Mittwoch, Februar 05, 2025
»Es drohen viele unintelligente Maßnahmen«
Wenn die Planungssicherheit fehlt, werden viele Unternehmen zuwarten, bevor sie größere, nachhaltige Investitionen tätigen. (Bild: iStock)

Im Interview mit Report(+) erklären die beiden Rechtsanwälte Stephan Heid, Heid & Partner Rechtsanwälte, und Martin Niederhuber, Niederhuber & Partner Rechtsanwälte, welche negativen Auswirkungen Kürzungen und Streichungen von Fördermaßnahmen auf den Standort Österreich haben werden, warum Unternehmen aktuell mit einer enormen Planungsunsicherheit konfrontiert sind und was sie dennoch positiv in die Zukunft blicken lässt.


Ihre beiden Kanzleien haben sich stark dem Thema Nachhaltigkeit verschrieben. Haben Sie angesichts der aktuellen politischen Großwetterlage – national wie international – schon einmal mehr Rückenwind verspürt?

Martin Niederhuber: (Lacht) Gute Frage. Ich denke für unser Geschäft ist es nicht relevant, ob wir Rückenwind verspüren oder nicht. Sowohl Heid & Partner mit dem Schwerpunkt Vergaberecht als auch wir mit dem Schwerpunkt Umwelt- und Energierecht werden mit Fällen betraut, die aus der Praxis kommen. Es gibt ein europäisches und nationales Regelgerüst, das so komplex ist, dass es Kanzleien braucht, die die Unternehmen begleiten. Daran wird sich unmittelbar nichts ändern, egal wie die politische Großwetterlage ist. Was sich national aber natürlich mittelfristig ändern kann, ist, dass durch Streichungen von Förderungen im Umwelt- und Klimaschutzbereich Investitionen von Unternehmen gestoppt werden.

Stephan Heid: Ich denke auch, dass es keine unmittelbaren Auswirkungen auf uns hat. Es wird aber für die öffentlichen Auftraggeber durch die klammen Budgets in Zukunft sicher schwieriger, grüne Akzente zu setzen, weil diese aufgrund des oftmals innovativen Charakters etwas mehr kosten und es dafür eine Anschubfinanzierung brauchen würde, wie zum Beispiel bei grünen, CO2-reduzierten Bau­stoffen.

Meist geht es bei Interviews wie diesem um die Frage, welche Maßnahmen Sie von einer neuen Regierung erwarten. Geht es aktuell eher um die Frage, was nicht gestrichen werden darf? Befürchten Sie eine Budgetsanierung am Rücken der Nachhaltigkeit?

Niederhuber: Natürlich haben wir auch aktive Wünsche, um den Standort zu stärken. Ganz oben auf der Liste stehen eine Verfahrensbeschleunigung und der Ausbau der erneuerbaren Energie. Da gibt es mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz auch schon einen sehr guten Entwurf in der Schublade. Wichtig wäre auch, dass die Energieagenden Bundessache werden. Das ist auch mit einer neuen Regierung umsetzbar. Aber wenn natürlich laufende Förderungen gestrichen werden, schwächt das den Standort.

Heid: Wir sehen leider das Risiko, dass es zu unintelligenten Kürzungen und Streichungen kommt. Was meine ich damit: Bei E-Bussen sollen dem Vernehmen nach 30 Millionen Euro an Förderungen gestrichen werden. Das gerät definitiv in Konflikt mit dem Straßenfahrzeug-Beschaffungsgesetz, das gewisse E-Kontingente vorsieht. Ohne Förderungen werden diese Quoten nicht erfüllt werden können und es drohen Strafzahlungen. Genauso unintelligent ist die Streichung der Umsatzsteuerbefreiung für PV-Anlagen oder der Kürzungen beim Kesseltausch oder der thermischen Sanierung. Das hat nicht nur direkte Auswirkungen auf die Bauwirtschaft, wir riskieren auch, die Klimaziele zu verfehlen. Da drohen Strafzahlungen der EU in Milliardenhöhe.

Und natürlich müssen wir aufpassen, nicht politische Verhältnisse zu bekommen, die aufgrund einer Fundamental­opposition zur EU zur Streichung von europäischen Fördermitteln führt. Wir schreiben etwa aktuell die erste hochalpine PV-Anlage in Österreich aus. Die wird mit über 50 % EU-Geldern finanziert. Ohne EU-Förderungen würde es das nicht geben.

Wenn es um Investitionen geht, sind für Unternehmen klare, verlässliche Rahmenbedingungen und Planbarkeit fast noch wichtiger als Förderungen. Sehen Sie diese Planbarkeit aktuell gefährdet?

Niederhuber: Nichts ist schlimmer als Planungsunsicherheit. Die Transformation der Industrie ist sehr komplex und investitionsintensiv. Die Projekte haben einen riesengroßen Vorlauf. Sich so rapide ändernde Rahmenbedingungen wie sie jetzt drohen, sind da natürlich äußerst schädlich. Ich kenne viele Unternehmen, die ganz konkrete und innovative Ideen haben, aber befürchten, dass sich die Rahmenbedingungen ändern und sie dann als Early Mover übrig bleiben. Die Zahl derer, die abwarten und Investitionen stoppen, wird sicher wachsen.

