Als ob der neue Bahnboss Christian Kern nicht schon genug zu tun hätte: Jetzt wird auch noch der Kauf der ungarischen MAV Cargo zum Wirtschaftskrimi. Über Hintergründe und Zukunft des Deals, graue Eminenzen und die unklare Abgrenzung zwischen »den Guten« und »den Bösen«.
Von Heinz van Saanen
Der mediale Wirbel war groß, nachdem das Magazin »profil« geleakte Tonbandmitschnitte von ÖBB-Aufsichtsratsboss Horst Pöchhacker veröffentlichte. Dessen zentrale Sager rankten sich um den Kauf der ungarischen MAV Cargo, bei deren Kauf 2007 möglicherweise Bestechungsgelder an die ungarische Einmann-Agentur »Geuronet« geflossen sind. Ziemlich offen sprach Pöchhacker laut »profil« etwa darüber, dass »man keinen ungarischen Auftrag ohne irgendeinen ähnlichen Lobbying-Abschluss« erhalte. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, ob auch Korruption im Spiel war, Hausdurchsuchungen inklusive. Pöchhacker geriet in Erklärungsnot, der neue ÖBB-Holding-Boss Christian Kern sah sich veranlasst, öffentlich die vorbehaltlose Zusammenarbeit mit den Ermittlern zuzusichern. Zu allem Überdruss drückte vor allem die Rail Cargo Hungaria (RCH) – wie die MAV Cargo nach dem Deal umgetauft wurde – ihre österreichische Mutter Rail Cargo Austria (RCA) tief in die roten Zahlen. 2008 lag das RCA-Minus bei 65 Millionen, heuer wird ein dreistelliger Millionenbetrag erwartet. Im Zentrum des medialen Interesses steht derzeit die Geuronet. Aber diese war nicht die einzige Lobbying-Agentur, die von der Übernahme der MAV Cargo profitierte.
Joining Forces mit Hochegger
Abkassiert hat neben der illustren Geuronet auch die PR-Agentur des Steuerhinterziehers Peter Hochegger. In Österreich scheinbar fast unvermeidlich: Egal, ob Buwog-Privatisierung, Flughafen Wien, Terminal Tower, ÖBB oder Telekom, der PR-Wunderwuzzi Hochegger war überall dabei. So auch als »Zweitberater« beim MAV-Deal. Am 13. Oktober 2008 fixierte der Aufsichtsrat der ÖBB-Gütertochter RCA Details der Übernahme. Für die Expertise von Hocheggers Ungarn-Tochter – sie begleitete das Programm mit dem Codenamen »Joining Forces« – wurden einstimmig 140.000 Euro locker gemacht (siehe Faksimile). Zwei Aufsichtsräte meldeten immerhin leichte Bedenken an. Kurt Eder fragte etwa, warum nicht eine »echte« ungarische Agentur ausgewählt wird. Siegfried Meysel erkundigte sich, ob das Auswahlverfahren auch »korrekt abgewickelt« wurde. Welche Leistungen Hochegger für sein 140.000-Euro-Honarar tatsächlich erbrachte, ist nicht ganz sicher auszumachen. Zwei gewöhnlich gut informierte ÖBB-Insider berichten, dass Hocheggers Wirken spurlos an ihnen vorübergegangen sei. Ein anderer wiederum, dass Hocheggers Ungarn-Mann ein halbes Jahr lang emsig an Wochenbulletins oder Kommunikations- und Medienkonzepten gearbeitet hätte.
Kindesweglegung trotz vereinter Kräfte
Spätestens jetzt, wo der MAV-Deal die Justiz beschäftigt und die Bilanzen rot färbt, will niemand mehr so recht dafür verantwortlich sein. Unter der Hand sind sich jedoch alle ÖBB-Insider ausnahmslos darüber einig, dass von Ex-Boss Martin Huber abwärts alle maßgeblichen Managementebenen von der »Ostfantasie« begeistert waren. Der Holding- und RCA-Finanzer Erich Söllinger etwa war nicht nur in alle Entscheidungen involviert, sondern tingelte auch selbst durch Ungarn, um für die Übernahme für freundliche Stimmung zu sorgen. Erstaunlicherweise waren aber sowohl Huber wie Söllinger ausgerechnet bei der Vertragsunterzeichnung auf Urlaub. Lediglich RCA-Chef Fritz Macher gilt als einer, der zu dem Deal kam wie »die Jungfrau zum Kind«. Zwischen Wien und Budapest mobilisierte er Ministerien, Gewerkschaften und Großkunden. In wahren Marathonsitzungen soll er jüngst drohende Preiserhöhungen im Verschub wegverhandelt haben, was der neuen ungarischen Gütertochter rund 25 bis 40 Millionen Euro jährlich ersparen dürfte. In der finanziellen Bredouille dürfte die RCH vor allem deswegen sein, weil die Krise dazwischenfunkte. Die setzte vor allem auch dem weltweiten Güterverkehr zu.
Die Rolle des roten Gustl
Nach jüngsten internen Prognosen könnten RCA/RCH den Sprung in schwarze Zahlen schon 2012 schaffen. Den prinzipiellen wirtschaftlichen Nutzen der MAV-Übernahme will – off records – auch heute kein Manager in Zweifel ziehen. Den schwarzen Peter kassiert einstweilen Ex-ÖBB-Manager Gustav Poschalko. Der »rote Gustl« startete seine Karriere als Lehrling bei Gebrüder Weiß und baute danach die Speditionsholding auf, die einst als Transportimperium der KPÖ gehandelt wurde. Entsprechend legendär sind seine Ostkontakte. Selbst in den wilden 90ern verlor seine Holding im Osten nicht einen einzigen Lkw. Einmal verschwand eine Ladung TV-Bildschirme. Ein Anruf in Moskau genügte – und der Lkw stand wieder vor der Tür. Gemeinsam mit Helmut Draxler heckte er Ende der 90er die »Operation Sunrise« aus und verkaufte, oder besser gesagt verschenkte die Holding an die ÖBB. Allein durch die EGTs der Holding war »Sunrise« schon drei Jahre später komplett refinanziert. Planlos war das nicht. Der »rote Gustl« wollte vermeiden, dass sein Imperium ans Ausland verscherbelt wird, auch wenn dort mehr Millionen zu holen gewesen wären. Arm ist Poschalko nicht. Aber noch heute wohnt er statt in einer Villa wie eh und je »auf der Kreta«, einem ehemals berüchtigten Arbeiter- und Armenviertel in Favoriten. Und statt am Golfplatz triff man ihn eher am Fußballplatz des Fav AC. Wie kolportiert wird, sieht er seine Rolle beim MAV Cargo als die des »nützlichen Idioten«.