Am 29. September 2024 wird der neue Nationalrat gewählt und damit die politischen Weichen für die nächsten fünf Jahre gestellt. Welche Pläne sie für die wirtschaftliche Entwicklung Österreichs haben, hat Report(+) bei den Spitzenkandidat*innen der Parlamentsparteien nachgefragt.
Der Wirtschaftsstandort Österreich liegt im globalen Wettbewerb nur noch im Mittelfeld. Welche Maßnahmen würden Sie setzen, um Österreich wieder konkurrenzfähiger zu machen?
Andreas Babler
Bürgermeister von Traiskirchen, Bundesparteivorsitzender der SPÖ
"Die schlechte Wirtschaftsentwicklung und die Rekordteuerung in Österreich sind ein Resultat der schwarz-grünen Regierungspolitik. In den letzten fünf Jahren gab es ein Plus bei den Preisen von 22 Prozent – das ist Platz 1 in Westeuropa. Gleichzeitig gab es einen Rückgang von minus 2,4 Prozent beim BIP pro Kopf – erstmals in der Geschichte Österreichs wird der Wohlstand am Ende einer Regierungsperiode geringer sein als am Beginn. Die SPÖ wird das ändern. Ein allgemeiner Mietpreisstopp bis 2026 sowie planbare und konkurrenzfähige Energiekosten für Haushalte, Gewerbe und Industrie werden Konsum und Industrieproduktion ankurbeln. Die Inflation würde sinken und die Inflationslücke zu Deutschland könnte geschlossen werden, um die Wettbewerbsfähigkeit wieder zu erhöhen."
Beate Meinl-Reisinger
Abgeordnete zum Nationalrat, Vorsitzende NEOS
"Es braucht mutige und umfassende Reformen, um Österreich wieder wettbewerbsfähig zu machen. Unsere Mission 40% zielt darauf ab, die Rekordabgabenquote schrittweise auf 40 Prozent zu senken. Dies erreichen wir durch Einsparungen beim Staat, etwa durch eine Effizienzsteigerung in der Verwaltung und eine Reform des Föderalismus. Ein zentrales Element ist die Senkung der Lohnnebenkosten, um Unternehmen zu entlasten und Arbeitnehmern mehr Netto vom Brutto zu lassen. Zudem fordern wir eine Entbürokratisierung mit einer modernen Gewerbeordnung, schnelle qualifizierte Zuwanderung und einen One-Stop-Shop für alle Behördenwege. Österreich kann aber nur mit einem starken Europa stärker werden. Die nächste Bundesregierung muss in Europa eine laute Stimme für mehr Binnenmarkt, aber weniger Bürokratie sein."
Werner Kogler
Vizekanzler, Bundessprecher Die Grünen
"Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat auch gezeigt, wie abhängig wir vom russischen Despotengas sind und wie gefährlich es ist, wenn unsere Abhängigkeit als Druckmittel verwendet wird. Die Abhängigkeit von fossilen Energien ist nicht nur schlecht für das Klima, sondern auch unwirtschaftlich und unsicher. Wir müssen daher konsequent weiter am Umstieg in Erneuerbare Energien arbeiten und auf klimaneutrale Produktion setzen. Das haben wir schon mit dem Transformationsfonds für die Industrie, dem massiven Ausbau der Erneuerbaren und den Unterstützungen für Unternehmen, die auf klimaneutrale Produktion und Zukunftstechnologien umsteigen, gezeigt. Genau diesen Weg müssen wir weitergehen, denn eine nachhaltige Wirtschaft sichert und schafft nachhaltig Arbeitsplätze und Wohlstand."
Herbert Kickl
Abgeordneter zum Nationalrat, Bundesparteiobmann der FPÖ
"Die heimische Wirtschaft ist neben der hohen Kostenbelastung insbesondere massiv durch überbordende Bürokratie, Melde- und Berichtspflichten und Überregulierungen belastet. Vieles davon ist auf nationaler Ebene verschuldet, aber auch durch Golden-Plating, der Übererfüllung von EU-Richtlinien. Diese Belastungen gefährden den Wirtschaftsstandort Österreich, wie auch das World Competitiveness Ranking belegt. Neben einem dringend notwendigen Bürokratieabbau sind Potenziale für die Senkung der Lohnnebenkosten ohne Auswirkungen auf Sozialleistungen auszuloten und umzusetzen. Kurzfristig sind jedenfalls auch die Kammerbeiträge zu den Wirtschaftskammern dringend zu reduzieren. Zur Entlastung der energieintensiven Industrie ist eine Verlängerung des Strompreiskosten-Ausgleichsgesetzes zu beschließen."
