Mittwoch, Oktober 16, 2024
Die Business-Beschleuniger

Ein gut gepflegtes Netz aus sozialen Kontakten bringt in wichtigen Situationen einen Informationsvorsprung. Was früher als »Vitamin B« verpönt war, kann für berufliche Erfolge ein entscheidender Faktor sein.


Es geht nichts über gute Beziehungen. Sie öffnen Türen und Möglichkeiten – und sind im beruflichen Kontext manchmal unbezahlbar. Und zwar nicht in Bezug auf Postenschacherei: Jemanden zu kennen, dem man vertrauen und auf den man jederzeit zählen kann, war nie verkehrt.

Netzwerken ist die Kunst, Kontakte zu knüpfen und zu pflegen. Ein Netzwerk besteht aus einer Gruppe von Personen, die ihr Wissen austauschen, einander unterstützen oder gemeinsame Projekte und Kooperationen starten. Menschen, die gut vernetzt sind, haben auch größere unternehmerische Chancen. Berufliches Networking ist jedoch mehr als das Sammeln von Visitenkarten und möglichst vieler LinkedIn-Kontakte. Wichtiger sind qualitativ hochwertige Beziehungen, auf die man sich verlassen kann. »Wer erfolgreich netzwerken möchte, sollte vor allem authentisch sein und echtes Interesse an anderen Menschen zeigen. Networking ist keine Einbahnstraße, sondern ein langfristiger Prozess, eine langfristige Investition, die auf gegenseitigem Austausch beruht«, sagt die Kommunikationstrainerin Angela Pengl-Böhm. »Eine wichtige Grundlage ist Vertrauen, das durch Ehrlichkeit und regelmäßigen Kontakt aufgebaut wird.«

Hatte Networking hierzulande oftmals einen negativen Beigeschmack von ideologischen Seilschaften und Freunderlwirtschaft, gelten vor allem Alumni-Netzwerke im angloamerikanischen Raum als wichtige Karriere-Booster. Uni-Absolvent*innen bleiben ihrer Alma Mater auch nach dem Studium verbunden und unterstützen einander aktiv, beispielsweise durch Mentoring, Sponsoring oder Vermittlung von Praktikumsstellen.

Auf Augenhöhe
»Networking sollte in erster Linie ein Geben sein«, rät dazu die Managementberatung Michael Page: »Eine berufliche Information, ein guter Tipp – so bauen Sie sich ein Image als hilfsbereiter Kontakt auf.« Wer Mitglied in einem Business-Netzwerk wird, muss bereit sein, sich selbst offen und interessiert einzubringen und somit als verlässliche, hilfsbereite, vielleicht auch verschwiegene Ansprechpartner*in zu beweisen, ohne stets den persönlichen Nutzen im Hinterkopf zu haben. In einem breit gefächerten Netzwerk profitieren langfristig alle voneinander.

Für Martina Ernst, frühere HR-Chefin der Erste Bank, Gründerin der Beratungsfirmen FairandEqualPay.com und SalaryNegotiations.at sowie Karriere-Partnerin der WU Executive Academy, beginnt strategisches Networking »mit klaren Zielen«: relevante Stakeholder, soziale Plattformen und Veranstaltungen identifizieren sowie Win-win-Beziehungen aufbauen und selbst Mehrwert liefern. Denn, wie Ernst betont: »Von einem leeren Konto kann man nichts abheben.«

Der Faktor Zeit ist im schnelllebigen Business oftmals entscheidend. Die Suche nach einem zuverlässigen Dienstleister abzukürzen oder eigene Wissenslücken zu schließen, ist oft leichter möglich, wenn man sich gezielt an die richtigen Personen im persönlichen Umfeld wenden kann, egal ob es sich um eine innovative Idee, einen Trend oder einen vakanten Job handelt. Erfahrene Netzwerker *innen schätzen den professionellen Umgang unter engagierten Unternehmer*innen auf Augenhöhe und mit Handschlagqualität. Nicht selten ergeben sich gemeinsame Initiativen oder Partnerschaften.

Ins Gespräch kommen
Kontakte aufzubauen und zu pflegen, braucht Zeit und Geduld und erfordert doch einigen Aufwand. Die Chance, unterschiedlichste Menschen kennenzulernen, sollte dennoch genutzt werden – auch zunächst als nicht relevant erscheinende Kontakte könnten sich später als hilfreich erweisen. Jede Person verfügt wiederum über ein Netzwerk, wodurch sich der Kreis stetig erweitert. Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme gibt es unzählige, von Branchenevents, Konferenzen, Messen und Workshops bis hin zu Veranstaltungen von Berufsverbänden und Netzwerk-Organisationen, die gezielt berufliches Networking fördern.

