Montag, Dezember 23, 2024

''Eine Prognose zur Preisentwicklung an den Strombörsen ist kaum möglich. Die Abschaltung der Kernkraftwerke wird erst 2015 spürbar sein'', so Leo Windtner, Generaldirektor der Energie AG Oberösterreich.Leo Windtner, Generaldirektor der Energie AG Oberösterreich, im Interview. Er spricht über konjunkturelle Entwicklungen, Ausbaupläne der E-Wirtschaft, Strompreise und Energieeffizienz.


(+) plus: Wie geht es der Energie AG? Wie geht es Ihren Kunden? Können Sie uns einen Ausblick auf das laufende Kalenderjahr geben?
Leo Windtner: In den Krisenjahren nach 2008 gab es in der Wirtschaft auch ein entsprechendes Durchsacken am Energiemarkt. Es ist nun feststellbar, dass der Energieverbrauch der Großkunden wieder das Niveau von 2008 erreicht hat. Die aktuellen Zahlen bestätigen im Großen und Ganzen, dass der Konjunkturmotor wieder läuft – zwar nicht übersteuert, aber bei hervorragenden Performern in Oberösterreich wie BMW, voestalpine oder auch der Papierindustrie doch wieder kräftig.
Für das laufende Geschäftsjahr haben wir sehr ambitionierte Budgetziele formuliert, die wir hoffen, erreichen zu können. Bei dem derzeit sehr niedrigen Level des Strompreisniveaus wird dies nicht einfach sein, zumal auch eine Preiserholung nicht in Sicht ist. Steuern und Abgaben ebenso wie der Ökostromzuschlag verteuern den Strompreis für die Verbraucher. Hier sind die Energieversorger nur Registrierkasse, die Konsumenten bekommen letztlich den hohen Gesamtpreis zu spüren. Die Energie AG Oberösterreich bietet jedenfalls seit bald drei Jahren den gleichen Strompreis – und wir sind derzeit gerade dabei, eine Strompreisgarantie bis 2014 abzugeben.  

(+) plus: Was sind die gängigen Faktoren für die Strompreisentwicklung? Warum ist dieser Preis auf einem so niedrigen Niveau?
Windtner: Dies hat vornehmlich zwei Gründe: Europa hat trotz aller Bestrebungen in Richtung erneuerbarer Energien große Altkapazitäten, die derzeit noch voll ausgefahren werden. Auf der anderen Seite gibt es innerhalb der EU lediglich zwei Länder, Deutschland und Österreich, deren Wirtschaftskraft wieder jenen Level von 2008 erreicht hat. Dies wirkt sich auf den Stromverbrauch und dadurch auch auf die Preise aus.

(+) plus: Wenn Sie nach Deutschland blicken – welche Erwartungen haben Sie zur dort angesagten Energiewende? Wird die Abkehr von Atomkraft Strom in Europa verteuern? Wenn ja, in welchem Zeitraum?
Windtner: Eine Prognose zur Preisentwicklung an den Strombörsen ist kaum möglich. Das Thema der Abschaltung von Kernkraftwerken wird wahrscheinlich erst ab 2015 verstärkt spürbar sein. Man wird dann sehen, in welchem Ausmaß Ersatzkapazitäten wie etwa Windkraft in Deutschland bereit stehen und wirken werden. Der stärkere Faktor, der auf den Strompreis Einfluss hat, ist sicherlich die Wirtschaftskonjunktur.

(+) plus: Für die vieldiskutierte Energiewende sind auch enorme Investitionen in die Netze nötig. Was bedeutet dies für die heimische E-Wirtschaft, wie hoch belaufen sich die künftigen Investitionen dazu für die Energie AG?
Windtner: Die Energieversorger haben einen Ausbauplan für die Wasserkraft um sieben Terawattstunden bis zum Jahr 2020 in petto. Derzeit sind konsensual 3,5 TWh möglich. In dem jüngst vorgestellten Ausbauplan des Branchenverbandes Oesterreichs Energie ist rund die Hälfte der Budgets für den Netzausbau veranschlagt, der gewaltige Investitionen erfordert. Im Bereich der Übertragungs- und Verteilnetze sind in den kommenden zehn Jahren Investitionen von 8,2 Mrd. Euro ge­plant. Dazu kommen voraussichtlich die Kosten für die Installation der Smart Meter und den Ausbau smarter Netze. Insgesamt ergeben sich damit in Summe voraussichtlich Netzinvestitionen von 13 Mrd. Euro bis 2020.
Zum einen werden Verteilnetze künftig verstärkt dezentralen Aufbringungen begegnen müssen, zum anderen sind internationale Transportleitungen für eine neue Energiezukunft Europas dringend notwendig. Insbesondere Lücken in das deutsche Leitungsnetz, wie von St. Peter nach Isar, müssen bald geschlossen werden. Diese Verbindungen sind lebensnotwendig, um die österreichischen Speicherkraftwerke in einen europäischen Verbund einzubringen. Wir bleiben sonst auf den grünen Batterien in Österreich sitzen.

