Montag, Juli 08, 2024
Der Grazer-Messe-Präsident Giudo Held hat eine Vision: Er möchte die steirische Hauptstadt ins Zentrum einer starken Wirtschaftsregion südlich der Alpen rücken. Um dafür gerüstet zu sein, erhält die Messe im ersten Schritt eine seit vielen Jahren versprochene Halle für alle. Die Pläne des Präsidenten gehen aber weit darüber hinaus. Zusätzliche Bauten im Umfeld der Messe sollen den Platz zu einem Ort der wirtschaftlichen Begegnung und Dynamik machen. Potenzielle Investoren sind herzlich eingeladen mitzubauen.

Report: Sie sind als Messepräsident derzeit sozusagen Herr einer Großbaustelle. Ist mit der Fertigstellung der Stadthalle Graz das Ausbauprogramm der Messe abgeschlossen?
Guido Held: Das Ausbauprogramm der neuen Messe Graz hat mit dem Stadthallenbau erst begonnen. Um die Stadthalle herum werden auf dem Messegelände auf einer Fläche von 160.000 Quadratmetern eine Hallenerweiterung und ein Messetagungszentrum errichtet werden. Die Messe war bislang klassischer Aussteller, die Messe der Zukunft wird künftig drei Bereiche abdecken: den Ausstellungsbereich mit 40.000 Quadratmetern, daneben das Tagungszentrum für Seminare und als dritte Schiene den Eventbereich. Komplettiert werden soll die Messe durch zwei dem Messegelände vorgelagerte Großimmobilien, in denen messenahe Betriebe angesiedelt werden sollen. Geplant ist ein Hotel mit 200 Zimmern. Die Vorgänge befinden sich im Stadium der Vorbereitung eines Planerwettbewerbes, der im Juni zur Ausschreibung gelangen wird, dessen Ergebnis dem von der Stadt Graz gesetzten Kostenrahmen entspricht. Bis Ende des Jahres, so hoffe ich, werden die Vergabegrundlagen für einen Totalunternehmer vorliegen. Im Mai nächsten Jahres sollte mit dem Bau der ersten von drei weiteren Hallen begonnen werden.

Wie viel wird letztlich investiert werden?
Die Investition der Baustufe eins im Messegelände wird mit 80 Millionen Euro veranschlagt. Wir müssen alles unternehmen, diesen Rahmen einzuhalten. Wir werden Projekte, die diesen Kostenrahmen nicht halten, ausscheiden. Wenn man die der Messe vorgelagerten Bauten wie das Hotel und ähnliches hinzurechnet, gehe ich von einer Gesamtinvestition in der Höhe von 220 Millionen Euro aus.

Zwei Städte haben in österreich das Zeug dazu, am Stellenwert der Bundeshauptstadt zu knabbern. Hat nicht Linz mit seinem wirtschaftlich potenten Großraum deutlich bessere Karten, sich als Zweitmetropole zu positionieren?
Es geht immer um die Frage, wer das Zeug dazu hat, mit Wien in Konkurrenz zu treten. Linz hat mit all seinen Verkehrsträgern eine Idealposition auf dem Weg zwischen München und Wien. Ich sehe Graz als klassischen Mittelpunkt für die Region südlich der Alpen. Wir haben kulturelle, klimatische und atmosphärische Bindungen zum Süden, eine Nähe zu Italien, Slowenien, Kärnten, Kroatien und Ungarn ist vorgegeben. Genau darin sehe ich auch in ökonomischer Sicht unsere wirklichen Stärken. Die Vernetzung unseres Landes mit unseren Nachbarn erzeugt eine unheimliche Aufbruchsstimmung in Graz, die sich vordergründig in einer Reihe von Großbauvorhaben artikuliert. Man hat erkannt, dass es auf Sicht zu wenig ist, sich in einem wunderschönen Gebiet aufzuhalten, und dass es einfach zum Zug der Zeit gehört, die vorhandenen ökonomischen Potenziale zu nutzen. Diese Aufbruchsstimmung war höchst notwendig und ein Reflex auf eine gewisse Lethargie in der Nachkriegszeit, in der man glaubte, mit der verstaatlichten Industrie hätte man das alleinige Auslangen für ewige Zeiten. Und eines muss man dem hinzufügen: Durch den Niedergang dieser Industrie ist in Graz eine Reihe von neuen Arbeitsplätzen entstanden.
Der Flughafen Graz wurde in den vergangenen Jahren stark ausgebaut, zur deutlichen Verbesserung des internationalen Güterverkehrs wird der Güterterminal Werndorf führen. Eine rasche Verbindung zum Süden ist damit garantiert. Wir Grazer sind nun auch über alle Parteigrenzen hinweg darüber einig, dass die Stadt nicht, wie in früheren Konzepten vorgesehen, zu einer Fußgängerzone wird. Derzeit sind zwei große innerstädtische Tiefgaragenprojekte in Bau, sodass der Besucher zu seinen Interessen ortsnah heranfahren kann. Es ist eine Illusion zu glauben, dass ein Besucher sein Auto am Stadtrand stehen lässt, um dann mit der Straßenbahn zum Ort des Geschehens zu fahren.