Karl Nehammer
Bundeskanzler, Bundesparteiobmann der ÖVP
"Wir müssen Anreize schaffen, damit Vermögensaufbau erleichtert und nicht behindert wird. Dies erreichen wir durch die Abschaffung der Kapitalertragsteuer bei Spareinlagen bis 100.000 Euro und die Wiedereinführung der Behaltefrist bei Wertpapieren bei gleichzeitiger Stärkung des Kapitalmarkts. Auch Direktförderungen durch die öffentliche Hand müssen reduziert und stattdessen privates Kapital mobilisiert werden, um standortrelevante strategische Industrieprojekte und KMU-Wachstum durch Private zu finanzieren. Zusätzlich müssen Investitionsprämien ausgebaut werden. Ebenso braucht es gut ausgebildete Fachkräfte. Österreich soll zu einem internationalen Standort für Berufsausbildungen werden. Eine Vereinfachung der Rot-Weiß-Rot-Karte und der Entfall der Nostrifizierung helfen dabei, schneller qualifizierte Arbeitskräfte zu gewinnen."
Wie stehen Sie zu einer Steuerreform bzw. wie müsste diese gestaltet sein?
Andreas Babler: "Eine Steuerreform sollte möglichst wachstumsfreundlich sein. Die OECD hat dazu empfohlen, die Steuern auf Arbeit in Österreich zu senken und gleichzeitig in anderen Bereichen – etwa bei Immobilien – Anpassungen vorzunehmen. Studien zeigen, dass hierzulande die Steuern auf Arbeit überdurchschnittlich hoch, die Steuern auf Millionenvermögen aber gering sind. Der COFAG U-Ausschuss ergab, dass Milliardäre in Österreich – gemessen an ihrem Einkommen – etwa die Hälfte an Steuern zahlen wie Durchschnittsverdiener*innen. Mit einer Millionärssteuer (Modell Schweiz) bzw. einer Erbschafts- und Schenkungssteuer für Millionenerbschaften will die SPÖ das ändern. So schaffen wir Spielraum, um die Steuern auf Arbeit deutlich zu senken. Diese Gegenfinanzierung ist notwendig, da ÖVP/Grüne ein Milliardenbudgetloch hinterlassen."
Beate Meinl-Reisinger: "Die Steuerlast ist in Österreich zu hoch und wurde seit 2017 auch noch einmal höher. Insbesondere der Faktor Arbeit ist in Östereich stark steuerlich belastet. Diese Entlastung soll vor allem mit weniger Dynamik bei den Ausgaben finanziert werden. Notwendig ist daher eine deutliche Senkung der Lohnnebenkosten, was auch die Wettbewerbsfähigkeit von Österreichs Betrieben stärken würde. Neben einer weiteren Einkommenssteuer-Tarifsenkung braucht es eine Besserstellung von Investitionen und Eigenkapitalsbildung bei Unternehmen sowie eine Reform, die den Vermögensaufbau in der Breite stärkt."
Werner Kogler: "Mit der ökosozialen Steuerreform ist uns schon viel gelungen: Unser Klima zu schützen, zahlt sich aus. Wir müssen das Steuersystem aber weiter fair umgestalten. Wir sind für eine Millionärssteuer für Millionenerbschaften. Diese Millionärssteuer bringt dem Sozialstaat wichtige Einnahmen und ist ein fairer Beitrag auf leistungslose Einkommen, mit dem wir hart arbeitende Menschen weiter entlasten wollen."
Herbert Kickl: "Wir stehen einer echten Steuerreform immer positiv gegenüber. Rasch anzugehen ist die Entlastung der Autofahrer, zum Beispiel durch eine Erhöhung des amtlichen Kilometergeldes, der Streichung der NoVA, weniger Steuern auf Sprit sowie durch die Rücknahme der CO2-Abgabe. Neue Steuern, insbesondere die Einführung von Erbschafts- und Vermögenssteuern lehnen wir ab. Die bislang nur zu zwei Dritteln abgeschaffte Kalte Progression muss vollständig abgeschafft werden. Auch bei den Familienleistungen sind Nachbesserungen dringend notwendig."
Karl Nehammer: "Die Abschaffung der Kalten Progression wirkt im Grunde wie eine jährliche Steuerreform. Das ist ein historischer Erfolg. Wir stehen aber für weitere Steuersenkungen, die Leistungsträger*innen, Pensionist*innen und Menschen mit geringerem Einkommen zugutekommen. Hierfür braucht es die Senkung des Eingangssteuersatzes von 20 Prozent auf 15 Prozent und den Entfall des Steuersatzes von 48 Prozent, um fünf Millionen Steuerzahler*innen zu entlasten. Wir setzen uns auch für einen jährlichen steuerlichen Vollzeitbonus in Höhe von 1.000 Euro für Vollzeitbeschäftigte und eine vollständige Steuerbefreiung von Überstunden ein. Wer arbeitet, soll das wieder mehr im Geldbörsl spüren. Auch eine Reduktion der Lohnnebenkosten um 0,5 Prozentpunkte pro Jahr halten wir für sinnvoll."