(+) plus: Gibt es dazu einen konkreten Ausbauplan der heimischen E-Wirtschaft? Welche Voraussetzungen, welche Rahmenbedingungen sind dafür notwendig?
Windtner: Insgesamt befinden sich Kraftwerksanlagen mit Engpassleistungen von 9.600 Megawatt in Bau oder sind bis 2020 konkret geplant. Laufwasserkraftwerke machen davon zirka 650 MW aus, auf  Pumpspeicherkraftwerke entfallen 5.000 MW, auf Ökostromanlagen zirka 750 MW und auf thermische Kraftwerke rund 3.200 MW. Mit den neuen Kapazitäten vor allem aus Wasserkraft und Windkraft wird die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien um 3,5 Milliarden Kilowattstunden jährlich steigen.
Dringend muss die Verfahrensdauer im Leitungsbau verkürzt werden. Die Situation bei Genehmigungsverfahren bei Transportleitungen ist noch dramatischer als im Kraftwerksbau. Zwar sind einzelne Prozesse bereits vereinfacht und beschleunigt worden, doch haben wir teilweise noch Vorlaufzeiten von bis zu 15 Jahren bei Projekten. Dem gegenüber sollte eine behördliche Genehmigung für ein Leitungsprojekt prinzipiell in drei, vier Jahren erteilt werden können. Ansonsten sind weder eine Planungssicherheit bei Investitionen noch Versorgungssicherheit gegeben.

(+) plus: Vor zwei Jahren hat die Energie AG ein Photovoltaikkraftwerk in Eberstalzell eröffnet. Welche Erfahrungen haben Sie bislang damit sammeln können? Wie hoch sind die Erträge?
Windtner: Das Solarkraftwerk in Eberstalzell ist mit einem Forschungsschwerpunkt nicht ausschließlich unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit gebaut worden. Wir gehen daher von einer Vollkostendeckung im Gesamtlebenszyklus aus. Wir können in diesen ersten beiden Jahren auf eine sehr zuverlässige Betriebsperiode zurückblicken: Mit der Produktion über Plan wurden im vergangenen Jahr 2,17 Mio. Kilowattstunden mit nur geringen Schwankungsbreiten erzeugt. Besondere Verschmutzungen gab es neben Blütenstaub und dem Feinstaub der nahegelegenen Autobahn nicht, daher gestaltete sich auch die Wartung einfach. Andererseits haben Versuche mit unterschiedlichen Panelen und Modellen nicht jene Erträge gebracht, die weitere Investitionen gerechtfertigt hätten. Wenn aber die Produktkosten in der Photovoltaik weiterhin sinken werden, was man ja seit Jahren beobachten kann, dann wird auch diese Technologie weiter in den Stromerzeugungsmarkt hineinwachsen. Unser Fazit: Bei einem geförderten Strompreis von 20 Cent kann man auch in Oberösterreich Photovoltaikanlagen wirtschaftlich betreiben. Durch die weitere Kostenverbesserung bei PV-Equipment können in Zukunft auch mehr Anlagen aus dem bestehenden Förderkuchen unterstützt werden. Die Erfahrungen in Eberstalzell sind jetzt der Grundstein für die Entwicklung weitere Projekte, wie sie etwa bei den Bürgerkraftwerken umgesetzt werden.

(+) plus: Ist eine Bürgerbeteiligungen bei Erneuerbaren nötig, um die Bevölkerung in die Wende einzubinden – oder unternehmerische Notwendigkeit?
Windtner: Wir wollen unseren Kunden die Chance bieten, sich bei solchen Projekten zu beteiligen. Dies ist bei einer Laufzeit von 13 Jahren bei 3,3 Prozent Fixverzinsung auch wirtschaftlich für alle interessant. Natürlich eignen sich die Projekte hervorragend, um das Bewusstsein für regenerative Energie zu stärken. Unsere Initiative ist bislang sehr erfolgreich. Die Anteile der Anlagen in Timelkam, Wels und Rohrbach sind innerhalb kürzester Zeit verkauft worden – sie wurden in Tranchen von 700 bis 2.800 Euro vergeben. Wir wollen diese Initiative nun in Abstimmung mit dem Land Oberösterreich fortsetzen, um alle Landesbezirke mit Bürgerkraftwerken zu versorgen.

(+) plus: Zur geplanten Richtlinie, den Netzbetreibern das Thema Energieeffizienz umzuhängen: Die EU möchte ja bis 2020 eine Senkung des Energieverbrauchs um 20 % erreichen – wie glücklich sind Sie damit?
Windtner: Wir meinen, dass bei der Energieeffizienz sicherlich nicht bei den Netzgesellschaften, sondern bei den Vertrieben angesetzt werden sollte. Der Energieverbrauch ist ein kundenbezogenes Thema, daher sollten auch die Vertriebe entsprechende Maßnahmen umsetzen. Energieeffizienz ist in der Industrie ohnehin seit jeher ein Riesenthema, Einsparungspotenziale gibt es jetzt daher vor allem bei den Haushalten. Einem Entwurf des Ministers zufolge wird ein Teil der Verpflichtungen als Netzzuschlag ausgewiesen, den Vertrieben wird eine Effizienzverbesserung von 0,5 Prozent per anno vorgegeben – das ist auch aus meiner Sicht machbar. Die zigtausenden Kundenberatungen unseres Vertriebs auf Energiesparmessen, Kundenaktionen vom Stand-by-Killer bis zur LED-Lampe, unser seit Jahren unermüdliches Bestreben, das Thema Energieeffizienz den Kunden näher zu bringen – ich glaube, das ist mehr als mustergültig, was wir als Unternehmen hier bereits getan und erreicht haben.

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