Der Aufstand der Programmierer gegen die Dominanz des von Bill Gates entwickelten Windowssystems verlangte freien Zugang zu den Sourcecodes der Betriebssysteme und erschütterte mit der Forderung die Basis und das Grundverständnis aller kommerziellen Softwareentwickler.
Geheim hielten Entwickler ihren mühsam geschriebenen Code bisher, um ihr geistiges Eigentum zu schützen und um sicherzustellen, nach einer langen Entwicklungszeit nicht völlig leer auszugehen. Was bisher also dem Schutz legitimer wirtschaftlicher Interessen diente, wird plötzlich vollkommen verpönt. Freier Zugang für alle ist die Devise. Keine Lizenzgebühren sind angesagt. Alle sollen sich einbringen und das System weiterentwickeln können.
Linux ist so zur Weltanschauung geworden. Und das Konzept klingt wie das basisdemokratische Urgeschrei der Grünen Anfang der 80er Jahre. Nur was dort auf dem Misthaufen der Geschichte gelandet ist, wird da zum Erfolgsrezept. »Tausende Augenpaare der weltweiten Linux-Gemeinde haben den Sourcecode täglich vor Augen«, beschreibt es der Linux-Jünger und Cubit-Technikchef Peter Paul Witta. Das sei die eigentliche Stärke, da auf diese Weise ein fast unendlicher Pool an Kreativität und Entwicklergeist angezapft werde, der sicherstelle, dass jedes Problem rascher als bei kommerziellen Herstellern entdeckt und auch behoben werde.
Linux ist ein Produkt des Internets. Es erlaubt, dass sich helle Köpfe - egal in welchem Erdteil sie sitzen - in den gemeinsamen Prozess der Entwicklung einklinken. Für Microsoft und andere Softwarehersteller ist das Phänomen Linux schwer begreifbar und noch schwerer bekämpfbar, eben weil es ein Phänomen und kein klassisches Produkt eines klassischen Produzenten ist. Eine Chance hat Linux gegen den Gigant Microsoft aber nur, wenn es Produktstatus erlangt und zumutbare Support-Leistungen erbringen kann. Und nur deshalb kommt Linux aus der esoterisch, quasi-religiösen Ecke heraus, weil einige IT-Dienstleister und Distributoren sich nun der banalen kommerziellen Dinge - wie Support und Beratung - annehmen und damit das Problem lösen, dass jeder, der in seinem Unternehmen ein System einsetzt, das im strengen Sinn keinen Hersteller hat, im Zweifelsfall bei Wartung und Weiterentwicklung allein dasteht. Red Hat und Suse heißen die prominentesten Distributoren, und sie verhelfen Linux zum Aufschwung, weil sie bereit sind, weniger die Religion und mehr das Geschäft zu sehen. »Jetzt endlich kommen wir weg vom Hackerimage«, unterstreicht es Red Hat-Direktor Dieter Hoffmann. Und tut alles, um aus der Freakecke herauszukommen: Serviceverträge für alle Bedürfnisse und jedes EDV-Budget werden angeboten. Großkunden wie die Deutsche Telekom oder Lufthansa haben Full-Supportverträge, für Kleinbetriebe bietet Red Hat ein 24 x 7-Support-Level-Agreement. Die Wartung wird dabei via Remote-Infrastruktur aus der Ferne erledigt und Privatkunden steht die Hotline zur Verfügung. »Probleme werden bei uns innerhalb von acht Stunden erledigt«, sagt Hoffmann. Packages für Private und Businesskunden werden zu sehr erschwinglichen Preisen angeboten. Erschwinglich vor allem deswegen, weil die Distributoren für die freie Software an sich nichts verlangen dürfen. Die rund 80 Euro für den Privatkunden und etwa 300 bis 990 Euro je nach Umfang für das Businesspackage ergeben sich lediglich aus den mitgelieferten Extras- wie etwa Handbücher oder Installationsassistenten.«