Der Bürokratieabbau steht auf der Wunschliste heimischer Unternehmen weit oben. Welche Pläne haben Sie diesbezüglich?
Andreas Babler: "Die Transformation der Wirtschaft wird die größte Aufgabe der kommenden Jahre. Der technologische Wandel ist längst im Gange. Die USA und China stecken bereits Milliarden in die Energiewende. Wenn wir unsere Arbeitsplätze in Österreich und Europa erhalten wollen, dann müssen wir gezielt investieren und fördern. Der Staat hat dabei eine wichtige Rolle. Es braucht eine vorausschauende Wirtschaftspolitik. Der Transformationsfonds, den ich vorgeschlagen habe, ist ein Fördersystem aus einer Hand und öffentlicher Minderheiten-Beteiligungen an Start-ups im Bereich der Klima- und Energiewende. 20 Milliarden Euro sollen dafür zur Verfügung stehen. Die SPÖ will den Unternehmen damit einerseits Planbarkeit bieten, aber auch einen One-Stop-Shop für alle Förderungen einrichten. Heute gibt es unterschiedliche Förderstellen und Systeme."
Beate Meinl-Reisinger: "Bürokratieabbau ist eine Aufgabe, die von einer Bundesregierung an die nächste weitergegeben wird. Mit Reformmut können schon einige Brocken im Weg entsorgt werden: Es braucht eine Reform der Gewerbeordnung oder unkompliziertere Verfahren für Rot-Weiß-Rot-Karten. Dazu muss der Staat endlich selbst moderner werden. Wir NEOS fordern einen umfassenden One-Stop-Shop für Unternehmen, über welchen alle Behördenwege erledigt werden können. Das spart den Unternehmen Nerven und den Steuerzahler*innen Geld. Das Bürokratie-Monitoring darf kein leeres Versprechen bleiben. Die nächste Bundesregierung muss den Rechtsbestand ordentlich auf Entlastungspotenzial durchkämmen."
Werner Kogler: "Unnötige Bürokratie ist vor allem für KMU eine Herausforderung. Wir unterstützen und fördern den Bürokratieabbau dort, wo er sinnvoll ist und Umwelt- und Sozialstandards dadurch nicht ausgehöhlt werden. In der Regierung haben wir bereits zahlreiche Maßnahmen zum Bürokratieabbau gesetzt: Bei der Übergabe von Betrieben, im Bereich der Betriebsanlagengenehmigungen oder bei der Anmeldung eines Gewerbes. Gemäß dem »Once only«-Prinzip haben wir begonnen, unnötige Doppelgleisigkeiten abzubauen. Dieser Prozess ist aus unserer Sicht jedenfalls fortzusetzen. Die Digitalisierung ermöglicht darüber hinaus eine effiziente und sichere Abwicklung von Prozessen – hier werden wir Betriebe weiterhin unterstützen."
Herbert Kickl: "Die Wirtschaft ist dringend von überbordenden Bürokratie-, Melde- und Informationsverpflichtungen zu befreien, durch beispielsweise folgende Maßnahmen:
- »Bürokratie-Check« für alle neuen Gesetze vor ihrer Beschlussfassung.
- Rücknahme der infolge von Golden Plating erfolgten »Übererfüllungen« bei Umsetzung von EU-Vorgaben in nationales Recht.
- Künftig kein Golden Plating bei Umsetzung von EU-Vorgaben.
- Durchforstung des nationalen Rechtsbestandes in Hinblick auf die Wirtschaft belastende Normen."
Karl Nehammer: "Es steht außer Streit, dass die Bürokratie die Unternehmen zu stark belastet. Es braucht eine umfassende Bürokratieabbauinitiative, um die administrativen Hürden für Unternehmen zu reduzieren und die größten Regulierungsirrtümer abzuschaffen. Dazu zählen rivalisierende Rechtsvorschriften und absurde Kennzeichnungsvorschriften, die Unternehmer*innen den Arbeitsalltag erschweren. Dazu gehört auch die Abschaffung der Belegpflicht bis 20 Euro, eine Reduktion der Berichtspflichten um ein Drittel und die konsequente Verhinderung der Übererfüllung europäischer Mindeststandards (»Gold Plating«). Der operative Betrieb unserer KMU soll durch die Anhebung der Geringwertige-Wirtschaftsgüter-Grenze auf 2.000 Euro, eine Senkung der Unternehmenssteuern und einer Entrümpelung der Formulare für Unternehmen bei administrativen Vorgängen erleichtert werden. Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Erleichterung der Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte. Die Rot-Weiß-Rot-Karte soll binnen 72 Stunden ausgestellt werden können und die Nostrifizierung für Länder und Universitäten, die österreichischen Standards entsprechen, soll entfallen."