(+) plus: Die Atomkatastrophe in Japan hat den Willen zur Energiewende in Europa verstärkt. Welche Auswirkungen daraus spüren Sie am heimischen Strommarkt?
Horst Ebner: Die Katastrophe in Fukushima hat zu einem positiven Umdenken auf der ganzen Welt geführt, so auch in Österreich. Historisch gesehen hatten wir unmittelbar danach zwei der stärksten Monate unserer Unternehmensgeschichte – mit einem Nettokundenwachstum von mehr als 5.000 Kunden im vergangenen Jahr. Wir präsentieren uns dazu als glaubwürdiger Partner für einen Ausstieg aus den fossilen Energien und der Atomkraft – und gewinnen dabei nicht nur Stromkunden, sondern tragen auch aktiv zum Umbau des gesamten Energiesystems bei.
(+) plus: Es gibt den verpflichtenden Herkunftsnachweis für Strom auf den Stromrechnungen und die Darstellung klimaschädigender Auswirkungen. Hat Strom ein solches „Mascherl“ in dem europaweit notwendigen Geflecht von erneuerbaren Energien und Ausgleichsenergie nötig?
Ebner: Die Kennzeichnung, woher wir unseren Strom beziehen, ist auf jeden Fall sinnvoll, andernfalls sind die Kunden der Energiepolitik ihrer Anbieter völlig ausgeliefert. Sie wollen doch auch wissen, woher Ihre Bananen kommen oder der Käse auf Ihrem Frühstückstisch. Es gibt dazu bereits seit längerem auch eine Verordnungsrichtlinie der E-Control und auch im Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz wurde dieser Service bereits von Anfang an berücksichtigt. Dabei geht es aber nicht darum einzelne Anbieter schlecht zu machen, sondern transparent aufzuzeigen, woher der Strom kommt: das Herkunftsland, der Anteil des inländischen Strombezugs und die Form der Energieerzeugung.
(+) plus: Strom hat aber im eigentlichen Sinne kein Mascherl.
Ebner: Das ist schon richtig. Natürlich kann man die Lieferung nicht physikalisch steuern, Elektronen fließen ja stets den Weg des geringsten Widerstandes. Wenn Sie neben dem Kraftwerk Simmering wohnen, werden Sie auch den Strom des Kraftwerks Simmering bekommen – auch wenn Sie bei der oekostrom einkaufen oder am Papier Strom der Vorarlberger Illwerke beziehen. Den Unterschied macht hier aber der finanzielle Strom, der vom Verbraucher zu einem bestimmten Anbieter oder einem bestimmten Kraftwerk fließt. Entschließen sich viele Konsumenten, bei umweltbewusst wirtschaftenden Stromerzeugern einzukaufen, wird der Stromsee am heimischen Markt insgesamt sauberer. Bei mehr als 11.000 Kunden, wie wir sie derzeit haben, betrifft dies einen relativ kleinen Marktanteil. Hätten wir 100.000 Kunden, würde dieser Effekt bereits anders aussehen. Wichtig ist, was am Ende des Tages mit der Stromrechnung der Kunden finanziert wird. Wir investieren mit unseren Einnahmen in Windparks, Photovoltaikanlagen- und Biomasseanlagen sowie Kleinwasserkraftwerke. Daher bin ich zutiefst überzeugt, dass durch die Nachfrage das Marktangebot gezielt gesteuert werden kann – auch wenn dazu noch viel zu wenig in Österreich getan wird.
(+) plus: Wie wichtig ist Stromkunden die Herkunftsqualität von Energie im Vergleich zum Faktor Preis?
Ebner: Seit zehn Jahren Strommarktliberalisierung können die Kunden in Österreich frei ihren Lieferanten wählen. Bei durchschnittlich 1,2 % Wechselrate jährlich ist die Zahl der mündigen Kunden allerdings dramatisch gering. Entweder sind also alle mit ihren bisherigen Anbietern zufrieden, oder es denken nur wenige über dieses Thema nach. Ich fürchte, dass letzteres der Fall ist. Meinungsumfragen zufolge sind zwar 80 % der Österreicher gegen Atomstrom, viele haben ihn aber nachweislich auf der Stromrechnung.
Bislang war der Preis die wichtige Entscheidungsgrundlage für Konsumenten. Einer jüngsten Umfrage der Branche zufolge steht nun die Qualität an erster Stelle, der Strompreis folgt an zweiter Stelle. Wir haben jedenfalls Produkte, die sich preislich mit den am Markt gängigen Produkten der großen Energieversorger messen können.
(+) plus: Wie sieht es mit Unternehmen als Zielgruppe aus?
Ebner: Noch fehlen die Gewerbekunden als erfolgreiches Segment am wachsenden Markt der erneuerbaren Energien. Wir haben bereits interessante Großkunden wie etwa IKEA, Grüne Erde, Almdudler und Gugler Cross Media – sie stammen teilweise aber selbst aus der Nachhaltigkeitsszene. Über Multiplikatoreffekte wollen wir nun auch Unternehmen aus anderen Wirtschaftsbereichen gewinnen. Der wachsende Trend zu Corporate Social Responsibility (CSR) stärkt bereits das Nachdenken über die bewusste Wahl eines Energielieferanten.
(+) plus: Was erwarten Sie für die nächsten Jahre?
Ebner: Unser strategisches Ziel ist die Verdreifachung unseres Volumens auf 30.000 Kunden in Österreich. Dieses Wachstum geht über neue Produkte und neue Dienstleistungen, so im wachsenden Markt zum Thema Energieeffizienz mit unserem Energiedienstleistungsunternehmen oekoplan. Wir glauben, dass dazu politisch gesehen auch Förderungen und Initiativen in allen Bereichen – bei Haushalten, im Gewerbe und in der Industrie – notwendig sind.
Zum Unternehmen: Die oekostrom AG ist eine österreichische Bürgerbeteiligungsgesellschaft im Eigentum von rund 2.000 Aktionären. Das Unternehmen wurde 1999 mit dem Ziel gegründet, eine nachhaltige Energiewirtschaft aufzubauen, Kunden mit grünem Strom zu versorgen und den Ausbau erneuerbarer Energiequellen in Österreich zu forcieren.