Welchen Stellenwert hat für die Grazer Messe die EU-Erweiterung? Gibt es schon jetzt Anzeichen dafür, dass sich Graz als Tor zum Süden hin etablieren kann? Schlägt sich das in Aussteller- und Besucherzahlen nieder?
Nein. Ich muss selbstkritisch zugeben, dass die totale Umstrukturierung der Messe, die übrigens von Roland Berger consultet wurde, einen Tiefpunkt erreicht hatte. Die letzten zwei Messen haben aber gezeigt, dass es massive positive Trends geben wird. Wir müssen weg von der bloßen Masse der Besucher hin zum richtigen Aussteller, gekoppelt mit dem richtigen Besucher. Das wird in absoluten Zahlen zu einer deutlichen Reduktion der Besucherzahlen führen, aber nur Gratiseintritt und Freibier sind keine Zielsetzungen für ein Unternehmen, dessen Aufgabe es ist, die Wirtschaft zu fördern.

Die baulichen Maßnahmen am Messegelände sind nur ein Teil der Aktivitäten in Graz. Sehr viel wird auch in Kulturbauten investiert. Sehen Sie das Verhältnis zwischen diesen beiden Polen als ausgewogen an?
Ich glaube, dass beide Baumaßnahmen notwendig sind. Seit Jahrzehnten ringt Graz um ein repräsentatives Kunsthaus. Kleinliche Politdebatten haben verhindert, dass die zeitgemäße Darstellung von Kunstformen wie Malerei und Installation in Graz erfüllt werden konnte. Wien hatte dieses Defizit übrigens auch sehr lange. Das Problem von Graz in den Achtzigerjahren bestand darin, dass man etwas zu lange wertkonservative Stadtpolitik betrieben hat, indem man der Meinung war, dass das, was vorhanden ist, reicht - und darüber hinaus wird sich die Bevölkerung schon selbst das organisieren, was sie braucht. Man hat auch etwas zu sehr das Auto, den Verkehr dämonisiert. Die Konsequenz waren Betriebsabsiedelungen, eine Entvölkerung der Innenstadt. Man hat aber erkannt, dass dieser Weg nicht zielführend ist, und sehr konstruktiv die entsprechenden Maßnahmen gesetzt.

Wo hat die Stadt ihre größten Probleme? Reichen Ihrer Ansicht nach die Bemühungen, den ausufernden Individualverkehr in den Griff zu bekommen, aus?
Wir können Graz nicht zu München oder Manhattan machen. Klar ist, dass Graz sich eine U-Bahn nicht leisten kann. Es ist aber möglich, mit einer entsprechenden Konzentration der Entscheidungen die Parkraumbewirtschaftung etwa im Sinn der Wienlösungen herbeizuführen. Gelingt es uns, sinnlose Verkehrsbelastung durch Parkraumsuche zu vermeiden, ist schon sehr viel gemacht. Die zweite Maßnahme sehe ich im Ausbau der Straßenbahn, des für uns zugeschnittenen Verkehrsmittels. Der Gemeinderat hat erst kürzlich eine Verlängerung der Linie 4 in Richtung Liebenau beschlossen. Ich bin überzeugt, dass Graz auch ohne U-Bahn eine regionale Bedeutung für den südlichen Raum zugemessen wird.

Was wünschen Sie Graz in den kommenden fünf Jahren? Womit könnte die Entwicklung der Stadt vorangetrieben werden?
Es fehlt bislang eine Vernetzung der Leistungen der Ausbildungsstätten zur Wirtschaft, zum Handel und den Konsumenten am Standort Graz. Es fällt auf, dass sich steirische Paradeunternehmen mit ihren Produkten und Leistungen zwar international präsentieren, die Messe Graz sich jedoch bislang damit begnügt hat, durch Reduktionen der Eintrittsgebühren Besucherzahlen zu puschen.


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