»Netzwerken ist keine Zeitverschwendung. So wie jedes Unternehmen einen Finanzplan und einen Marketingplan hat, sollte auch die Netzwerk-Kommunikation strategisch geplant werden«, sagt die Kommunikations- und Netzwerkexpertin Catharina Rieder. In ihrem Podcast »Netzwerk-Zirkel« gibt Rieder wertvolle Tipps zur Netzwerkpflege online und offline. Sie empfiehlt einen maßgeschneiderten Netzwerkplan, der sich auf drei Säulen stützt: Sichtbarkeit und wahrgenommene Kompetenz stärken, Kommunikation über ausgewählte Kanäle strategisch planen, Kontakte zu Multiplikatoren und Stakeholdern langfristig aufbauen. Manche Menschen besitzen ein angeborenes Talent dafür, mit anderen unkompliziert ins Gespräch zu kommen und Kontakte zu knüpfen – egal, ob sie sich auf einem privaten Grillfest oder bei einer Tagung aufhalten. Introvertierte Personen, denen dies nicht so leicht fällt, können aber mit etwas Vorbereitung ebenfalls tragfähige Beziehungen aufbauen. Eine positive Körpersprache und ein authentisches Auftreten können, etwa unter Anleitung eines bzw. einer professionellen Trainer*in, auch geübt werden.

Neben persönlichen Treffen spielt auch die Online-Pflege von Kontakten eine immer wichtigere Rolle. Die aktive Nutzung von LinkedIn, Xing und anderen Plattformen sowie Online-Communities und Foren bieten dazu unterschiedliche Möglichkeiten, etwa auch die Teilnahme an Webinaren und Diskussionsgruppen, in denen mit anderen Teilnehmer*innen interagiert werden kann. Zudem lassen sich frische Kontakte über ein erstes Follow-up durch ein E-Mail oder eine Nachricht via LinkedIn leicht intensivieren, ohne allzu aufdringlich zu erscheinen.

 

Bild: Catharina Rieder, Netzwerkerin und Gründerin des Podcasts »Netzwerk-Zirkel«.

»Auch wenn persönliche Beziehungen immer mehr Gewicht haben: Das digitale Netzwerken gehört heute einfach dazu. Ein LinkedIn-Profil muss gepflegt werden – mit einem guten Foto und einer klaren Beschreibung der Kompetenzen«, meint Rieder. Sie rät Anfänger*innen zum Einstieg, bei Events nur ein oder zwei Personen aktiv anzusprechen und beim »Nacharbeiten« der Kontakte nach der 1-1-1-Formel vorzugehen: am Tag nach der Veranstaltung eine kurze Nachricht via WhatsApp oder E-Mail (»Ich habe mich gefreut, Sie kennenzulernen und mich mit Ihnen über das Thema XY auszutauschen«), nach einer Woche Verlinkung via Social Media (z. B. mit dem Hinweis auf ein Event oder einen interessanten Artikel), nach einem Monat ein Treffen anbieten, um den Kontakt zu intensivieren. Kommt man mit mehreren Leuten ins Gespräch, kann eine kurze Notiz zur jeweiligen Person auf der Visitenkarte hilfreich sein, um Verwechslungen vorzubeugen. Zudem ergibt es Sinn, die Termine für Follow-ups in den Kalender einzutragen.

Mehr als Visitenkarten
Als Faustregel gilt auch bei Kontakten: Qualität vor Quantität. Wer stolz eine möglichst große Anzahl von Kontakten ausweist, übersieht mitunter, dass viele davon recht oberflächliche Beziehungen sind. Ein strategisch aufgebautes Netzwerk ist oft kleiner und überschaubar, die Kontakte bieten jedoch einen echten Mehrwert. Über die Jahre erwachsen manchmal Freundschaften daraus, die Partner können sich aufeinander verlassen und jederzeit mit Unterstützung rechnen.

Ein gutes Netzwerk muss jedoch gepflegt werden. Das bedeutet, regelmäßig den Austausch zu suchen oder Hilfe anzubieten. Einige Business-Netzwerke bieten wöchentliche oder monatliche Treffen an – so verliert man einander und die gemeinsamen Vorhaben nicht aus den Augen. Besonders konsequent treibt diesen Gedanken das Business Network International (BNI) voran: Regionale Geschäftsleute treffen sich einmal pro Woche zur Frühstückszeit mit dem klaren Ziel, durch neue Kontakte und Empfehlungen mehr Umsatz zu generieren.

