Freitag, Juli 19, 2024
Report: Herr Generaldirektor - Sie sind mit Ihrem Unternehmen in Regionen tätig, die höchst sensibel sind. Warum gelingt Ihnen etwa in der Westbank, was niemand gelingt - nämlich ein Casino zu bauen? Und das, wo weder die jüdische noch die islamische Tradition äußerst glücksspielfreundlich ist.
Leo Wallner: Sehr stark arbeiten wir vor allem im internationalen Engagement mit Imagemomenten. Etwa wollen wir in unserem Betrieb in Nahost ein Friedenszentrum schaffen, das die Friedensidee aller Weltreligionen in den Vordergrund stellt. Oder: Wir haben in Johannesburg für rund 20 Millionen Euro ein Museum gebaut, wo erstmals die Probleme der Apartheid aufgearbeitet werden. Das ist eine betrieblich wichtige Komponente: Wenn ein Staatsbesuch nach Pretoria kommt, ist dieses Museum in unserer Anlage ein Pflichtbesuch. Das sind Kombinationen, die helfen sollen, Spannungsmomente abzubauen. Natürlich ist der wirtschaftliche Hintergrund nicht zu leugnen.

Die derzeitige wirtschaftliche Situation wird weltweit als Krise empfunden. Spielen die Leute deshalb weniger oder hat sich die Anzahl der Glücksritter erhöht?
Trotz stärkerer wirtschaftlicher und sozialer Unsicherheit gehen die Leute nicht öfter ins Casino und spielen auch nicht verstärkt Lotto oder Toto. In diesem Sinne ist auch unser Geschäft nicht antizyklisch. Wenn die Zeiten schlechter sind, spielen die Leute nicht unbedingt mehr.

Haben Sie eine Erklärung dafür?
Die Hasardeure sind nicht mehr da. Früher hat es wenige große Casinos gegeben, eines in Monte Carlo zuerst, dann in Baden Baden. Da ist die Hocharistokratie gewesen, Geldleute, die das Abenteuer gesucht haben oder nichts mehr gehabt haben. Die sind dort hingegangen und wollten sich das wieder zurückholen. Das ist heute anders geworden, ja fast ein Massenkonsum. Der Verlust pro Besucher und Abend liegt etwas über 70 Euro. Der Durchschnittsgast kommt etwas mehr als zwei Mal im Jahr. Damit liegt der Jahresverlust bei rund 140 Euro. Es gibt Vergnügen, die mehr kosten. Wegen des Verdienens sollte man aber nicht ins Casino gehen.

Wie groß sind die Umsatzeinbußen?
Wir würden rund acht Prozent weniger Umsatz machen, wenn wir uns nicht rechtzeitig das Internet als zusätzlichen Vertriebskanal gesucht hätten. Dort werden die angebotenen Spiel erstaunlich gut angenommen, obwohl wir dort noch nicht im großen Stile tätig sind, eher noch im Erprobungsstadium. Außerdem halten wir auch dort einen hohen Standard an Selbstverpflichtung ein. Sei es bei den Gewinnquoten oder auch bei der Ablieferung der Steuern und Abgaben. Ein Anbieter mit Servern in Gebieten, auf die der österreichische Staat nicht zugreifen kann, tut sich da leichter. Aber es ist gut so. Wir wollen unser Image nicht durch das Online-Geschäft ruinieren.

Sind die österreicher ein Volk von Spielern?
Mittel. Im Vergleich zu Südländern, Chinesen, Südamerikanern, semitischen Völkern, Griechen, sind wir geringe, im Vergleich zu den Nordländern sind wir große. Die sind sehr zurückhaltend - mit Ausnahme Englands, soweit es den Wettbereich betrifft. In Skandinavien ist das Lotteriespiel sehr ausgeprägt.

Ist das eine Temperaments- oder Kultursache? Lässt sich das nach dem katholischen und dem reformierten Einfluss unterteilen?
Unbestritten. Ein deutliches Beispiel: Bei unserem ersten Beratungsauftrag in Holland ist die Abstimmung im Parlament ganz knapp ausgegangen. Die katholischen Südprovinzen waren dafür, die protestantischen dagegen. Die Protestanten sind da viel rigider. Die Calvinisten so wie so, aber auch die Lutheraner sind eher zurückhaltend. Und die Königin als Protestantin hat das Gesetz ein Jahr lang nicht unterschrieben.