Heid: Die angedachte motorbezogene Besteuerung von E-Fahrzeugen ist ein weiterer Schuss ins Knie. Das trifft ja auch und vor allem Unternehmen, die ihren Fuhrpark umgestellt haben oder dies planen. Wenn den Unternehmen die Investitionssicherheit fehlt, werden wir die Flottenziele der EU niemals erreichen. Es stellt sich die Frage, ob bei diesen zum Teil populistisch getriebenen, zum Teil kurzfristig gedachten Einsparungsszenarien sich irgendjemand auch Gedanken über die langfristigen Auswirkungen gemacht hat.

In der Vergangenheit war viel von Green Public Procurement die Rede. Glauben Sie, das wird so bleiben?

Heid: Die Budgets aller Gebietskörperschaften und ausgegliederten Rechtsträger sind klamm. Und überall dort, wo das Budget kaum für die Erstinvestition reicht, wird in der Regel eher wenig Wert auf die Lebenszykluskosten gelegt. Das ist in vielen Bereichen, speziell in der Bauwirtschaft natürlich fatal. Wir wissen, dass nur rund 20 % der Gesamtkosten eines Gebäudes auf die Errichtung entfallen, aber 80 % auf den Betrieb. Weitere Fortschritte auf dem Nachhaltigkeitspfad sind da eher unwahrscheinlich.

Bei all den besprochen Rahmenbedingungen, was lässt Sie trotzdem positiv in die Zukunft blicken?

Niederhuber: Wir haben einen klar definierten EU-rechtlichen Rahmen, von dem man nicht so leicht abrücken kann, auch wenn es auf EU-Ebene natürlich ähnliche Tendenzen wie in Österreich gibt. Aber mit dem Green Deal ist ein Pflock eingeschlagen, der nicht so einfach verrückbar ist. Ich habe auch großes Vertrauen in unsere Wirtschaft. Unsere Unternehmen sind wirklich gut, mit einer großen Innovationskraft. Die werden nicht sofort eine Kehrtwendung machen, weil sich die politischen Rahmenbedingen ändern.

Heid: Mich stimmt positiv, dass es unglaublich viele ambitionierte Vertreter auf Beschaffungsseite gibt. Die Vergabe-Community hat sich in den letzte Jahren ganz klar in Richtung Green Public Procurement entwickelt und dafür auch die nötigen Werkzeuge geschaffen. Das wird auch so bleiben, egal wie die politische Großwetterlage aussieht. Da ist sehr viel Know-how vorhanden und sehr viel Wille, der nach wie vor ungebrochen ist.

Im Herbst tritt auch das Informationsfreiheitsgesetz in Kraft. Was erwarten Sie sich davon?

Niederhuber: Gegen die Abkehr vom Amtsgeheimnis und das Grundrecht auf Information ist natürlich überhaupt nichts einzuwenden, es gibt aber zahlreiche Bruchstellen und Konfliktfelder, die uns massiv beschäftigen werden. Etwa bei der aktiven Informationspflicht öffentlicher Stellen. Da wird es noch viel Diskussion geben, was von allgemeinem Interesse ist und was nicht. Dazu kommen Abwägungsgründe und Geheimhaltungsinteressen. Wie das in der Praxis genau funktionieren soll, weiß heute niemand. Dazu kommt, dass die Lust, sich Informationen zu beschaffen, etwa von NGOs wenn es um Infrastrukturprojekte geht, riesengroß sein wird. Die Gerichte werden dauerhaft im Einsatz sein.

Heid: Im Vergaberecht wird das Instrument sicher von Anbietern genutzt werden, um so viel wie möglich über laufende oder zukünftige Verfahren in Erfahrung zu bringen. Gerade im Beschaffungswesen wird sich die Frage nach der aktiven Informationspflicht stellen. Hier wird es viele anspruchsvolle Abgrenzungsfragen geben, die gutachterlich aufzulösen sind und die Gerichte langfristig beschäftigen werden.


Die Autoren

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Dr. Stephan Heid ist Partner bei Heid & Partner Rechtsanwälte, die an fünf Standorten und mit 20 Jurist*innen in den Bereichen Infrastruktur, Energie, Mobilität, IKT und Gesundheit beraten. Heid berät seit über 30 Jahren Entscheidungsträger*innen vor allem in komplexen und öffentlichkeitswirksamen Beschaffungen. Als Initiator von Thinktanks (IG Lebenszyklus Bau, Competence Center Vergabe) und Herausgeber zahlreicher Publikationen (Handbuch Vergaberecht, Handbuch Vergabe-Compliance, Kommentar-BVergG 2018, Zeitschrift »Recht und Praxis der Auftragsvergabe«) prägt er die österreichische Vergabeszene nachhaltig.
www.heid-partner.at 

Mag. Martin Niederhuber ist Gründungspartner von Niederhuber & Partner Rechtsanwälte GmbH und seit mittlerweile 30 Jahren im Umwelt-, und Öffentlichen Wirtschaftsrecht tätig. Im Laufe seiner Karriere hat er eine Vielzahl von UVP-Projekten betreut, insbesondere in den Bereichen Infrastruktur, Schwerindustrie, Kreislaufwirtschaft, Erneuerbare Energien (Wind- und Wasserkraft) und Verkehrssektor. Er ist Präsident des Österreichischen Abfall- und Wasserwirtschaftsverbands (ÖWAV), Vortragender bei zahlreichen Fachveranstaltungen und Autor einschlägiger Fachpublikationen.
www.nhp.eu 

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