Lange Zeit war Networking eine stark männlich dominierte Aktivität. Seit den 1990er-Jahren wächst die Zahl der reinen Frauennetzwerke stetig. Will frau ihre eigene Karriere vorantreiben, könnte sich ein gemischtes Netzwerk jedoch als zielführender erweisen. Wie Forscher*innen der TU Braunschweig herausfanden, wirken sich Kontakte zu Männern innerhalb eines Netzwerks positiver auf den beruflichen Erfolg aus. Der Grund: Überwiegend Männer sitzen in einflussreichen Positionen und verfügen daher über wesentlich mehr Möglichkeiten, andere Personen zu fördern. Auch in Österreich sind Frauen in den Chefetagen stark unterrepräsentiert.

Marita Haas, Senior Managerin bei Ward Howell International, sieht in Frauennetzwerken gar »eine Art Parallelwelt, in der sich eine vermeintlich homogene Gruppe trifft«. Eine strukturelle Veränderung in Organisationen oder Gremien werde damit nicht erreicht, gibt sie in einem Interview mit der Plattform Weconomy zu bedenken.

Wie in Branchen-Fachverbänden steht in Frauennetzwerken jedoch der Austausch im Mittelpunkt. Carina Felzmann, frühere Inhaberin der Marketingagentur Cox Orange und in mehreren Netzwerken aktiv, erachtet reine Frauenräume als sichere Umgebung »enorm sinnvoll«: »Wenn ein Mann anwesend ist, kann das Verhalten unbewusst formeller oder zurückhaltender werden, weil soziale Normen oder Rollenbilder ins Spiel kommen. Unter Frauen entsteht ein offener, authentischer Austausch, der mehr Raum für stärkere Vernetzungen untereinander ermöglicht und andere Ideen bringt.«

Carina_Felzmann_c_Carina_Felzmann_Roland_Unger.jpg

Bild: Carina Felzmann, frühere Inhaberin der Marketingagentur Cox Orange, Gründerin des Podcasts »Nonna:Restart!«

Viele versierte Netzwerker*innen engagieren sich ohnehin in mehreren – auch divers zusammengesetzten – Gemeinschaften. »Gemischte Netzwerke bieten eine besondere Chance, bestehende Vorurteile und Barrieren abzubauen«, sagt Felzmann. »Vielfalt bringt einen direkten Mehrwert, was in Folge nicht nur auf zwischenmenschlicher, sondern auch auf wirtschaftlicher Ebene Sinn macht. Gemischte Netzwerke zeigen, dass Diversität Innovation und Kreativität fördert.« Zur Perfektion treiben das Thema Diversität übrigens BNI-Netzwerke: In den einzelnen Gruppen (»Chapters«) ist pro Berufsgruppe nur jeweils ein Mitglied erlaubt, um einander nicht gegenseitig Konkurrenz zu machen.


Siehe dazu auch "Durch den Netzwerk-Dschungel. Eine Orientierungshilfe" unter https://www.report.at/plus/24118-durch-den-netzwerk-dschungel

 


Hintergrund: Besser netzwerken

»Vorbereitung, Übung und der Weg der kleinen Schritte sind der Schlüssel zum Erfolg«, ist Kommunikationstrainerin Angela Pengl-Böhm (Bild) überzeugt. »Es braucht Geduld, Zeit und etwas Mühe, um ein Netzwerk aufzubauen und Beziehungen zu pflegen.« Als Expertin für Auftritt, Präsentation und Moderation berät sie auch Menschen, denen es schwerfällt, neue Kontakte zu knüpfen (www.kommunikations-trainerin.at).

Sich selbst vorzustellen, sei meist die erste große Hürde: »Aus hunderten Trainings und Workshops weiß ich, dass sich viele Menschen damit schwer tun, die eigene Geschichte zu erzählen.« Das lässt sich mit Hilfe eines professionellen Coaches üben, ebenso wie eine selbstbewusste Ausstrahlung und positive Körpersprache. Die Kontaktpflege erfordert »ein wenig Fingerspitzengefühl«, sagt Pengl-Böhm und empfiehlt, folgende Punkte zu beachten:

- regelmäßig, aber nicht übermäßig
- nur wirklich relevante Informationen teilen
- Interesse zeigen
- empathisch agieren und auf den/die Netzwerkpartner*in eingehen
- langfristig denken

 

Vier Tipps für erfolgreiche Gespräche

1. Vorbereitung
Stellen Sie sich, bevor Sie zu einer Veranstaltung gehen, folgende Fragen: Mit wem habe ich es zu tun? Welchen Werdegang hat diese Person? Was interessiert mich an ihrem Fachgebiet? Wo gibt es Gemeinsamkeiten? Was wäre eine gute Gesprächs­eröffnung? Überlegen Sie sich auch Ihr eigenes Ziel bei diesem Gespräch: Suchen Sie nur den Kontakt, möchten Sie etwas anbieten, geht es um Wissensaustausch oder um eine mögliche Kooperation?