Wie sieht das Verhältnis zwischen ausländischen Gästen und Inländern in den österreichischen Casinos aus?
Nach Köpfen sind rund 68 Prozent der Besucher aus dem Inland und 32 Prozent Ausländer, umsatzmäßig kommen zwischen 60 und 65 Prozent von ausländischen Gästen. Je näher wir am Konsumenten sind, desto mehr kommen. Mit der Entfernung steigt direkt proportional die Geldmenge, die mitgenommen wird. Der Imagegewinn ist beträchtlich und beobachtbar in den vergangenen Jahrzehnten. Wir sehen das am Interesse der jungen Leute, die zu ihrer Volljährigkeitsfeier ins Casino kommen, oft mit Vater, mit der Mutter oder mit Freunden. Man braucht es heute in der österreichischen Gesellschaft nicht mehr heimlich tun.

Wie sieht die Altersstruktur in den Casinos aus?
Wir haben noch immer einen starken Mittelstandsbauch: zwischen 35 und 50 Jahren. Darunter und darüber auch. Darüber vor allem deswegen, weil mit zunehmenden Alter die Mobilität abnimmt. Für Frauen ist es ein bisschen anders: für viele ist es eine Möglichkeit, alleine wohin zu gehen, unter Menschen zu sein, angesehen zu werden und zum Geburtstag begrüßt zu werden und einen Blumenstrauß zu bekommen. Es gibt sehr viele Isolierte in unserer Gesellschaft und das nimmt eher zu als ab. Die Jungen haben noch nicht das Einkommen und überdies ist deren Konsumverhalten anders orientiert. In der letzten Zeit zeigt die Tendenz von Großveranstaltungen für junge Mensch stark nach oben, es gibt zahlreiche Events, Clubbings und solche Vergnügungen. Glücklicherweise gibt es auch eine Unzahl an kulturellen Veranstaltungen. An Modernem, an Traditionellem tut sich ja überall Gewaltiges. Und in anderen Ländern fehlt das.

Wirkt sich das im Casinobesuch aus?
Ja, natürlich. In Johannesburg bilden junge Leute die überwiegende Masse der Besucher. Dort gibt es einfach kaum anderes. Zusätzlich sind sie bei uns sicher. Dort mussten wir sogar einen Kindergarten errichten. Der hat 24 Stunden offen, wo die Gäste die Kinder abgeben. Wir nehmen sie, wohl wissend, dass das nicht nur Kinder von Casinobesuchern sind. Denn wo könnten sie Kinder noch so sicher wissen wie bei uns. Damit ist der Besuch auch eine Frage der Sicherheit und des kulturellen Angebots.

Gibt es Spiele, die altersgebunden sind?
Der junge Mensch ist bei bestimmten Angeboten gefährdeter. Bei Volljährigen gibt es einen Trend zu Automaten. Das ist gelernt, ist technisch schwieriger. Der Trend ist weg von den von Menschen betreuten Spielen hin zu technikbasierten.

In Konsequenz bedeutet dies: Sie werden die Zahl der Croupiers verringern.
Das ist ein allgemeiner Trend: wir brauchen in Relation zum Umsatz immer weniger Croupiers.

Absolut oder weniger Zuwachs?
Weniger Zuwachs, aber bald auch weniger Croupiers in absoluten Zahlen. Wir versuchen uns aber das Tischspiel zu erhalten. Denn das macht die Atmosphäre des Casinos aus. Wir müssen aufpassen, keine Automatenhölle zu werden.

Hat Nevada keine Atmosphäre?
Das ist immer eine Frage des Maßes. Wenn man schon beim Queing up an einem Automaten vorbeigeschleust wird, der noch dazu besser eingestellt ist, als die im Saal, wenn man auf den Pissoirs dem nicht entkommt - wollen Sie das Atmosphäre nennen? Denn in Nevada kann man die Karten für die Shows nicht vorkaufen. Man wird gezwungen, sich anzustellen, es wird fast ein Spielzwang an die Stelle der Unterhaltung gesetzt. Das wollen wir nicht.

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