drittens: Suche flexible Lösungen! Sie haben VMware im Gegensatz zu anderen übernommenen Unternehmen, an der langen Leine gelassen, weil es in diesem Fall richtig war.
Goulden: Sie haben eines vergessen: Im entscheidenden Augenblick muss man Mut haben und den Stier bei den Hörnern nehmen. Die Experten haben uns für verrückt erklärt, weil wir 625 Millionen für VMware gezahlt haben, obwohl das Unternehmen keine nennenswerten Umsätze hatte. Die Kritiker haben das nicht verstanden. Man braucht eine klare Linie, klare Überzeugungen und muss dann im entscheidenden Augenblick die Kühnheit besitzen, seinen Weg zu gehen, auch wenn alle anderen einen für verrückt erklären.
(+) plus: Sie sagen auch etwas sehr Ungewöhnliches: Das bisherige Backup- und Recovery-System sei kaputt und müsse völlig neu überdacht werden. Das hört man von Weltmarktführern selten, weil sie vom bestehenden System am meisten profitieren. Radikale Änderungen sind eher die Sache von Start-ups, von den Neuen, die die Revolution ausrufen.
Goulden: Ja, der Prozess ist kaputt. Die Backup-Industrie hat sich in den vergangen Jahren mit der IT-Industrie entwickelt und jedes Unternehmen hat seine Backup-Strategie entwickelt. Jeder hat sein eigenes Backup-Netz, getrennt von den restlichen Speicher-Servern. Es ist ein völlig losgelöster Prozess vom Management der Daten und vom Speichern. Das ist nicht zukunftsträchtig. Wir näher uns mit Riesenschritten der Welt von Big Data, mit enormem Wachstum der Datenmenge, und da kann es keinen isolierten, Offline-Backup-Prozess geben. Wir brauchen eine völlige Integration und das muss sich rasch ändern. Wir brauchen Veränderung.
(+) plus: Das Stichwort Veränderung führt uns direkt zum Thema der Rekrutierung. Veränderung findet in den Köpfen statt und braucht die richtigen Mitarbeiter, um sie erfolgreich durchzuführen. Wie und wo rekrutieren Sie?
Goulden: Wir suchen immer nach großartigen Leuten. Aber auch hier hat sich das Muster über die Jahre verändert. In der frühen Phase – 2003, 2004 – haben wir mit der Zukunft argumentiert. Wir haben gesagt, da ist eine Firma, die hat eine tolle Basis, aber sie muss sich neu aufstellen. Wir haben nach Leuten gesucht, die außerhalb des Mainstreams standen, eine andere Gedankenwelt hatten und die Zukunft anders sahen. Alles war auf die Zukunft orientiert, damit haben wir gepunktet. Heute sind wir der Marktführer, wir haben gezeigt, was wir zu leisten in der Lage sind, aber wir sind immer noch der Konzern mit der größten Bereitschaft, Neues zu wagen. Das zieht Leute an.
Wir suchen nach großartigen Ingenieuren, die wissen, wie man herausragende Produkte produziert und wie man ein Team motiviert. Wir suchen also nicht nur Manager, wir suchen Persönlichkeiten, die den Weg weisen können. Das ist eine sehr seltene Qualität und nicht leicht zu finden.
(+) plus: Gibt es einzelne Universitäten, auf die Sie besonders schauen, die in der Ausbildung Ihrer Meinung nach die Nase vorne haben?
Goulden: Wir suchen überall. Auf der Führungsebene sind es natürlich erfahrene Leute, die wir rekrutieren. Was Universitäten betrifft,
schauen wir uns die Abgänger von Stanford, MIT und Harvard sehr genau an. In den vergangen Jahren haben wir uns natürlich auch global aufgestellt und weltweit Excellence-Zentren aufgebaut – in China, Indien, Israel, in Ägypten, in Russland. Gerade in jüngster Zeit ist der Kampf um Talente global voll entbrannt. Wir waren sehr erfolgreich, viele davon für uns zu gewinnen.
(+) plus: Wo sehen Sie Europa, das ja in immer weniger Industrien die Technologieführerschaft für sich beanspruchen kann?
Goulden: Man muss einen Schritt zurück machen und sich die IT-Industrie als Ganzes anschauen und fragen: Wo sind die Innovationszentren und warum sind sie dort? In der frühen Phase – der Mainframe-Ära – spielte in den USA das Militär eine große Rolle, aber in der jüngeren Vergangenheit, war es die Kombination aus dem Universitätssystem und der Verfügbarkeit von Risikokapital, die für die Dynamik der Entwicklung in den USA gesorgt hat. Man muss sich nur anschauen, was in der Gegend rund um Boston, wo Harvard und das MIT daheim sind, alles entsteht.
(+) plus: Sagen Sie damit im Umkehrschluss, dass es für Europa nicht gut ausschaut, weil die Universitäten schwach sind und Risikokapital nicht vorhanden ist?
Goulden: Es gibt nicht viele große, global agierende, europäische IT-Konzerne. SAP bildet natürlich die große Ausnahme. Wenn es um die Einführung und Nutzung neuer Technologien geht, sind die Europäer hervorragend.
(+) plus: Die Europäer nehmen neue Technologien rasch an und implementieren sie in ihren Unternehmen. Aber sind sie auch in der Lage, Innovationen zu kreieren?
Goulden: Für unseren Bereich sehe ich, dass es einige wirklich spannende europäische Konzerne gab – Bull, ICL, Siemens Nixdorf. Jedes europäische Land hat einen Anbieter, aber sie waren nicht schnell genug und haben den Sprung nicht geschafft.
(+) plus: Innovation ist ja auch ein kulturelles Thema. Welches Umfeld braucht es, damit Innovation permanent entstehen kann?
Goulden: Rund um die Universität Stanford ist in Kalifornien das Silicon Valley als Brutstätte der Innovation entstanden. Die Professoren von Stanford ermutigen ihre Studenten, eigene Unternehmen zu gründen und Stanford investiert auch immer wieder in diese Start-ups. Dieses Umfeld fördert Innovation. Das wirkt dann auch ansteckend und alle wollen einmal in ihrer Karriere bei einem Start-up dabei gewesen sein. Wer das nicht gemacht hat, dem fehlt etwas in seinem Lebenslauf.
Zur Person
David Goulden ist Präsident der EMC Corporation und Chief Operating Officer (COO). Er ist seit 2002 bei dem Unternehmen und war vorher für Unisys, Wang und Gentronics tätig. Goulden zeichnet bei EMC für mehr als 70 Übernahmen verantwortlich und landete mit dem Kauf von VMWare einen spektakulären Erfolg. Der Kauf von Unternehmen mit Potenzial trug maßgeblich zum Wachstum von EMC bei. Heute beschäftigt das Unternehmen 53.000 Mitarbeiter und erwirtschaftet einen Umsatz von 20 Milliarden USD.