2. Vorstellung
Formulieren Sie einen sogenannten »Elevator Pitch« – eine kurze, prägnante Selbstvorstellung, die Ihren beruflichen Hintergrund, Erfahrungen und Ziele in etwa 30 Sekunden umreißt. Das ermöglicht Ihnen, sich in wenigen Sätzen schnell und überzeugend vor anderen zu präsentieren. Wenn es Ihnen schwerfällt, von sich selbst zu erzählen: Erarbeiten Sie mit Hilfe eines Business Coaches oder einer Kommunikationstrainerin Ihre persönliche Story. 

3. Small Talk
Small Talk ist eine wertvolle Fähigkeit, die es uns ermöglicht, mit Leichtigkeit und Vertrauen Gespräche mit fremden Menschen zu führen. Es ist ein wichtiger Bestandteil des sozialen Austauschs. Wählen Sie Themen, die für beide Gesprächspartner interessant sein könnten, etwa aktuelle Ereignisse, Hobbys oder Reisen. Meiden Sie kontroverse Themen wie Politik oder Religion. Dadurch schaffen Sie eine angenehme Gesprächsatmosphäre, in der sich beide wohlfühlen.

4. Kontaktpflege
Wählen Sie anfangs kleinere, überschaubare Veranstaltungen. Es reicht völlig, mit zwei interessanten Menschen ins Gespräch zu kommen und nach dem Event ein Follow-up zu machen. Das kann z. B. ein E-Mail oder eine LinkedIn-Anfrage sein, eine Einladung zu einer anderen Veranstaltung oder die Zusendung von Infomaterial, über das man gesprochen hat. Offensiv das eigene Produkt oder das Unternehmen anzupreisen, kommt jedoch weniger gut an.

Meistgelesene BLOGS

Mario Buchinger
07. August 2024
Der Ruf nach Resilienz in den Lieferketten wird lauter. Nach den Erfahrungen einer weltweiten Pandemie und den immer deutlicheren Auswirkungen der Klimakrise scheint das sinnvoll. Doch was macht eine ...
Nicole Mayer
05. Juli 2024
Im Juni wurden am qualityaustria Excellence Day und der Verleihung Staatspreis Unternehmensqualität die Preisträger*innen 2024 verkündet. Die Sieger*innen im Überblick• Staatspreis Unternehmensqualitä...
Nicole Mayer
19. August 2024
Am qualityaustria Excellence Day im Juni wurde nicht nur das AMS Kärnten mit dem Staatspreis Unternehmensqualität 2024 ausgezeichnet, sondern auch drei weitere exzellente Unternehmen zum Staatspreis n...
Marlene Buchinger
09. August 2024
CSRD, ESRS, CBAM – Nachhaltigkeitsbegriffe schnell erklärt. Nachhaltigkeit wird immer mehr Teil der Führungsarbeit. Daher lohnt ein Blick auf die wichtigsten Begriffe. Wie in jeder Fachdisziplin gibt ...
Redaktion
10. Juli 2024
Ende April wurde das EU-Lieferkettengesetz verabschiedet. Dieses ambitionierte Gesetz verpflichtet Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten und einem Umsatz von über 450 Millionen Euro, Menschenrec...
Marlene Buchinger
07. August 2024
Was bedeutet Nachhaltigkeit und warum ist das Thema so wichtig? Der Begriff Nachhaltigkeit und die damit verbundenen Veränderungen werfen bei vielen Führungskräften noch Fragen auf. Aus diesem Grund e...
Alfons A. Flatscher
01. Juli 2024
Willkommen im 21. Jahrhundert, wo Homeoffice und Co die Arbeitswelt revolutionieren. Was einst als Extra galt, ist durch die Pandemie zur Norm geworden. Der Küchentisch wird zum Schreibtisch, die Jogg...
Marlene Buchinger
07. August 2024
Schulungsangebote und ESG-Tools schießen wie Pilze aus dem Boden. Doch anstelle das Rad neu zu erfinden, sollten bestehende Strukturen neu gedacht werden. Die Anforderungen an Unternehmen punkto Verbe...

Log in or Sign up